Franz Nikolasch
Auch das noch: Unerlaubt oder Ungültig?
Überlegungen zu einer liturgierechtlichen Beurteilung der Bischofsweihen durch EB Lefebvre

In den gängigen Diskussionen um die durch EB Lefebvre erfolgten Bischofsweihen heißt es immer, dass sie aufgrund der fehlenden Zustimmung des Papstes unerlaubt gewesen seien, ihre Gültigkeit wird aber in der Regel vorausgesetzt, nicht zuletzt in den Aussagen des gegenwärtigen Papstes wie auch seines Vorgängers. Auch P. Hünermann geht in seinem Beitrag „Excommunicatio – Communicatio“ davon aus, dass die vier von EB Lefebvre am 30. Juni 1988 geweihten Bischöfe „zwar gültig, aber illegitim“ geweiht wurden. Dieselbe Auffassung vertreten alle Publikationen, die sich im Anschluss an die Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe mit diesem Thema befassten.

Sieht man sich die für Bischofsweihen geltenden liturgierechtlichen Bestimmungen näher an, so ist die Annahme der Gültigkeit der durch EB Lefebvre erfolgten Bischofsweihen mehr als zweifelhaft, genauer gesagt, sie sind aufgrund dieser Bestimmungen nicht nur unerlaubt, sondern ungültig.

Im Folgenden soll dafür der Beweis angetreten werden. Die Neuordnung der Ordinationsliturgie wurde durch die Apostolische Konstitution „Pontificalis Romani recognitio“ Papst Paul VI. vom 18. Juni 1968 in Kraft gesetzt. In diesem Dokument hält der Papst fest:

„Um jede Kontroverse zu vermeiden und jeder Gewissensbeunruhigung vorzubeugen, erachten Wir es für notwendig zu erklären, was in der erneuerten Liturgie als wesentlich anzusehen ist. Hinsichtlich der Materie und Form der Weiheliturgie erklären und bestimmen Wir kraft Unserer Apostolischen Autorität folgendes:

Bei der Diakonenweihe ist die Materie die Handauflegung des Bischofs, die schweigend den einzelnen Weihekandidaten vor dem Weihegebet erteilt wird. Die Form besteht in den Worten des Weihegebetes, von denen die folgenden wesentlich und daher zur Gültigkeit unabdingbar sind: „Sende auf sie herab, o Herr, den Heiligen Geist. Seine siebenfältige Gnade möge sie stärken, ihren Dienst getreu zu erfüllen.“

Bei der Priesterweihe ist die Materie ebenfalls die Handauflegung des Bischofs, die schweigend den einzelnen Weihekandidaten vor dem Weihegebet erteilt wird. Die Form besteht in den Worten des Weihegebetes, von denen die folgenden wesentlich und daher zur Gültigkeit unabdingbar sind: „Allmächtiger Vater, wir bitten dich, gib diesen deinen Dienern die Würde des Priestertums. Erneuere in ihnen den Geist der Heiligkeit. Das Amt, das sie aus deiner Hand, o Gott, empfangen, die Teilhabe am Priesterdienst, sei ihr Anteil für immer. So sei ihr Leben für alle Vorbild und Richtschnur.“

Bei der Bischofsweihe ist die Materie die Handauflegung, die durch die weihenden Bischöfe - oder wenigstens durch den Hauptzelebranten - schweigend dem Erwählten vor dem Weihegebet erteilt wird. Die Form besteht in den Worten des Weihegebetes, von denen die folgenden wesentlich und daher zur Gültigkeit unabdingbar sind: „Gieße jetzt aus über deinen Diener, den du erwählt hast, die Kraft, die von dir ausgeht, den Geist der Leitung. Ihn hast du deinem geliebten Sohn Jesus Christus gegeben und er hat ihn den Aposteln verliehen. Sie haben die Kirche an den einzelnen Orten gegründet als dein Heiligtum, zur Ehre und zum unaufhörlichen Lob deines Namens.“

Kraft Unserer Apostolischen Autorität approbieren Wir diese liturgische Ordnung für die Feier der Diakonen-, Priester- und Bischofsweihe, die vom „Consilium“ erneuert wurde, wozu „aus den verschiedenen Gebieten des Erdkreises Fachleute herangezogen und Bischöfe befragt“ wurden, Von nun an soll sie anstelle der bisher im Pontificale Romanum enthaltenen liturgischen Ordnung bei der Feier dieser Weihen verwendet werden.

Diese unsere Bestimmungen und Vorschriften sollen nach Unserem Willen jetzt und in Zukunft gültig und wirksam sein, ungeachtet aller etwa entgegenstehenden Apostolischen Konstitutionen und Anordnungen Unserer Vorgänger und auch aller übrigen Vorschriften, einschließlich derer, die besonders zu erwähnen und eigens abzuschaffen wären.“

Aus diesem Text geht eindeutig hervor, dass die Gültigkeit der Ordinationen an die Einhaltung der Bestimmungen dieser Apostolischen Konstitution gebunden ist und dass alle vorausgegangenen entgegenstehenden Bestimmungen, auch von Apostolischen Konstitutionen dadurch aufgehoben werden. Konkret sind damit die Bestimmungen der Apostolischen Konstitution „Sacramentum Ordinis“ Papst Pius XII. vom 30. November 1947 gemeint, durch die Regelungen hinsichtlich der Materie und Form der Ordinationen erfolgten. Auch in dieser Apostolischen Konstitution war genau festgelegt worden, welche Worte bei den Ordinationen wesentlich und daher für die Gültigkeit erforderlich sind. Was die Diakonen- und Presbyterordination betrifft, so sind durch die Neuordnung der Ordinationsliturgie keine Veränderungen, von stilistischen Details abgesehen, vorgenommen worden, wohl aber bei der Bischofsordination, deren wesentliche und daher für die Gültigkeit erforderlichen Worte vor der Neuordnung durch die Apostolische Konstitution Papst Paul VI. völlig anders lauteten und auch einen anderen Inhalt hatten („Comple in sacerdote tuo ministerii summam, et ornamentis totius glorificationis instructum caelestis unguenti rore sanctifica“).

Mit voller Absicht erfolgte die Inkraftsetzung der erneuerten Ordinationsliturgie durch eine Apostolische Konstitution, da dieser unter allen kirchlichen rechtssetzenden Dokumenten die höchste Autorität zukommt. Apostolische Konstitutionen sind gewissermaßen mit verfassungsmäßigen Bestimmungen zu vergleichen, die auch nur durch gleichwertige rechtsetzende Dokumente außer Kraft gesetzt werden können. Im vorliegenden Fall wurden die Bestimmungen der Apostolischen Konstitution „Sacramentum Ordinis“ Pius XII. durch die Bestimmungen der Apostolischen Konstitution „Pontificalis Romani recognitio“ Pauls VI. definitiv außer Kraft gesetzt. Es ist mir nicht bekannt, ob nach dem Erscheinen der Apostolischen Konstitution „Pontificalis Romani recognitio“ Pauls VI. vom 18. Juni 1968 ein rechtswirksames Dokument, - es müsste eine Apostolische Konstitution gewesen sein -, in irgendeiner Form eine Berichtigung, Ergänzung oder Aufhebung von Bestimmungen der erwähnten Apostolischen Konstitution Pauls VI. vorgenommen hätte, deren Bestimmungen über Materie und Form für die Gültigkeit der Ordinationen zum Diakon, Presbyter oder Bischof als wesentlich zu erachten sind.

Was die Regelungen hinsichtlich der wieder mit Rom vereinten „Petrusbruderschaft“ betrifft, so sieht das Motu proprio Johannes Paul II. vom 2.7.1988 für den liturgischen Bereich in Punkt 6 a) vor, dass eine Kommission eingesetzt wird, die die Aufgabe hat, mit denen „die mit der von EB Lefebvre gegründeten Bruderschaft verbunden waren und mit dem Nachfolger Petri in der katholischen Kirche eins zu bleiben wünschen, unter Wahrung ihrer geistlichen und liturgischen Traditionen, gemäß dem Protokoll, das am vergangenen 5. Mai von Kardinal Ratzinger und Erzbischof Lefebvre unterzeichnet wurde… die volle kirchliche Gemeinschaft herzustellen.“ (DEL III. S. 648f, Nr. 6252). Am 18.10.1988 erteilte Johannes Paul II. dem Präsidenten dieser Kommission u. a. folgende Vollmacht: „Allen Gesuchstellern den Gebrauch des Missale Romanum in der Edition typica von 1962 zu erlauben, und zwar gemäß den Normen, die bereits im Dezember 1986 von der für diese Angelegenheiten eingerichteten Kardinalskommission erlassen wurden und nach vorheriger Information des Diözesanbischofs.“ (DEL III. S. 649 Anm. a).

