Die Glosse

Rauschheim, am Vatertag 2010

Lieber Joseph,

ich muss unbedingt mit Dir reden, wenn ich mich nämlich mit einem Genossen von der Gewerkschaft zusammensetz, könnts passieren, dass wir am Ende beide aus der Kirch austreten.

So viel vorneweg: Bischöfe stecken in Gewändern, wie früher der Kaiser von China. Das ist ein Aufzug, der wo sie über alle normalen Menschen hinausheben soll. Am tollsten die Bischofsmütze, genannt Mitra. Mich erinnert sie an die Narrenkappen in den Fastnachtshochburgen Mainz und Köln.

Joseph, hast Du gehört, dass der Bischof Schraml von Passau in einem Altöttinger Palais für 500 000 € einen Alterssitz mit 280 Quadratmetern für sich allein, außerdem einen Gästebereich und obendrauf ein Apartment für die Haushälterin restaurieren lässt. Stell Dir vor, wenn er dort aus dem Fenster guckt, sieht er die „Heiligtümer Unserer Lieben Frau“, zu der die Notleidenden aus aller Herren Länder pilgern. Aber, wenn der bischöfliche Bauherr die gebeutelten Pilger sieht, macht das dem nichts aus! Der denkt höchstens, die Pilger sollten sich an ihm ein Beispiel nehmen. Er nämlich pilgere nicht nur einmal nach Altötting, sondern er wär ein so inniger Marienverehrer, dass er sein ganzes Alter nah bei der Mutter Gottes verbringen wollte. Joseph, ich komme mit dem seiner Gesinnung nicht zurecht!

Mir kommt es vor, als wie wenn der Schraml einen so großen Alterssitz braucht, weil der auch in der Rente die Mitra und den Hirtenstab nicht beiseit
legt, also seine Räume in vollem Ornat abschreitet. Wozu sonst braucht der Schraml denn diese weiten Räume? Hinter dem Anspruch auf den riesigen Alterssitz muss ein bombastisches Lebensgefühl stecken, das er sich in seiner Amtszeit erworben hat, und das also nach dem prunkenden Ornat und den fürstlichen Räumen verlangt. Wie weit ist dem seine Gesinnung von der Bergpredigt weg, weiter als wie der Mond von der Erde!

Als Gewerkschafter fragt man sich, wieso ist dieser Mordsaufwand für einen Rentner gerechtfertigt, auch wenn er vorher tausendmal ein bischöflicher Würdenträger gewesen ist. Mich macht die Frage vorwitzig, wie kommt ein Bischof überhaupt an so viel Geld? Klar, der Staat blecht für sein Gehalt, wir bezahlen Kirchensteuer und spenden an die Kirch für manchen guten Zweck. Joseph, ich ging an der Wand hoch, wenn das am Ende unser Geld wär, das wo der Schraml bei seinem Umbau verpulvert. Du als guter Katholik nimmst den Protz auf Deine Kosten vielleicht noch hin. Aber mir als Gewerkschafter geht das Messer im Sack auf, wenn der Schraml meine Kirchensteuer durch den Schornstein jagen tut.

Allerdings gegen dem Mixa seine bischöfliche Selbstbedienungsorgie ist dem Schraml seine Verschwendungssucht ein Waisenknabe, also der Mixa hat sich tatsächlich um den eigenen Geldbeutel zu schonen, aus der Kasse eines Waisenhauses bedient und den Waisenkindern für Wein, Kunst, Bischofsring, weiß der Teufel für was sonst noch, eine Unsumme Geld abgezwackt. Also soweit ist der Schraml nicht gegangen, aber was ist das für eine schwarze Kasse, diese „Sonderkasse des Bischöflichen Stuhls“, aus der sich ein ausrangierter Bischof grade mal 500 000 € für einen Alterswohnsitz unter den Nagel reißen kann. Dabei ist sich der Noch-Bischof nicht einmal schlüssig, ob er da überhaupt einmal reinzieht! Joseph, zu einem Stuhl passt diese Summe nicht, auch nicht zu einem bischöflichen, das muss schon ein gigantischer Thron sein unter dem sich solche Summen hervorziehen lassen!

Und jetzt, Joseph, erinner Dich an das Gejammer der Kirch über den Sparzwang. Und dann rationalisieren die Generalvikariate Leute weg, die wo nicht Priester sind, schwören dabei aber Stein und Bein: „Niemand wird entlassen!“ Joseph, ich hab munkeln gehört, die bieten einer Sekretärin mit halber Stelle einfach eine Arbeit an, 70 km weg von ihrem Wohnsitz. Dann haben sie das Gehalt schon mal gespart. Die Direktorengehälter im Generalvikariat dagegen sind sakrosankt. Gewerkschaftlichen Schutz haben die kirchlichen Laienangestellten ja keinen. Ich will Dir jetzt nicht damit in den Ohren liegen, mit welchen scheinheiligen Begründungen die Kirche die Gewerkschaft aus ihren Mauern draußen hält. Ich weiß von Dir, Du siehst die Notwendigkeit von Gewerkschaften gerade für kirchliche Arbeitskräfte ein. Der Schraml wehrt sich mit Händ und Füß, fast so schlimm wie der Regensburger Bischof Müller gegen jeden Rat von Nichtklerikern, also gegen jede Mitsprache von Laien. Darum will der erst recht keine Gewerkschaften in seiner Diözese dulden, denn die würden handfeste Mitbestimmungsrechte fordern. Meinst Du nicht, der Schraml will die Tradition der Fürstbischöfe, die wo in Saus und Braus gehaust haben, wieder aufgreifen? Die Christgläubigen dürfen ihm dabei hofieren.

Angesichts solcher Zustände sollten wir zwei vielleicht dem Verein von den „Besorgten Christen“, der wo in Passau wegen dem Schraml gegründet worden ist, beitreten. Darüber könnten wir beim Stammtisch am Donnerstag nachdenken.

Bis dahin grüßt Dich Dein empörter Kumpel

Sepp

P.S.: Ich bin gespannt darauf, wann wir vom nächsten Skandalbischof hören. Rom scheint bei der Auswahl der Bischöfe eine Schwäche für solche skandalträchtige Kandidaten zu haben. Wo führt das noch hin? Ich fürchte, mein Fass ist am überlaufen, und ich verweigere diesen Typen die Gefolgschaft und vor allem die Unterstützung mit meinem Geld.


© imprimatur Oktober 2010
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