Alois Glück im Interview mit Lothar Schröder
Der Weg der Kirche in die Zukunft

Bald wird sich die Bischofskonferenz mit Vertretern des ZdKs zu einer Arbeitstagung treffen. Das Thema: "Der Weg der Kirche in die Zukunft". Ist die Meinung der Laien wieder gefragt?

Glück Die Gemeinsame Konferenz ist ein Ergebnis der Würzburger Synode, Ausdruck des Willens zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit. Diese gemeinsame Arbeitstagung ist schon ein wichtiges Zeichen der Neubelebung dieser Zusammenarbeit. Natürlich ist das ein Zugehen auf die Laien und ein Signal, dass wir die Herausforderungen der jüngsten Monate gemeinsam tragen und anpacken wollen.

Zwischen manchen Bischöfen und dem Zentralkomitee gab und gibt es immer wieder Störungen. Als Sie zum ZdK-Präsidenten gewählt wurden, ließen Sie Ihre Ämter bei der Schwangerenkonfliktberatung von Donum Vitae ruhen, um weiterhin Gesprächspartner aller Bischöfe sein zu können.

Glück Ich habe das Amt des Präsidenten nie angestrebt. Aber ich kenne natürlich die innerkirchliche Situation und nehme sie mit Realismus zur Kenntnis – ohne mich persönlich besonders betroffen zu fühlen. Wir haben in der katholischen Kirche Spannungen; und die hat es immer gegeben. Wir müssen aber wieder ein Klima des Gesprächs zurückgewinnen, wie es nach dem Konzil und bei der Würzburger Synode herrschte. Das wird ausschlaggebend für die weitere Entwicklung sein: Inwieweit es auch für die katholische Kirche in Deutschland gelingt, eine Kultur der Diskussion und der Offenheit zu erreichen, mit der dann konstruktive Debatten möglich sind, ohne das es in Polarisierungen oder Ausgrenzungen endet.

Wie ist das möglich, wenn in Diskussionen der Andersdenkende nicht selten abgestraft und mit Sanktionen belegt wird? Herrscht nicht ein Klima der Angst bei heiklen Debatten?

Glück Leider ist es immer wieder so. Es hat in den vergangenen 20 Jahren eine Entwicklung eingesetzt, die eindeutig ein Rückschritt war; mittlerweile gibt es in der katholischen Kirche häufig eine Art Wagenburgmentalität. So werden wieder Fragen tabuisiert, etwa zur Sexualmoral oder zum kirchlichen Amt. Wir können eine Re-Vitalisierung der Kirche aber nur erreichen, wenn es wieder eine offene Gesprächskultur und weniger Misstrauen gibt. Es muss die Möglichkeit der kontroversen Debatte geben, ohne dass Geistliche, hauptamtliche Mitarbeiter/innen oder Theologen Sanktionen zu befürchten haben. …

Hat die Kirche aus den Missbrauchsfällen gelernt?

Glück Die Kirche hat einen wichtigen Lernprozess durchgemacht. Ich halte es für die wichtigste Veränderung seit langer Zeit, dass nach der Schockerfahrung des Missbrauchs nun die Opfer im Mittelpunkt stehen und nicht der falsch verstandene Schutz der Institution Kirche. Das zeigt eine Orientierung zu den Menschen, zu den Opfern.

Fürchten Sie sich vor den Mitgliedszahlen, nach den Missbrauchsfällen?

Glück Noch dramatischer ist für mich die Dunkelziffer jener, die aufgrund dieser Erfahrung auf Distanz zur Kirche gehen und dass ein Entfremdungsprozess stattfindet.

Wäre eine neue Synode in Deutschland ein guter Impuls für Reformen?

Glück Gegenwärtig ist die Zeit für eine Synode nicht reif.

Warum nicht?

Glück Dazu braucht es zunächst den Aufbau eines Grundvertrauens, das solche Debatten erst wieder möglich macht, wie wir sie bei der Würzburger Synode Anfang der 70er Jahre hatten. Davon sind wir in unserer Kirche heute meilenweit entfernt – wenn man bedenkt, dass damals Träger des Amtes, Laien und Wissenschaftler miteinander partnerschaftlich um Lösungen gerungen, Krisen durchgestanden haben. Aus heutiger Sicht ist das ein Traum.

Würden derzeit Versuche, Reformen einzuleiten, die Kirche gar bedrohen?

Glück Es besteht zumindest die Gefahr, dass die innerkirchlichen Polarisierungen zunehmen könnten.


© imprimatur Oktober 2010
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