Weder im Motu proprio, das nur ganz allgemein von einem Wunsch der “Wahrung der geistlichen und liturgischen Traditionen” der Petrusbruderschaft gemäß dem Protokoll vom 5. Mai spricht, das allerdings von EB Lefebvre am darauffolgenden Tag widerrufen wurde und anscheinend keine offizielle Veröffentlichung erfahren hat, noch im Schreiben vom 18.10.1988 ist die Rede von einem Eingriff in die Rechtsverbindlichkeit irgendeiner der vorausgegangenen Apostolischen Konstitutionen Pauls VI. über die Spendung der Sakramente des Ordo, der Firmung, der Krankensalbung oder der Eucharistiefeier bzw. einem Widerruf der darin enthaltenen Regelungen hinsichtlich der Gültigkeit sakramentaler Feiern, sondern nur von einer Wiederzulassung des Messritus in der Ausgabe von 1962, wobei korrekterweise die von der Apostolischen Konstitution „Missale Romanum“ (3.4.1969) verfügte Formulierung der Einsetzungsworte zu verwenden wäre, da auch in der erwähnten „Vollmacht“ vom 18.10.1988 mit keiner Silbe eine Änderung der durch diese Apostolische Konstitution Pauls VI. geschaffenen Rechtslage angedeutet wird.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Rechtsverbindlichkeit der Apostolischen Konstitutionen „Pontificalis Romani recognitio“ (18.6.1968) zur Ordination, „Divinae consortium naturae“ (15.8.1971) zur Firmung und „Sacram Unctionem infirmorum“ (30.11.1972) zur Krankensalbung durch kein päpstliches Rechtsdokument, - konkret müsste es sich um Apostolische Konstitutionen handeln,- ergänzt, verändert, widerrufen oder aufgehoben wurde, sondern dass diese Konstitutionen mit allen rechtlichen Konsequenzen nach wie vor in Gültigkeit sind, d. h. dass deren Rechtsbestimmungen „ungeachtet aller etwa entgegenstehenden Apostolischen Konstitutionen und Anordnungen Unserer Vorgänger und auch aller übrigen Vorschriften, einschließlich derer, die besonders zu erwähnen und eigens abzuschaffen wären, jetzt und in Zukunft gültig und wirksam sein sollen.“

Da EB Lefebvre bei den in Frage stehenden Bischofsweihen sich mit Sicherheit hinsichtlich der „Form“ nicht an die Bestimmungen der Apostolischen Konstitution Pauls VI. gehalten hat, sondern das durch diese außer Kraft gesetzte vorkonziliare Pontificale Romanum verwendet hat, sind die von ihm vorgenommenen Ordinationen entsprechend den Feststellungen der Konstitution Pauls VI. nicht nur unerlaubt, sondern ungültig. Folgerichtig sind auch die Ordinationen zum Diakon und zum Presbyter, die von den durch EB Lefebvre ungültig ordinierten Bischöfe erfolgen, ungültig.

Es entzieht sich meiner Kenntnis, inwieweit die Ordinationen der von Rom akzeptierten „Petrusbruderschaft“ davon betroffen sind. Sollten auch dort die Ordinationen nicht entsprechend den Bestimmungen der Apostolischen Konstitution Papst Pauls VI. erfolgen, sind auch diese als ungültig zu betrachten.

Auch für die Spendung des Sakramentes der Firmung, deren Erneuerung ebenfalls durch eine Apostolische Konstitution in Kraft gesetzt wurde, gelten dieselben Überlegungen, da auch bei diesem Sakrament die „Form“, das heißt die wesentlichen Worte vollkommen verändert wurden. In dieser Apostolischen Konstitution heißt es abschließend: „Unsere Anordnungen und Bestimmungen sollen jetzt und künftig in der Lateinischen Kirche gültig und rechtskräftig sein, unter Aufhebung etwa entgegenstehender Apostolischer Konstitutionen und Verordnungen Unserer Vorgänger sowie aller übrigen Anweisungen, welcher Art sie auch seien.“

Schließlich gilt dies auch für die Feier der Krankensalbung, bei der in der Erneuerung ebenfalls wesentliche Änderungen der „Form“, der für die Gültigkeit notwendigen Worte, vorgenommen wurde. Auch hier hält Papst Paul VI. in der entsprechenden Apostolischen Konstitution abschließend fest: „Wir wollen, dass diese unsere Beschlüsse und Vorschriften im Lateinischen Ritus rechtskräftig und wirksam seien und bleiben. Etwaige entgegenstehende Apostolische Konstitutionen und Anordnungen, die von Unseren Vorgängern erlassen worden sind, und andere Vorschriften, selbst wenn sie eine besondere Erwähnung verdienen, sind hiermit aufgehoben.“

Aus diesen Hinweisen auf die geltende liturgische Rechtslage, die durch Rechtsakte des Papstes Paul VI. in Form von Apostolischen Konstitutionen gekennzeichnet ist, denen gegenüber allen anderen rechtsrelevanten Dokumenten der Vorrang zukommt, ergibt sich, dass die Ordinationen wie auch die Firmungen und Krankensalbungen, die nicht unter Einhaltung der Bestimmungen der entsprechenden Apostolischen Konstitutionen erfolgt sind und erfolgen, liturgierechtlich ungültig sind.

Dr. Franz Nikolasch ist em. Univ. Prof. für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie in Salzburg.


© imprimatur Juni 2010
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