Neue Bücher, neue Texte
Jörg Seiler (Hg.): Matthias Laros 1882-1965
Heinz Robert Schlette, Die Verschiedenheit der Wege


Jörg Seiler (Hg.): Matthias Laros 1882-1965

Ein kaum bekanntes Kapitel der Kirchengeschichte beleuchtet ein Buch über den katholischen Theologen und Priester Matthias Laros, geboren in Trier und gestorben in Koblenz, das von Jörg Seiler im Jahre 2009 im Verlag Friedrich Pustet herausgegeben wurde. Das in der Reihe „Quellen und Studien zur neueren Theologiegeschichte, Nr. 8“ erschienene Werk trägt den Untertitel „Kirchenreform aus dem Geiste Newmans“. Dieses Werk umfasst zehn wissenschaftliche Studien, die spezifischen Fragestellungen folgen, z.B. „Der widerspenstige Pfarrer. Matthias Laros in seinen Konflikten mit dem Bistum Trier (1908-1931)“ von Jörg Seiler oder „Kirchliche Bücherzensur und Indexreform. Zur Genese eines theologischen Problems bei Matthias Laros“ von Dominik Burkard.

Dieses Buch vermittelt im Hinblick auf eine Einzelperson einen tiefen Einblick in eine konfliktreiche Phase der katholischen Theologiegeschichte, die vom Pontifikat Pius IX. bis zum II. Vatikanum reicht. Dabei wird deutlich, wie der Kampf der Päpste Pius IX. und Pius X. gegen die Moderne die Kirchengeschichte besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dramatisch prägte und tief, aber kaum vorteilhaft, in die Suche eines Theologen nach der göttlichen Wahrheit eingriff. Erkennbar wird ein gespanntes Verhältnis des Theologen zu einzelnen höheren Funktionsträgern der Institution Kirche, sichbar wird das Verhältnis von (missbrauchter) Macht der Institution und der Ohnmacht des Individuums, Menschliches und Allzumenschliches tritt zutage.

Trotz menschlicher Unzulänglichkeiten nötigt die Person Matthias Laros dem Leser Respekt ab, weil er sich den Widrigkeiten innerhalb und außerhalb der Kirche stellte, nicht auswich, sondern sich mutig gegen die ungerechtfertigten Übergriffe der Mächtigen mit der Kraft seiner Worte zur Wehr setzte, immer wieder aufstand, wenn die Schläge niederschmetternd ausfielen. Die große Zahl seiner wissenschaftlichen Vorträge in Instituten der katholischen Kirche Deutschlands, die sich auf profunde Kenntnisse der Schriften von Thomas von Aquin, Blaise Pascal und Henry Newman stützten, in ständiger Gefahr missverstanden und denunziert zu werden, weist auf eine starke Persönlichkeit hin, der es darum ging, den Einfluss der Botschaft der Kirche in einer Zeit, in der sich viele Menschen an selbsternannte „Heilspropheten“ verloren, zu stärken. Fest davon überzeugt, dass die Kirche die bessere Heilsbotschaft vermitteln könne, sah er sich zeitweise einer starken undifferenzierten Gegnerschaft seiner eigenen Kirche ausgesetzt, die in einer Zeit, die durch Entrechtung des Individuums, Krieg, politische Morden und dem Massenmord an den Juden gekennzeichnet war, seine Texte beargwöhnte und auf die Liste der verbotenen Bücher setzte. Diesbezüglich ist besonders auf seine Schrift „Das christliche Gewissen in der Entscheidung“ aus dem Jahre 1940 zu verweisen, die bereits am 18. Mai 1941 in einem Artikel des Osservatore Romano über verurteilte Bücher als „modernistisch“ bezeichnet wurde. Denunziert worden war diese Schrift von einem Priester der Diözese Köln. Als Besonderheit der Biographie von Matthias Laros ist der Umstand zu werten, dass das Trierer Generalvikariat gemeinsam mit nationalsozialistischen Polizeiorganen versuchte, den unbequemen Priester in die Knie zu zwingen.

Die Abschaffung des kirchlichen Index unter dem Papst Paul VI. stellt eine späte Genugtuung seiner theologischen Anstöße zu dieser Problematik dar. Immer wieder hatte er auf den Missbrauch dieser kirchlichen Einrichtung durch kirchliche Behörden hingewiesen und die Einhaltung der von der Kirche selbst gesetzten Kriterien eingefordert.

