Norbert Sommer
Gott suchen im Cyberspace
Die neuen Medien als Mutmacher für die Kirche?

Die Diskussion über die Krise der Kirche, aber auch über die bösen Medien, die diese Krise angeblich wegen des „Hochspielens“ der Missbrauchsdelikte ausgelöst haben, hält an. So forderte das in deutscher Sprache in Rom erscheinende „Vatikan-Magazin“ eine nach innen gerichtete „Inquisition“, ja eine „Theologie des Knüppels“, mit der die Glaubenskongregation für „den nötigen Kurswechsel, für die Reinigung von den Sünden und Schwächen im Innern der Kirche“ und für den Schutz des Glaubensgutes, das „auf den theologischen Jahrmärkten zu Billigpreisen verhökert wird“, sorgen solle. Das Hilfswerk „Kirche in Not“ startete, unterstützt von den bekannten Gleichgesinnten wie Radio Horeb, K-TV, EWTN, kath.net, Forum Deutscher Katholiken und Generation Benedikt, die „Aktion Ninive“ mit dem Ziel „Anbeten – Fasten –Beichten: zur Erneuerung der Kirche“. Die Deutsche Bischofskonferenz kündigte stattdessen einen, von den katholischen Rechtsaußen teilweise heftig kritisierten, zweijährigen „strukturierten Dialog“ über Glaubensfragen und gesellschaftliche Themen an, um notwendige Reformen einzuleiten. Die Reaktion des Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig Müller darauf lässt aber an einer erfolgreichen Umsetzung dieses Vorhabens zweifeln. In einem Interview (Tagespost/kath.net, 29.9.) sagte er nämlich: „Wenn wir uns als Wohlfühlorganisation mit mystischem Hintergrundgeraune anbiedern, der die gesellschaftliche Akzeptanz und der Einklang mit einem materialistischen Zeitgeist die oberste Maxime ist, dann haben wir Christus verraten.“ Das Dialog-Angebot sei „kein Nachgeben gegenüber dem Druck der Straße, die sich blasphemisch für die Basis der Kirche ausgibt“, also gegenüber den „Nutznießern der hausgemachten Krise, denen es mitnichten um die Opfer geht, die nur daraus Kapital schlagen wollen für ihre sogenannten `Reformen`“.

In einer solchen Situation sind natürlich „echt katholische“ Journalisten gefragt als Gegenpol zu den Bösewichten dieser Zunft: „Die Aufgabe eines katholischen Journalisten im Dienst der Kirche ist es, die Dinge aus der Sicht der Kirche zu betrachten“, erklärte das „Forum Deutscher Katholiken“ anlässlich der Vorgänge um das „Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses“ (s.Imprimatur 5+6/ 2010). Und der frühere kirchliche Beauftragte beim ZDF, Eckhard Bieger S.J., fügte (in kath.de, 27.8.) hinzu: „Kirchensteuerzahler werden auch eher erwarten, dass sie mit ihren Euros nicht Papstkritik finanzieren, das leisten viele Medien nebenbei, sondern dass es gut ausgebildete Journalisten gibt, auf die man sich verlassen kann, weil sie sich, den Mahnungen der Päpste entsprechend, an die Wahrheit halten.“ Oliver Maksan (Tagespost,/ kath.net, 24.8.) schließlich behauptete: “Weil aber die Kirche als die Institution gewordene Repression schlechthin galt, verstanden sich Journalisten, die sich mit `Kirche` befassten, als quasi institutionelle Gegengewichte zu ihr.“ Deshalb gilt für ihn „Katholisch ist der – und nur der – Journalist, der sich an den definitiven Maßgaben des Lehramtes der Una Sancta in Fragen des Glaubens und der Sitten orientiert und von loyaler Liebe zur Kirche erfüllt ist.“

Das lädierte Image der Kirche soll mit verschiedenen Maßnahmen aufpoliert werden. Genau – natürlich offiziell „rein zufällig“ – auf dem Höhepunkt der Debatte über sexuellen Missbrauch durch Priester startete z.B. im April die Französische Bischofskonferenz eine Werbekampagne für geistlichen Nachwuchs unter dem Motto „Warum nicht ich?“ Professionelle Fotomodelle machten dabei u. a. in Jobanzeigen in Tageszeitungen und im Internet auf die Möglichkeit eines „unbefristeten Vertrags“ im Dienste Gottes („Jesus is my boss“) aufmerksam. Der Zeitpunkt war insofern günstig, als es gerade drei Priester („Les pretres) mit ihrem Album „Spiritus Dei““ (französische Popsongs und geistliche Vokalmusik) auf Platz eins der Album-Charts geschafft hatten. Als Image-Kampagne wollen die Schweizer Bischöfe ihre Internet-Aktion „Mehr Good News“ nicht verstanden wissen. Es sei schließlich Aufgabe „unserer Kirche, das Evangelium – eben die gute Nachricht – zu verkünden“, hieß es in einer Erklärung: „Es ist in der derzeitigen Situation heikel, von guten Nachrichten zu sprechen. Hat doch die katholische Kirche in der Vergangenheit schwerwiegende Fehler begangen, die nun schonungslos aufgedeckt werden. Bei all diesen `Bad News` kann es nicht einfach nur darum gehen, die `Good News` dagegen zu halten. Und doch ist es für die katholische Kirche in der Schweiz wichtig, dass auch die vielen guten Nachrichten aus den Pfarreien und Kantonalkirchen zum Vorschein kommen.“ Und die sehen dann u.a. so aus: „Dorfpfarrer sichert Zukunft von Traditionsrestaurant – 18:3 für FC Religionen Bern – Gotteslob mit Motorenjubel – Eine neue Fahne für die Feuerwehr – Freundschaft mit Blinden geschlossen – Pfadfinder folgen Tierspuren – Detektiv gräbt Kirchenglocken aus – Bruder Karl Bauer zum `Appenzeller des Jahres`gewählt“...

„Good News“ sind derzeit besonders für den Papst wichtig. Deshalb setzte der Bayerische Rundfunk anlässlich des fünften Jahrestages der Wahl von B16 ein Zeichen bayerischer Solidarität angesichts der zunehmenden Distanzierung, ja Kritik der Rest-Deutschen an dem bayerischen Pontifex: „Ostern, Weihnachten, Reisen und wenn es Proteste gibt: Öfter taucht Papst Benedikt XVI. im deutschen Fernsehen kaum noch auf.“ Also hat der BR (offensichtlich in Zusammenarbeit mit BILD regional München) im Internet die Rubrik „Die Woche mit dem Papst“ eingerichtet: „In informativen und launigen Videos und Texten wird erzählt, was der Papst die Woche über im Vatikan gemacht hat.“ Eine wahrscheinlich erst Weihnachten im „Ersten“ zu sehende TV-Dokumentation über die ersten fünf Jahre führte der BR bereits im Juli exklusiv B16 in Castel Gandolfo vor. Als „schöne Idee“ bezeichnete dieser die „Einrahmung“ des Films mit Beethovens Neunter Symphonie. Die Ode an die Freiheit drücke hinter der Geschichte des Films („Diese außergewöhnliche spirituelle Reise“) aus, dass wir bereits erlöst sind.

Zu den Papst-Good-News gehört auch die im St. Benno-Verlag erschienene Sammlung „Drei Katzen für den Papst“: „Persönliche Anekdoten aus dem Leben Benedikts XVI., berichtet von Schustern, Pizzabäckern oder Elektrikern, zeigen den Papst von seiner privaten Seite.“ Teilweise schwer zu erkennen, ob es sich um „Good“ - oder „Bad“ –News handelte, waren die kathpress - und kath.net – Titel: „Benedikt XVI. auf der Buchmesse – Kein Treffen zwischen Papst Benedikt und Boris Becker – Papst Benedikt XVI. kommt als Wachsfigur nach Wien.“ Als Radio Vatikan am 4.9. meldete, B16 habe den 33 Bergleuten, die seit einem Monat in einer Kupfermine in Chile verschüttet seien, von ihm gesegnete Rosenkränze über die Versorgungssonde zukommen lassen, war dies wohl ebenso „gut gemeint“ wie die Werbung z.B. in kath.net für die „Prayerbox Pilgerweg“ - angepriesen als „Die handliche Pilgerausrüstung von `Kirche in Not` mit Rosenkranz, Gebeten, Kreuz und Weihwasser“. Eine „gute Nachricht“ verbreitete auch die Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ am 3.9. mit einem ausführlichen Artikel über „die Bekehrung der Rocksängerin Nina Hagen“, d. h. über den „Weg der ostdeutschen Sängerin vom Nihilismus ihrer DDR- Jahre bis zu ihrer jüngsten CD `Personal Jesus`“.

