Die Glosse

Lieber hochwürdigster Pater Gescheitle,

Sie haben mir immer gesagt, wie wunderbar der Zölibat wär, und wie der sich beim Jüngsten Gericht lohnen tät. Wenn alle vor dem ewigen Richter zittern würden, könnten Sie als Priester sich wegen dem Zölibat auf die hundertfältige Vergeltung mit himmlischem Lohn freuen. Mal abgesehen davon, meine ich, der Zölibat hat auch schon hier auf Erden seine Vorteile, nämlich, man braucht nachts nicht raus, wenn der Kleine Durchfall hat und kotzt, ebenso bleiben einem der Zoff mit der Tochter, die ihre Ausgehzeiten überzieht, erspart. Aber trotzdem gibt’s Pastöre, die diese Erleichterung nicht zu würdigen wissen. Die hängen sich lieber an den fraulichen Schürzenbändel als wie an die Zölibatsverheißungen. Ich meine ja, wer richtig kalkuliert, also das bisschen Sex gegen die ewigen Freuden aufrechnet, der muss doch blöd sein, wenn er dann nicht den Sex zum Pfeffer wünscht. Wie ich aus gegebenem Anlass die Lehre der heiligen katholischen Kirche dem Sozi-Sepp auseinandergeschraubt hab, sagt dieser Sozi doch zu mir: Und wenn aber jetzt herauskäm, dass das Geschäft mit dem Zölibat ein Kuhhandel wär wie der von der Bayerischen Landesbank mit der Hypo Alpe Adria-, also, wenn der Zölibat, so überbewertetet wär wie die Haider-Bank. Karamba, dann tät der Priester bei der Endabrechnung gerad so blöd aus der Wäsche gucken wie jetzt der Stoiber, Huber und Konsorten, wo die noch einen einzigen € von den drei Milliarden €, die man für die Österreicher berappen gemusst hat, zurückbekommt.

Lieber Pater Gescheitle, ich stehe ja auf Ihrer Seite, aber meinen Sie nicht auch, dass die Begründung vom Zölibat sogar den frommen Katholiken nicht mehr einleuchtet, - vielleicht noch einer Handvoll ganz Frommer - ? Der Sozi-Sepp hat mir die Süddeutsche vom 22. Dezember 2009 mit dem Bericht über die Vertreibung des Pfarrers Michael Sell aus Hammelburg vor die Nase gehalten und hinterhältig sozialdemokratisch gelächelt. Was muss ich lesen? Der Pfarrer dort lebt mit seiner Freundin wie Mann und Frau zusammen und kein Mensch nimmt Anstoß daran, der Sell wird eher noch beliebter, weil er damit wie sie selber lebt. Jetzt kriegt die Frau ein Kind, und weil der Pfarrer nicht will, dass der Kleine zu ihm Onkel sagt, bekennt er sich als Vater und die Gemeinde findet das prima. Aber der Bischof von Würzburg feuert den Michael Sell noch am selben Tag aus seinem Priesteramt und aus seiner Gemeinde. Hammelburg steht Kopf: Kirchenaustritte, Mahnwachen und die Messdienerinnen mitsamt den Messdienern stehen rum und weinen. Und dann die Hinterfotzigkeit vom Oberhirten! Der Bischof hätt, so heißt`s in der Zeitung, den Gefeuerten zur Seite genommen und ihm insgeheim zugeflüstert: „Ja, wenn Sie früher gekommen wären!“ Also, hochwürdigster Pater, weiß der Bischof einen Ausweg. Nur machen Sie mir mal verständlich, was der Bischof für eine Lösung in der Hinterhand gehabt hat. Denn von unsereinem, der im Pfarrgemeinderat ist, verlangen die Leute eine Erklärung über dem Bischof sein Manöver, vor allem, weil der Bischof so unfair ist, sich dem kirchenfrommen Vater beim Suchen nach einem neuen Beruf in den Weg zu stellen. Sonstwo kann ein geschasster Priester Religionslehrer werden, hier wird ihm das kirchenamtlich verwehrt, soll dieser Fahnenflüchtige doch gucken, wo er sich rumtreibt, und wie er seine verbotene Familie ernährt. Also, wenn ich in dem Bischof seinen Schuhen stehen tät, - die Käßmann mit ihren drei Töchtern ist ja als Mutter ungefähr in meiner Situation als Vater -, würde mein Sohn mir den Ellenbogen in die Seite stoßen, und fragen, bist Du noch ganz bei Trost, etwas Unmoralischeres wie Dein Vorgehen gegen dem Sell seine junge Familie, gibt’s kaum. Mir scheint, das ist eine peinliche Auswirkung des Zölibats, dass ein Bischof keine unbestechlichen Kritiker hat, die wo ihn bei sowas nachdenklich machen, wie unsereinen der Sohn.

Der Sozi hat mich mit seinem Nachbohren in eine blamable Verlegenheit getrieben. Und dummerweise hab ich dann in meiner Not zu der Erklärung von unserem Pfarrer gegriffen und als Auffassung unserer christkatholischen Kirche vertreten: der Sell mit einer Frau samt einem Kind im Pfarrhaus, wären ein Ärgernis für die Gemeinde, vor dem man diese schützen müsst. Der Sozi ist drauf aus der Haut gefahren, ja, aus der Hos gesprungen, hat zwei Bier und einen Doppelten hinuntergestürzt und der Kirche Verdrehung der Tatsachen, Verlogenheit, Unmenschlichkeit, Sauerei, vorgeworfen. Ich will Ihnen das Gröbste vom Sepp ersparen, nur das will ich Ihnen noch mitteilen, was er nach dem Wutausbruch weiter aus der Zeitung mir beibringen gewollt hat: „Joseph, hat er gesagt, dann erklär mir, warum die komplette Gemeinde auf dem Sell seiner Seite steht, viele sogar unter Protest aus der Kirche ausgetreten sind, und das stolz in aller Öffentlichkeit bekennen. Sie bekämen Gratulationen zu ihrem Austritt! Der Sepp war dann wieder ruhig, ganz mit sich zufrieden. Der hat gesehen, dass er mir den K. o. versetzt hatte.

Ich bin am Boden. So, und jetzt helfen Sie mir aus meinem Schlamassel heraus! Darum bittet Sie, Hochwürden,

Ihr Sie als klugen Priester verehrender
Joseph Bier

P.S.: Besorgen Sie mir zugleich noch die Argumente, mit denen ich die Angriffe vom Sozi-Sepp wegen der Jugendschänderpriester in den USA und Irland entkräften kann. Der Sepp versteigt sich nämlich zu der Unterstellung, dabei spiele auch der Zölibat mit.


© imprimatur April 2010
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