Der theologische Kampf von Matthias Laros ist ein beredtes Zeugnis für den Leidensweg eines wachen Priesters, der kein Befehlsempfänger kirchlicher Anweisungen sein wollte, sondern selbstdenkend und verantwortlich, seinem Gewissen folgend, die Botschaft des Glaubens verbreitete. Von der kirchlichen Hierarchie erwartete er lediglich die Einhaltung fairer Regeln in den anstehenden Verfahren zur Klärung theologisch strittiger Positionen.

Dieses Buch macht auf erschreckende Weise deutlich, wie der Antimodernisteneid von Pius X. ein innerkirchliches Klima von gegenseitiger Verdächtigung und Misstrauen über viele Jahrzehnte prägte, den theologischen Fortschritt behinderte und möglicherweise den in der Nazizeit notwendigen aber gefährlichen Bekennermut der Institution Kirche, einschließlich der Bischöfe, nicht unwesentlich blockierte.

Der Priester Matthias Laros jedenfalls war bereit für die christliche Sache zu sterben.

Nahezu alle Beiträge zeichnen sich aus durch fleißiges Zitieren aus den Briefen und gedruckten Werken von Matthias Laros, aus seinem Schriftverkehr mit kirchlichen Institutionen und aus theologischen Werken anderer Autoren. Dies ermöglicht es dem Leser, unabhängig vom Standpunkt des jeweiligen Verfassers, sich selbst ein Bild von der Problematik zu machen. Positiv zu erwähnen sind ebenfalls die intensiver Recherche zu verdankenden biographischen Eckdaten der thematisierten Personen, die in Anmerkungen untergebracht sind.

Jörg Seiler (Hg.): Matthias Laros 1882-1965. Kirchenreform aus dem Geiste Newmans
in: Quellen und Studien zur neueren Theologiegeschichte, Nr. 8, Regensburg 2009, Verlag Friedrich Pustet ISBN 978-3-7917-2210-8

Willi Körtels

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Heinz Robert Schlette, Die Verschiedenheit der Wege.
Schriften zur „Theologie der Religionen“ (1959 – 2006). Mit einem Nachwort von H. Waldenfels (= Begegnung Bd. 18), Bonn (Verlag N.M. Borengässer) 2009, geb. 27 €


„Seit etwa zwei Jahrzehnten hat sich in der evangelischen wie in der katholischen Theologie die Diskussion über die Bewertung der nichtchristlichen Religionen erheblich verschärft“, schrieb der Verfasser des hier anzuzeigenden Sammelbandes 2001 in dieser Zeitschrift (vgl. imprimatur 34, 2001, S. 104 – 110 und 165 – 168; dieser Artikel „Simone Weil: Religionsgeschichte und „Theologie“ der Religionen“ ist im Sammelband als Nr. XIII wieder abgedruckt). Weil diese Diskussion ein weiteres knappes Jahrzehnt später wieder abgeklungen zu sein scheint, obwohl das christliche Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen nach wie vor virulent ist, ja sogar noch mehr als früher problematisch erscheint – einige von Papst Benedikt XVI. in den letzten Jahren produzierte „Ereignisse“ in Regensburg und anderswo zeigen dies deutlich an -, ist die Wiederveröffentlichung von Texten aus der Feder des Bonner Philosophieprofessors, der zugleich ‚gelernter’ Theologe ist, aus dem letzten halben Jahrhundert als solche schon verdienstvoll. In ihnen spiegeln sich die außergewöhnlichen Entwicklungen in Kirche, Theologie und „Welt der Religionen“ im Verlauf der letzten 50 Jahre. Ausgangspunkt ist dabei die Konzilserklärung Nostra aetate von 1965 – und, was die persönlichen Überlegungen des für diese Thematik bestens ausgewiesenen Verfassers betrifft, seine Arbeit von 1963 „Die Religionen als Thema der Theologie“, die in den 1960/70er Jahren in die wichtigsten europäischen Sprachen übersetzt wurde.

Der erste abgedruckte Text aus dem Jahr 1959 „Dogmatische Perspektiven....“ stellt eine Vorarbeit zu dieser bedeutsamen Monographie dar; er zeigt nebenbei, dass Schlette zu den wenigen gehört, die sich sehr früh – 6 Jahre vor der entsprechenden Konzilserklärung ! – mit diesem zukunftsträchtigen Thema beschäftigten, und macht auch gleich seine besondere Perspektive deutlich: Es geht nicht um religionsvergleichende Fragen, sondern, streng religionstheologisch, um die christliche Interpretation der nichtchristlichen Religionen als solcher, nicht um die subjektiven Heilsmöglichkeiten für Angehörige nichtchristlicher Religionen, die seit dem 2. Vatikanum sowieso nicht mehr in Frage stehen (sollten).