Doch die Krise der Kirche ist auch Krise der kirchlichen Medien. Da hilft es nichts, dass man die frühere Öffentlichkeitsarbeit oder die Pressestellen der Bistümer in „Medienkompetenz-Zentren“ umbenennt. Da fällt es schwer, den Optimismus zu verstehen, mit dem DOK TV&Media GmbH als Multimedienproduktionsgesellschaft der katholischen Ordensgemeinschaften Deutschlands bekannt gab, man wolle Film-, Fernseh- und weitere Medienformate produzieren, u.a. ein regelmäßiges TV-Magazin und eine Talk-Show, um ihre Lebens- und Glaubenserfahrung einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Aber wie und wo? Der Programmdirektor von „Radio Maria Österreich“ ist ebenfalls überzeugt: „Gott weiß, wer welches Wort gerade braucht. Darin liegt die Stärke und Fruchtbarkeit der Radio-Verkündigung. Ich streue den Samen in den Wind des Heiligen Geistes.“ Dramatisch verschlechtert hat sich besonders die Situation der kirchlichen Presse. Selbst Bistums-übergreifende Kooperationen konnten den Verfall nicht aufhalten. Und nun ist auch noch der vom Verband der Diözesen Millionen-schwer subventionierte „Rheinische Merkur“ eingegangen, d.h. als Beilage zu „Die Zeit“ geschrumpft, falls die Bischöfe nicht noch auf das Übernahme- Angebot des rechten Blattes „Junge Freiheit“ eingehen.

In dieser Misere, in der die Kirche die Menschen immer weniger erreicht, erscheint so manchem Kirchenmann das Internet als Erlösung. Papst Johannes Paul II. hatte bereits den Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 2002 unter das Motto gestellt: „Internet – Ein neues Forum zur Verkündigung des Evangeliums“. Darin hieß es u.a.: „Die neue Welt des Cyberspace spornt die Kirche zu dem großen Abenteuer an, sein Potential zur Verkündigung der Evangeliumsbotschaft zu nutzen.“ Abenteuerlustig zeigte sich auch sein Nachfolger Benedikt XVI: Nachdem dieser 2009 in seiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel ebenfalls das Thema Internet in den Vordergrund gerückt hatte, bekräftigte er es zum Mediensonntag 2010 anlässlich des von ihm ausgerufenen Priesterjahres noch einmal unter dem Aspekt „Der Priester und der Seelsorger in der digitalen Welt: die neuen Medien im Dienste des Wortes.“ Gleich zu Anfang nennt er die diesjährige Botschaft eine „Reflexion über einen weiten und delikaten Bereich der Seelsorge“. Als „Delikatesse“ scheint er es zu empfinden, dass die modernen Kommunikationsmittel, besonders „ihre jüngste rasende umfassende Verbreitung sowie ihr beträchtlicher Einfluss... ihren Gebrauch für den priesterlichen Dienst immer wichtiger und nützlicher machen“, und dass die digitale Welt Mittel zur Verfügung stellt, „die nahezu unbegrenzte Möglichkeiten der Kommunikation bieten, und eröffnet damit in der Tat bemerkenswerte Perspektiven der Aktualisierung in Bezug auf die Ermahnung des Heiligen Paulus: `Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!`“ Geradezu euphorisch spricht er von der kirchlichen Funktion einer „Diakonie der Kultur“ im „digitalen Kontinent“ von heute. Wer „als Gottgeweihter in den Medien“ arbeite, habe die Aufgabe, den Weg für neue Begegnungen zu ebnen, d.h. den Menschen Gelegenheit zu bieten, sich dem Wort Gottes zu nähern: „Dieses Wort wird sich so seinen Weg unter den unzähligen Schnittstellen im dichten Netz der `Highways`, die den `Cyberspace` durchziehen, bahnen können und das Bürgerrecht Gottes zu jeder Zeit bekräftigen, damit Er durch die neuen Formen der Kommunikation auf den Straßen der Städte voranschreitet und an den Schwellen der Häuser und Herzen Halt machen kann.“ An dieser Schwelle des Inhalts sollte man wohl zum Innehalten anhalten, doch dürften viele dadurch eher von der weiteren Lektüre abgehalten worden sein... Dabei kommt das Wichtigste der Botschaft erst noch: Der Priester müsse „bei dem Kontakt mit der digitalen Welt sein Herz als Mann Gottes durchscheinen lassen, um nicht nur dem eigenen seelsorgerischen Einsatz, sondern auch dem ununterbrochenen Kommunikationsstrom des Internet eine Seele zu geben“. Die Seele im Internet wird seitdem immer wieder beschworen. So betonte Erzbischof Claudio Maria Celli vom Päpstlichen Rat für die sozialen Kommunikationsmittel, die Herausforderung liege nicht in der Anwendung der Medien oder Apparate, sondern darin, diesen eine Seele zu geben. Bei dem von der Italienischen Bischofskonferenz organisierten Kongress „Digitale Zeugen-Gesichter und Sprachen in der Ära der Crossmedia“ Ende April in Rom ergänzte er: „In der digitalen Welt sind wir aufgerufen, sichtbare Spuren zu hinterlassen. Diese Spuren sollen zu denken geben durch das, was durch unsere Anwesenheit entsteht. Wenn das Netz seiner Definition gemäß virtuell ist, haben wir die Aufgabe, ihm Tiefe zu geben und ihm im gewissen Sinne eine Seele zu geben und damit das Leben.“ Auf dem Ökumenischen Kirchentag in München stellte der Religionswissenschaftler Michael von Brück sogar die These auf, im Cyberspace sei die Grundform von Religion gegeben, denn beide seien der Unmittelbarkeit der Realität enthobene Sphären: „Das Virtuelle ist eine gedankliche Vision, den Dualismus von Gut und Böse zu überwinden.“

