Karl-Heinz Ohlig
Jetzt auch noch Benedikt von Nursia
Es hat ihn nie gegeben, aber es wird schön von ihm erzählt

Benedikt von Nursia (480-547) gilt als Schöpfer der nach ihm benannten Mönchsregel und Gründer der Benediktiner, die für die Kirchengeschichte, aber auch für die Prägung der Kultur und Mentalität Europas von großer Bedeutung sind.

Der Frankfurter Historiker Johannes Fried (warum nicht „unsere“ Kirchengeschichtler?) hat sich die Mühe gemacht, die Quellen zum Leben des „Vaters des Abendlandes“ zu untersuchen. Die Lebensbeschreibung des Benedikt findet sich in den Dialogen Papst Gregors des Großen, die schon vor mehr als zehn Jahren von dem britischen Forscher Francis Clark als Fälschung behauptet wurden. Diese seien wohl erst 604, also nach dem Tod Gregors verfasst worden, so J. Fried in einem Interview in „Die Zeit“ Nr. 16 vom 15. April 2010.

Die darin enthaltene Vita des Benedikts – andere Quellen gibt es nicht – trage legendarische Züge, in ihr sei „so gut wie alles symbolisch stilisiert – bis hin zur Zahl der Wunder, die er vollbracht haben soll.“ Auch seine Schwester Scholastica sei symbolisch zu verstehen: „Scholastica und Benedictus, die Gebildete und der Gesegnete, das ist eine bezeichnende Konstellation. In ihr spiegelt sich ein Konflikt, der damals aktuell war und niemand als den Papst selbst betraf.“

Gregor war gebildet, wurde Mönch und dann, 590, Papst; er war der erste Mönchspapst, was zu seiner Zeit keineswegs unumstritten war, „es ging darum, der Mönchsfraktion die Anwartschaft auf den Papstthron zu sichern.“ So ist Benedikt so etwas wie das „Idealporträt Gregors.“ In diesem Kontext scheint dann auch die seit dem 7. Jahrhundert bezeugte Benediktregel, ein beeindruckender Text, entstanden zu sein.

So ist Benedikt „eine Kunstfigur des Mittelalters“, die aus der fiktionalen in den historischen Bereich transponiert wurde und eine ungeheure Wirkungsgeschichte hatte. Wieder einmal zeigt sich, dass Erzählungen einer Historia sacra anders gelesen werden müssen als wirkliche Geschichtsschreibung oder –überlieferung.

Am Schluss des Interviews heißt es: „Fried: „Den Namen (Benedictus) gibt es auch in anderen Religionen. Im Judentum heißt Benedictus Baruch, im Islam Mohammed. Zeit: Dann könnte sich Papst Benedikt ja Mohammed nennen? Fried: Der Prophet hat auf jeden Fall gelebt.“

Hier irrt J. Fried, weil er sich mit Mohammed nicht so befasst hat wie mit Benedikt. Der Papst muss leider auf beide Gewährsmänner verzichten, wenn er sich auf Figuren der realen Geschichte beziehen will. Aber der Name ist ja auch so schön, und zudem ursprünglich eine Bezeichnung für den, der da kommen soll, und dann für Jesus.


© imprimatur Juni 2010
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