Liest man die insgesamt 14 chronologisch geordneten Texte – sowie zwei Anhänge: einen Nachruf auf den 1962 verstorbenen ,Lehrer’ Thomas Ohm, der den Anstoß für die Beschäftigung mit den nichtchristlichen Religionen gab, sowie Überlegungen zum „inzwischen inflationär gewordenen Thema“ Dialog der Religionen, das mit der Theologie der Religionen eng zusammenhängt, aber damit nicht identisch ist – wird, wie gesagt, die seitherige Entwicklung deutlich; spannend ist auch die Entwicklung der persönlichen theologischen Überlegungen Schlettes, auch wenn er selbst sie bescheiden nur als „kleinen Beitrag zu der eines Tages zu schreibenden Geschichte der ,Theologie der Religionen’“ (VIII) versteht. Die Zeitgebundenheit seiner jeweiligen Überlegungen ist dem Autor sehr wohl bewusst. Vor nicht allzu langer Zeit entsprachen Ausdrücke wie etwa „Neger“ und „neues Israel“ (für die Kirche) durchaus noch politischer und theologischer correctness. Allein in der Sprache hat sich da inzwischen manches geändert.

Zwei Punkte in den gesammelten Texten erscheinen dem Rezensenten von besonderem Interesse. Erstens die Stellungnahme zur so genannten Pluralistischen Religionstheologie, gegen die Karl Rahners bereits 1961 entwickelter „Inklusivismus“ - der natürlich weiter ausgearbeitet werden müsste - stark gemacht wird. Sodann das Problemgefälle einer erneuerten Theologie der Religionen weg von der Rede von nichtchristlichen Religionen im allgemeinen hin zu Betrachtung konkreter Religionen, die je für sich nach ihrer Gottes-, Schöpfungs-, Heilsvorstellung usw. christlich-theologisch zu bewerten sind. Das kann nur mit Hilfe der Religionswissenschaft(en) geschehen und wird Rückwirkung auf die christliche Theologie selber haben. „Von hier aus (gerät) die christliche Spiritualität in eine Situation, in der ihr eine größere Zurückhaltung, ja eine ... prinzipiell-theologische Bescheidenheit abverlangt wird, die sich aus dem Glauben an eine besondere Offenbarung ergibt und durchaus etwas mit Weisheit zu tun hat“ (166).

Die Texte aus fünf Jahrzehnten zeichnen sich durchweg dadurch aus, dass sie die vielen ineinander greifenden Probleme einer selbstkritisch reflektierten Theologie der Religionen zwar ansprechen, aber zugunsten klarer Gedankengänge zurückstellen, auf entsprechende weiterführende Literatur verweisen bzw., wie im Fall des „Dialogs der Religionen“, in den Anhang auslagern. Das macht die Lektüre angenehm, ja spannend.

Dem dient auch eine ausgesprochen ,schöne’, vom Verleger Norbert M. Borengässer sehr sorgfältig betreute und von der Stiftung „Promotio Humana“ offenbar finanziell unterstützte Gestaltung dieser Textsammlung, die als Band 18 der von dem emeritierten Bonner Fundamentaltheologen Hans Waldenfels herausgegebenen Reihe „Begegnung“ erscheint. In seinem Nachwort, das Thema und Autor knapp und kompetent einführt, drückt er die Hoffnung aus, dass mit dieser Publikation sein (d.h. Schlettes) letztes Wort zur Sache noch nicht gesprochen ist – und teilt zugleich mit, dass er die Herausgeberschaft dieser Reihe nach 20 Jahren in andere Hände legt. Hier ist nochmals ein, schon rein äußerlich betrachtet, schönes, ja edles, in bordeauxfarbenes Leinen gebundenes theologisches Buch gelungen, wie man es heutzutage kaum noch findet. Ein im guten Sinne konservativer Satzspiegel mit gut lesbarer Schrifttype – statt, wie neuerdings immer häufiger anzutreffen, in einer nur mit Lupe lesbaren Schriftgröße und dafür überbreiten leeren Rändern – Fußnoten dort, wo sie dem Namen nach hingehören, keine gravierenden Druckfehler (lediglich ein Kommafehler [S. 175 Z.12] und ein fehlendes Relativpronomen [S. 166 Z.9] konnten entdeckt werden)... Kurzum: ‚Form’ und ‚Materie’ – um alte philosophische Begriffe zu bemühen – stimmen!

Werner Müller

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© imprimatur April 2010

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