Pfingstbrief 2010
Hoffen auf ein neues Pfingsten – gerade jetzt!
Notwendige Reformen in der Kirche – gerade jetzt!


In der wohl größten Krise der römisch-katholischen Kirche seit der Reformation wird immer mehr Katholikinnen und Katholiken bewusst, dass die einseitig klerikal-hierarchische Kirchenstruktur ihre Autorität und Legitimation weitgehend eingebüßt hat und nicht länger die Gestalt unserer Kirche bestimmen kann.
Ursache der Krise sind aber nicht nur die jetzt weltweit bekannt werdenden Fälle sexualisierter Gewalt und ihre lange Verschleierung, sondern die seit Jahrzehnten versäumten Reformen sowie die Versäumnisse der Kirchenleitung, die ‚Zeichen der Zeit’ im Geiste des Evangeliums zu deuten. Die gegenwärtige tiefe Krise bietet aber auch die einmalige Chance, den Kern des Christentums, den Kern des Katholischen neu zu entdecken und zu gestalten. Deshalb hoffen wir auf ein neues Pfingsten – gerade jetzt.

1. Sich der Wahrheit stellen – gerade jetzt!

Das Ausmaß sexualisierter Gewalt in unserer Kirche ist erst durch das mutige Aufdecken der Jesuiten am Berliner Canisius-Kolleg Ende Januar 2010, allen voran Rektor P. Klaus Mertes, in Deutschland offenbar geworden. Dieser schmerzlichen Wahrheit müssen wir uns stellen.

Das Leugnen oder reflexartige Verteidigen der Institution Kirche schadet der Glaubwürdigkeit nur noch mehr.

Unsere Hoffnung: Vor 400 Jahren war es auch ein deutscher Jesuit, Friedrich Spee von Langenfeld (1591-1635), der das inquisitorische System von Folter und Hexenverbrennungen in der katholischen Kirche öffentlich anprangerte und damit deren Ende einleitete.

Hören wir auf die Opfer und stellen uns auch bitteren Wahrheiten!

2. Strukturreformen einfordern – gerade jetzt!

Die gegenwärtige Krise und die unzulänglichen Reaktionen der Kirchenleitung zeigen, wie dringlich die vom Zweiten Vatikanischen Konzil angestoßenen Strukturreformen sind, für die sich auch die Reformbewegung Wir sind Kirche seit 15 Jahren einsetzt und die nicht mehr aufgeschoben werden dürfen. Der Austausch einzelner Bischöfe reicht nicht aus.

Unsere Hoffnung: Der offene Brief von Hans Küng an die Bischöfe in aller Welt, in dem die notwendigen Reformen präzise benannt werden, hat in aller Welt Beachtung gefunden. Diese Reformanliegen werden von vielen Theologinnen und Theologen sowie von der großen Mehrheit der Gläubigen unterstützt.

Solidarisieren wir uns mit dem offenen Brief von Hans Küng durch Emails und Briefe an die Bischöfe und Nuntiaturen!

3. Auftreten statt austreten – gerade jetzt!

Es ist nachvollziehbar, dass sich derzeit besonders viele Gläubige mit dem Gedanken tragen, aus der Körperschaft „römisch-katholische Kirche“ auszutreten. Dies ist ein Signal, das die deutschen Bischöfe und auch der Vatikan sehr ernst nehmen sollten. Andererseits schwächt jeder Austritt die Reformkräfte innerhalb der Kirche.

Unsere Hoffnung: Die Kirchenleitung alleine wird das Vertrauen nicht zurückgewinnen können. Doch alle Gläubigen haben „das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und sie ... den übrigen Gläubigen kundzutun“ (CIC, can. 212 § 3).

Machen wir viel mehr als bisher von diesem Kirchenrecht Gebrauch!

4. Glauben braucht Gemeinschaft – gerade jetzt!

Die jetzige Krise ist vor allem eine Krise der Kirchenstruktur und Kirchenleitung. Immer weniger Menschen suchen Antworten auf ihre Lebensfragen in der verfassten Kirche. Doch Glaube braucht Gemeinschaft und auch organisatorische Strukturen.

Unsere Hoffnung: Verlassen wir uns nicht nur auf die Bischöfe! Es gibt viele Klöster, Orden, Basisgemeinden und andere Gemeinschaften, die den suchenden Menschen Heimat und Orientierung geben.

Suchen und stärken wir die Vernetzung des Volkes Gottes, wo immer es möglich ist!

5. Die christliche Botschaft leben – gerade jetzt!

Das Festhalten der römisch-katholischen Kirche an überholten Strukturen – hierarchische Gliederung, Pflichtzölibat für Priester, Ausschluss der Frauen vom Amt usw. – lässt die eigentliche christliche Botschaft der Versöhnung und Erlösung wie auch die Verantwortung der Kirche für die gesamte Menschheit allzu oft in den Hintergrund treten.

Unsere Hoffnung: Die Vaterunser-Bitte »Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden« beinhaltet Vision und konkrete Verantwortung zugleich.

Nehmen wir zum 50-jährigen Jubiläum des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) die Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“ von Neuem besonders in den Blick!

„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“ (GS1)

6. Ökumene praktizieren – gerade jetzt!

In der Ökumene ist schon mehr erreicht, als viele zu hoffen gewagt haben. Aber 500 Jahre nach der von diesem Land ausgegangenen Reformation haben die Kirchen in Deutschland weiterhin eine besondere Aufgabe und Verpflichtung. Die Ökumene muss intensiviert werden. Dem Zweiten Ökumenischen Kirchentag müssen viele weitere folgen.

Unsere Hoffnung: Das theologisch fundierte Drängen für das notwendige weitere ökumenische Zusammenwachsen wird bei der großen Mehrheit der Gläubigen immer deutlicher spürbar. Die Abendmahlsfrage kann und darf nicht mehr kirchentrennend sein.

Praktizieren wir die pastoral und theologisch begründete Gastfreundschaft bei Eucharistie und Abendmahl!

7. Für die Erneuerung beten – gerade jetzt!

An vielen Orten wird für die notwendigen Reformen in der römisch-katholischen Kirche gebetet. Seit Oktober 2009 findet, ausgehend von der Hammelburger Gruppe „Kirche in Bewegung“, an immer mehr Orten das „Donnerstagsgebet“ jeweils um 18 Uhr statt, um die Verbundenheit deutlich zu machen (www.KircheInBewegung.net).
Unsere Hoffnung: Gebete sind Kraftquelle und Zeichen von Hoffnung zugleich.

Sammeln wir die Reformkräfte in unseren (Kirchen-)Gemeinden und initiieren wir wöchentliche oder monatliche „Donnerstagsgebete“!

Wir stehen erst am Anfang eines langen, schmerzhaften, aber notwendigen Transformationsprozesses unserer Kirche. „Wir stecken immer noch in den Kinderschuhen des Christentums, und die ganze Kirchengeschichte ist ein einziger Beweis.“ (Eugen Biser).

Deshalb hoffen wir auf ein neues Pfingsten und erheben unsere Stimme für die dringend notwendigen Reformen in der Kirche – gerade jetzt!

Wir sind Kirche Bundesteam, Mai 2010

KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche ? Postfach 65 01 15 ? D-81215 München ? www.wir-sind-kirche.de ? E-Mail: info@wir-sind-kirche.de


© imprimatur Oktober 2010
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