Als Beispiel für den Nutzen des Internets für den priesterlichen Dienst verkündete der Vatikan am 1. Juni stolz, dass 94,7 % der Priester täglich im Internet „surfen“, 46% es zur Vorbereitung ihrer Predigten einsetzen und 26% bei Facebook mitmachen. Die Bischofskonferenz hat jetzt sogar eine Arbeitshilfe „Elektronische Medien bei Kirchenführungen und -besichtigungen“ herausgegeben. Und damit Besucher die richtige Kleidung wählen, gibt das Internet seit September unter www.koelner-dom.de Auskunft über die dortige aktuelle Innentemperatur.. Wo aber hinterlässt die Kirche bisher sichtbare Spuren im Netz? Wo ist sie präsent? Wie kommt sie mit ihren Angeboten an? „Wer heute nicht twittert, nicht in Facebook postet oder kein Xing- Profil hat, ist mega-out. Ob Kids oder Silver-Surfer - weltweit stehen Menschen über diese Netze in Verbindung.“ So das Fazit eines Interviews, das das „Airberlin“ - Magazin (9/10, 2010) mit dem Web – Pionier Klaus Eck führte. Die christlichen Kirchen wollen sich offensichtlich verstärkt dieses Trends bedienen, um im Gespräch zu bleiben oder ins Gespräch zu kommen. Zumindest sprechen offizielle Aussagen wie „Gott ist auch im Cyberspace zu finden“ oder „Über Google zu Gott“ für diese Einschätzung. Das Internet mit seinen ständig neuen Entwicklungen und Möglichkeiten gilt vielen in der Kirche als letzter Rettungsring in einer Zeit zunehmender Kritik und abnehmender Akzeptanz. Der evangelische Pfarrer Thomas Kroemer gab allerdings (in Spiegel-online, 24.6.) zu bedenken:„ Als Pfarrer muss ich die Medien ausführlich zur Kenntnis nehmen und darüber vor allem mit den Jugendlichen im Gespräch bleiben. Ich muss wissen, was ein iPod und was `DSDS `ist... Kirche darf nicht schnarchend in der Ecke sitzen, sie muss aber auch nicht auf jeder Zeitgeistwelle mitsurfen. Das richtige Maß zu finden, ist nicht einfach.“ Eckhard Bieger S.J. warf dagegen am 27.8. in kath.net dem „Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses“ vor, in der journalistischen Ausbildung die Zeichen der Zeit nicht erkannt zu haben, denn: „Das Internet wird zum Nervensystem des ganzen Kommunikationsbetriebes. Es ist nicht ein Medium, das an 4. Stelle nach dem Fernsehen zu behandeln ist, sondern alle bisherigen Medien, auch das Fernsehen, werden Anhängsel des Internets.“

