Bascha Mika
Die Verdammten

Der Aberglaube ist eine schöne Einrichtung. Egal, wie die Dinge so stehen, irgendetwas findet sich immer, das ihn bestätigt. Vor allem wenn ihm der Beigeschmack der Katastrophe anhaftet. Im Sprichwort heißt es dann: "Ein Unglück tritt dem anderen auf die Fersen."

Davon können die christlichen Kirchen derzeit Choräle singen. Sie sind - zumindest aus ihrer Sicht - vom Unglück verfolgt. Die Katholiken müssen sich seit Wochen mit Pädophilie und Zweifeln am Zölibat herumschlagen. Und während der Missbrauchs-Skandal die katholischen Bischöfe auf Trab hält, hechten die Protestanten ungewollt hinterher. Deren konservative Kreise waren im vergangenen Jahr ganz schön angefressen, dass eine etwas vorlaute und dazu noch geschiedene Bischöfin die erste weibliche Ratsvorsitzende der EKD wurde. Nun ist diese Frau Auto gefahren. Bedauerlicherweise mit jeder Menge Alkohol im Blut.

Wie das so ihre protestantische Art ist, hat Margot Käßmann aus ihrem Fehltritt einen Bußgang gemacht und harte Konsequenzen gezogen. Zu harte, finden ihre Anhänger. Zudem hat die evangelische Kirche jetzt ein massives Nachfolgeproblem. Doch in der Öffentlichkeit kommt Käßmanns Schritt ziemlich gut an. Endlich mal jemand im Topjob, der Glaubwürdigkeit über Karriere stellt. Noch im Rücktritt zeigt die ehemalige Bischöfin, dass sie verstanden hat, was die Volksseele braucht.

Ganz anders beim katholischen Klerus. Der scheint wohl gar nichts begriffen zu haben. Nicht einmal der aktuelle Skandal ist ihm Anlass genug, über seine Sexualmoral nachzudenken. Dabei wird einmal mehr deutlich: Die katholische Kirche hat eine eklatante Konstruktionsschwäche. Man könnte auch sagen, da tickt unablässig eine hübsche kleine Bombe im System. Auf den ersten Blick geht es um die Doktrin sexueller Enthaltsamkeit, um pädophile Priester, um verborgenes schwules Leben. Um Verklemmung, Vertuschung und Sanktionen nach Gutsherrenart. Doch unter dem Ganzen brodelt ein anderer, der wahre Konflikt: sein Name ist Weib.

In der Öffentlichkeit kreist die Diskussion immer wieder um die Frage, ob und was Missbrauch und Zölibat miteinander zu tun haben. Doch diese Debatte greift viel zu kurz. Hier geht es nicht nur um Sexualmoral, hier geht es um etwas viel umfassenderes - um die Geschlechterfrage.

Denn warum gibt es den Zölibat? Warum keine katholischen Priesterinnen? Warum pflegt die Institution eine jahrhundertealte verquere Moral? Und zieht dadurch Männer mit einem verkorksten Verhältnis zur eigenen Sexualität geradezu an? Das alles hat mit einem bis heute nicht überwundenen Hass auf das Weibliche zu tun. Die katholische Kirche wurzelt in einer tiefen Frauenverachtung. In der alten Kirche vom übellaunigen Frauenfeind Paulus geprägt hält sie eine männerbündlerische Tradition aufrecht, die wegen ihrer Diskriminierungspraxis vor den Europäischen Gerichtshof gehörte.

Es ist doch wohl ein Witz, dass Frauen es in den Fußball geschafft haben, aber nicht ins Priesteramt. Dass Frauen die Kirchen putzen dürfen, aber keinen Zugang zum Altar haben. Dass der Papst zwar gern den Weltbürger gibt, sich aber in Frauenfragen kaum von einem Ayatollah unterscheidet.

Die katholische Kirche hat sich in Sachen Frauen selbst verdammt - entweder schafft sie einen Befreiungsschlag oder sie wird selbst geschlagen. Vielleicht sollten sich all die, die eine andere Kirche wollen, ein Beispiel am Passauer Klerus nehmen. Als der dortige Bischof im 11. Jahrhundert den Zölibat durchsetzen wollte, wurde er beinahe gelyncht, doch dann netterweise nur aus der Stadt vertrieben. Und das von den eigenen Priestern.

Bascha Mika ist Publizistin und Honorarprofessorin an der Universität der Künste, Berlin.


© imprimatur Juni 2010
Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Sagen Sie uns Ihre Meinung zu diesem Artikel!
Bitte füllen Sie die folgenden Felder aus, drücken Sie auf den Knopf "Abschicken" und schon hat uns Ihre Post erreicht.

Zuerst Ihre Adresse (wir nehmen keine anonyme Post an!!):
Name:

Straße:

PLZ/Ort:

E-Mail-Adresse:

So und jetzt können Sie endlich Ihre Meinung loswerden: