Bistum
Chur: Richtlinien betreffend Kirchenaustritt
Gläubige, die aus den staatskirchenrechtlichen
Organen austreten, aber katholisch bleiben wollen, werden nicht im Taufbuch vermerkt
und sollen ihre Beitragspflicht einem Solidaritätsfonds des Bistums entrichten.
Die Schweizer Bischofskonferenz hat in ihrer Sitzung vom 1. - 3. Juni 2009
Empfehlungen an die Schweizer Diözesen gerichtet zum Umgang mit Personen,
die aus der staatskirchenrechtlichen Körperschaft austreten und erklären,
dennoch katholische Gläubige bleiben zu wollen. Als Umsetzung dieser Empfehlungen
hat der Bischofsrat des Bistums Chur am 20. August 2009 die folgenden Richtlinien
verabschiedet.
Anlässlich eines Treffens zwischen dem Bischofsrat und der Konferenz
der kantonalen staatskirchenrechtlichen Organisationen im Bistum Chur (Biberbrugger-Konferenz)
vom 24. September 2009 haben sich die Delegierten der Biberbrugger-Konferenz
mit diesen Richtlinien einverstanden erklärt. Bischof Vitus Huonder hat
die Richtlinien am 7. Oktober 2009 in Kraft gesetzt.
Richtlinien für den Umgang mit Personen, die
erklären, aus der Kirchgemeinde bzw. der kantonalen Körperschaft auszutreten,
aber katholische Gläubige bleiben zu wollen
- Glied der Kirche wird eine Person durch die Taufe. Die Taufe ist als ein
Sakrament ein Geschenk Gottes, etwas Bleibendes (vgl. CIC, can. 849). Gott
zieht seine Zusage nicht zurück. Deshalb kennt die Kirche keinen "Austritt".
Wer getauft ist, bleibt zeitlebens mit Christus verbunden und in der Kirche
eingegliedert. Die Gläubigen genießen, solange sie voll in der
Gemeinschaft der katholischen Kirche durch die Bande des Glaubensbekenntnisses,
der Sakramente und der kirchlichen Leitung stehen (vgl. can. 205), alle Grundrechte.
Diese sind jedoch mit der Erfüllung von Grundpflichten verbunden (vgl.
can. 208-223).
- Das 2. Vatikanische Konzil sagt über die Kirche: "Die mit hierarchischen
Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, die
sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche
und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei verschiedene
Größen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit,
die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst"
(LG, Nr. 8).
Die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche ist damit nicht nur ein spirituelles
bzw. geistliches Geschehen, sondern sie hat immer auch eine sichtbare bzw.
materielle Seite. Die innere Glaubensverbundenheit mit der Kirche muss immer
auch verbunden sein mit einer materiellen Mitverantwortung für die Kirche:
"Die Gläubigen sind verpflichtet, für die Erfordernisse der
Kirche Beiträge zu leisten, damit ihr die Mittel zur Verfügung stehen,
die für den Gottesdienst, die Werke des Apostolats und der Caritas sowie
für einen angemessenen Unterhalt der in ihrem Dienst Stehenden notwendig
sind" (vgl. can. 222 § 1). Diese Verpflichtung zu einem materiellen
Beitrag für das Wirken der Kirche ist von allen Gläubigen ernst
zu nehmen.
- "Die Kirchensteuer konkretisiert die kirchliche Beitragspflicht"
(Synode 72. Bistum Chur, Bd. IX, S. 29, 3.3.1). Es ist deshalb in der Diözese
Chur Praxis, dass die Gläubigen ihrer Verpflichtung zur finanziellen
Solidarität mit der Kirche durch die Entrichtung der Kirchensteuer nachkommen.
- Gemäß bundesgerichtlicher Rechtsprechung (Bundesgerichtsentscheid
vom 16. November 2007) ist es aus staatlicher Sicht zulässig, aus den
staatskirchenrechtlichen Institutionen (Kirchgemeinde, kantonale Körperschaft)
auszutreten und gleichzeitig zu erklären, dennoch katholisch bleiben
zu wollen. Durch einen solchen Austritt, der aufgrund der erwähnten geltenden
Praxis den Charakter einer Ausnahme hat, erlischt zwar die Pflicht zur Leistung
der Kirchensteuer. Der Austritt entbindet jedoch nicht davon, die kirchliche
Beitragspflicht in einer anderen Form zu konkretisieren.
- Die Diözese Chur bemüht sich, so gearteten Austritten präventiv
zu begegnen und mit dennoch erfolgten Austritten sachgerecht umzugehen, indem
sie problematische Verhältnisse zu bereinigen versucht, die zu Austritten
der erwähnten Art führen. Es ist wünschenswert, dass die staatskirchenrechtlichen
Organisationen im Bistum dieses Anliegen mittragen.