Ein katholischer Pfarrer in den USA, dessen Gemeinde sich seit langem in einer Mischung aus Information, Erziehung und Unterhaltung bei YouTube mit selbst produzierten Videos präsentiert, einen Internet-Blog unterhält und bei Facebook sowie beim Twittern engagiert ist, nannte kürzlich das Internet eine aktuelle und keineswegs erst zukünftige Realität. Begeistert äußerte er sich über das Echo auf diese sowohl spontane als auch andauernde Kommunikation. Er sei überzeugt, dass auch Jesus heute die neuen Medien nutzen, ja dass er twittern und bloggen würde. Das Internet als reine Informationsquelle wird mittlerweile immer stärker ergänzt oder ersetzt durch die Funktion als Mitmachnetz, für das Tim O`Reilly 2006 den Begriff „Web 2.0“ erfand. Der Frankfurter Theologe und Medienprofi Jürgen Pelzer meint: „Die Kirche und das Web 2.0 passen perfekt zusammen. Die Kirche war schon immer eine globale und weltumspannende Organisation, die von den einzelnen Personen gelebt hat. Glaubensvermittlung war damals wie heute an ein persönliches Glaubenszeugnis gebunden. Und im Web 2.0 treten Einzelne in den Mittelpunkt und tauschen sich untereinander aus. Da spielen natürlich auch religiöse Themen eine Rolle. Und das ist eine riesige Chance für die Kirche, da einzelne Gläubige plötzlich eine große Plattform und eine große Vernetztheit bekommen“ (Radio Vatikan, 5.2.). Als erfolgreich hätten sich diejenigen Angebote erwiesen, bei denen die Teilnehmer stark eingebunden seien. B16 ist übrigens im Internet bei YouTube, Facebook und pop2you vertreten.

Facebook hat mittlerweile weltweit 500 Millionen Nutzer und damit „die größte Datensammlung über Menschen in der Geschichte. Noch nie war es so leicht, an Informationen über andere Menschen zu kommen... Pro Monat werden z.B. auf Facebook drei Milliarden Fotos hochgeladen“ (Bild.de, 1.10.). Als einer der ersten bot übrigens der ausgebootete Bischof von Evreux, Jacques Gaillot, ab 1996 vielen eine spirituelle Heimat durch sein Internet-Portal www.partenia.org, benannt nach der ihm zugewiesenen, seit Jahrhunderten im Wüstensand Algeriens versunkenen Titular-Diözese. Inzwischen nutzen z.B. die Schweizer Bischöfe diese moderne Kommunikationsform, um in einem vorher genau terminierten Chat auf kath.ch möglichst viele Menschen zu erreichen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Unter dem Bloggernamen „bibo“ wagt sich der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode als erster deutscher Bischof mit regelmäßigen Beiträgen in die „Blogosphäre“ (katholisch.de, 29.6.). Bei der ersten christlichen Blogger-Tagung im April in Berlin ging es um die Frage, wie das Evangelium am besten im Internet verbreitet werden kann. Es hieß, eine thematische Spezialisierung wie bei godnews.de und menschjesus.de spreche Internet-Nutzer mehr an als Auslassungen über alles und jedes (Zenit, 27.4.). In kath.net (25.9.) schwärmte Armin Schwibach: „Die katholische Blogosphere - kurz die Blogoszese – wird größer. Im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen der virtuellen Welt des Internets geht es den katholischen Bloggern und Internetdiensten (er meint damit natürlich nur ein bestimmtes Spektrum...) um das wirkliche kirchliche Leben, dies gerade in einem Moment, in dem es den Anschein hat, dass viele Hirten und `offizielle Stellen` den Kontakt mit der Wirklichkeit verloren haben.“ Nach vatikanischem Vorbild sollen nun auch russisch-orthodoxe Priester Internet-Blogs für missionarische Zwecke nutzen.

Für Schlagzeilen sorgte der Abt der Benediktiner-Abtei Einsiedeln, Martin Werlen, mit der von ihm organisierten ersten „Twallfahrt“. „Twitter“ heißt „Zwitschern“ und ist ein Internet-Kommunikationsdienst, bei dem jeder Benutzer Kurznachrichten bis zu 140 Zeichen veröffentlichen kann, die Abonnenten des Dienstes auf ihrem Handy empfangen. Der Abt erklärte, alle Gebete und die Predigt seien „Twitter- Impulse“, d.h. die Teilnehmer erhielten SMS-ähnliche Textnachrichten: „Wenn wir die Formeln des Glaubens anschauen –gerade bei Paulus –, dann sind sie nie länger als 140 Zeichen“ (Radio Vatikan, 3.8.). So will jetzt auch ein britischer Geistlicher die ganze Bibel twittern.

Der italienische Pfarrer Paolo Padrini entwickelte zuerst das iBrevier für den Einsatz auf dem iPhone und iPad. Nun folgt eine Messbuch-Applikation für das iPad, das sich z.B. reisende Priester dann auf den Altar legen können. Auch die Bibel für das iPhone erfreut sich angeblich großer Beliebtheit. Für 12,99 € kann sich der Nutzer bei der Deutschen Bibelgesellschaft die komplette Luther-Bibel auf sein Handy laden Schließlich hat ein deutsches Softwareunternehmen das nach eigenen Angaben „erste Bibel-basierte Online-Spiel der Welt“ entwickelt. Ein antiislamisches Online-Spiel der FPÖ („Mohrhuhnjagd auf Muezzine“) sorgt gerade für große Empörung in Österreich. Zu den Auswüchsen gehört auch das zwielichtige Angebot von Online-Beichten, von dem sich nicht nur Kardinal Joachim Meisner bei einem Medienempfang am 10.9. in Köln distanzierte. Dazu passt die Warnung des amerikanischen Juristen Jeffrey Rosen vor der Unfähigkeit des Internets zu vergessen. Dadurch werde die Kontrolle des Einzelnen über seine Identität und die Möglichkeit eines Neuanfangs bedroht. Ohne ein gewisses Vergessen werde auch Vergeben unmöglich. Der Bibel zufolge lösche Gott die Vergehen des reuigen Sünders. Dazu sei die digitale Welt bis heute nicht fähig (kath.net, 2.8.).