- Kommt es dennoch zu solchen Austritten, ist folgendermaßen vorzugehen:
a) Das Grundrecht der Religionsfreiheit lässt es nicht zu, dass eine
Kirchgemeinde von einer Person, die aus einer staatskirchenrechtlichen Organisation
austritt, die Gründe für ihren Austritt erfragt. Deshalb soll die
betroffene Kirchgemeinde den zuständigen Pfarrer über den Austritt
informieren. An diesem ist es sodann, mit der austretenden Person Kontakt
aufzunehmen und zu versuchen, im Rahmen eines seelsorglichen Gesprächs
die Gründe für den Austritt zu eruieren. Können die bestehenden
Schwierigkeiten, die zum Austritt geführt haben, nicht überwunden
werden und beharrt die Person darauf auszutreten, nimmt die Kirchgemeinde
den Austritt zur Kenntnis, ohne sich gegenüber der betroffenen Person
über ihren kirchenrechtlichen Status zu äußern (vgl. Schreiben
von Bischof Amédée Grab vom 7. Juli 2006).
b) Sobald die staatskirchenrechtlichen Organe Kenntnis von einem Austritt
genommen und die erforderlichen Schritte unternommen haben, lassen sie über
den Pfarrer eine entsprechende Mitteilung dem regional zuständigen Bischofsvikar
zukommen.
c) Der Bischofsvikar schreibt der aus der staatskirchenrechtlichen Organisation
ausgetretenen Person einen Brief. Elemente dieses Briefes sind:
- Kenntnisnahme des Austritts aus der staatskirchenrechtlichen Organisation
und der Absicht der betreffenden Person, weiterhin in der katholischen Kirche
zu bleiben.
- Darlegung, dass die Verpflichtung zur materiellen Solidarität mit der
Kirche unverändert weiter besteht. Die betroffene Person muss ihrer Solidaritätspflicht
deshalb weiterhin und nicht weniger gewissenhaft als bis anhin nachkommen.
Echte Solidarität drückt sich aus in einem den eigenen finanziellen
Verhältnissen entsprechenden Beitrag.
- Aufforderung an die betroffene Person, diesen Beitrag dem dafür eingerichteten
Solidaritätsfonds zu spenden. Über jede Spende stellt der Solidaritätsfonds
eine Bestätigung aus.
- Einladung dazu, einem möglichen Ärgernis entgegenzuwirken. Der
Austritt aus der Kirchgemeinde kann nämlich bekannt werden etwa dadurch,
dass der Staat die betreffende Person als konfessionslos führt. Die betroffene
Person bekennt sich weiterhin zur Kirche, indem sie ein vorbildliches christliches
Leben führt und sich aktiv für die Kirche engagiert.
- Das Bischöfliche Ordinariat führt ein Verzeichnis aller Personen,
die aus den staatskirchenrechtlichen Organisationen ausgetreten sind und den
diözesanen Solidaritätsfonds unterstützen. Ebenfalls kann die
Pfarrei ein Verzeichnis jener Personen führen, die aus der Kirchgemeinde
ausgetreten sind und bekundet haben, in der katholischen Kirche bleiben zu
wollen.
Der Solidaritätsfonds informiert jährlich die staatskirchenrechtlichen
Kantonalorganisationen über die Höhe und über die Verwendung
seiner Einnahmen.
- Im Zweifelsfall kann von Gläubigen, die aus den staatskirchenrechtlichen
Organisationen ausgetreten sind und seelsorgliche Leistungen wünschen,
verlangt werden, dass sie nachweisen, die Kirche nach dem Austritt aus diesen
Organisationen in anderer Form (vgl. oben Nr. 6) materiell unterstützt
zu haben. Es muss dabei jedoch vermieden werden, den Eindruck von Misstrauen
zu erwecken.
- So lange der Personenstand von Gläubigen nicht durch Apostasie, Häresie
oder Schisma verändert wird, darf im Zusammenhang mit dem Austritt kein
Eintrag in das Taufbuch vorgenommen werden.
Vom Bischofsrat des Bistums Chur verabschiedet am 20. August 2009.
+ Vitus Huonder
Bischof von Chur
Aus: www.kath.net
© imprimatur April 2010
Zurück zum Inhaltsverzeichnis
Sagen Sie uns Ihre Meinung zu diesem Artikel!
Bitte füllen Sie die folgenden Felder aus, drücken Sie auf den Knopf "Abschicken" und
schon hat uns Ihre Post erreicht.