Bei aller Begeisterung für die „Möglichkeiten der neuen Generation audiovisueller Medien“, die „bisher unbekannte Gelegenheiten zum Dialog sowie nützliche Hilfsmittel für die Evangelisierung und die Katechese darstellen“, warnte B16 in seiner Botschaft zum Mediensonntag aber auch: „Das Internet kann zu einem Gleichschaltungsorgan verkommen und den intellektuellen und moralischen Relativismus fördern.“ Zudem brächten die „verbreitete Multimedialität und die vielfältigen `Menü- Optionen` eben dieser Kommunikation die Gefahr mit sich, dass der Gebrauch der Medien hauptsächlich von dem reinen Bedürfnis bestimmt wird, präsent zu sein, und das Web irrigerweise nur als einzunehmender Raum angesehen wird.“ Diese Einschätzung trifft auf die seit einiger Zeit laufende heftige Fehde zwischen verschiedenen Internet-Portalen zu, die alle für sich in Anspruch nehmen, „katholisch“, manche gar als einzige „wirklich katholisch“ zu sein. Als „Google“ aber kürzlich meldete „Diese Website ist als verdächtig eingestuft“, war damit zwar „Zenit – die Welt von Rom aus gesehen“ gemeint, jedoch hatte das nichts mit diesem katholischen Schlagabtausch zu tun. Es ging dabei auch nicht um Inhalte, sondern um eine mögliche Gefährdung der Computer durch sogenannte Schadsoftware, eine Warnung, die herausgegeben worden war, weil – so hieß es in der Entwarnung - „gelegentlich von Dritten bösartiger Code in legitime Websites eingefügt“ wird. Bösartig waren teilweise auch die gegenseitigen Vorwürfe von Zenit und kreuz.net. Am 21.6 z.B. polemisierte kreuz.net, der bisherige Rom-Korrespondent der „Langeweile – Seite“ Zenit wechsle ab Herbst zur Linzer „Kommerz-Webseite“ kath.net. Und nachdem Schwester Angela Reddemann sich am 16.2.2010 in Zenit beklagt hatte, dass Internet-Portale „sich scheinbar ernsthafter Themen annehmen, aber von Menschen bedient werden, die `außer Rand und Band` geraten sind“, ja dass „Plattformen, scheinbar katholische Kreise“, sich mit ihren religiösen Neigungen „scheinbar geknebelt“ fühlten und „selber gerne Vatikan sein würden“, reagierte kreuz.net am gleichen Tag mit der Attacke, Zenit werde von der skandalgeschüttelten neokonservativen Gemeinschaft der Legionäre Christi kontrolliert und sei personell und finanziell überproportional ausgestattet. Der Hintergrund: In einem Spendenaufruf von Zenit ist u. a. von 30 Journalisten und Redakteuren sowie 500.000 privaten Abonnenten des gebührenfreien Nachrichtendienstes die Rede: „In diesem Jahr müssen wir 1.270.000 € sammeln, um die 1.765.000 € an Kosten zu decken... Nur wenn wir alle am gleichen Strang ziehen, kann das Wort Gottes in jedes Haus gelangen. Denn das ist letztlich das Ziel unserer Nachrichten über den Papst und die Kirche.“

Deshalb giftete kreuz.net weiter, Schwester Reddemann als Leiterin der deutschsprachigen Ausgabe von Zenit, „dieser spendengierigen kirchlichen Hofberichterstatter und Vertuschungs-Portale“ bete „pflichtbewusst und mit gefalteten Händen... das obligate deutsche Glaubensbekenntnis ihrer Ex-Hakenkreuz-Heimat nieder“ (kreuz.net spricht immer wieder von Holocaust-Ideologie, -Religion oder –Kult und bezeichnet den Piusbruderschafts-Bischof und Holocaust-Leugner Richard Williamson als „Märtyrer“ oder „Heldenbischof“). Die Seite kreuz.net sei schließlich der Beweis dafür, dass auch der katholische Leser die „banale Wahrheit der frommen Lüge“ vorziehe, „die darauf hofft, dass der deutsche Gesinnungsrichter ihre Demaskierung verhindert“.

Als der österreichische Benediktiner Udo Fischer in seinem Online-Portal „Ja, die Kirchenzeitung“ die These vertrat, „dass kreuz.net und kath.net – schönfärberischer ausgedrückt als eigentlich erlaubt - zwei konservative Websites“ seien, wobei kath.net durchaus den Vorstellungen gewisser Bischöfe entspreche und „von ihnen hoch gelobt und gefördert“ werde, während kreuz.net von diesen wegen ihrer „antikatholischen, antisemitischen und antidemokratischen“ Haltung kritisiert werde, reagierte kreuz.net mit der Diffamierung, Insider sprächen davon, dass ein Zeckenbiss Pater Fischer um seinen katholischen Verstand gebracht habe und dass kath.net eine spendengierige „Kommerz- und Klickbetrüger-Webseite“ sei. kreuz.net, „das blühende und europaweit größte katholische Portal“, dagegen berichte –so hieß es am 11. Mai – „unabhängig von Seilschaften und altliberalen bischöflichen Schmiergeldern“. Das war besonders gegen „die im Morast der altliberalen Verleumdung kläglich abgesoffenen Deutschen Bischofskonferenz“ gerichtet, weil sich diese von kreuz.net distanziert hatte. Am 12. Mai bekam auch die „Maulkorb-Republik BRD“, die mit ihrer „Meinungs-Gestapo“ die Presse- und Meinungsfreiheit im deutschen Internet immer mehr gefährde, ihr Fett weg, nachdem bekannt geworden war, dass der Herausgeber der der Piusbruderschaft nahestehenden Website katholisches.info wegen einer – nicht näher erläuterten – Abmahnung sein Amt niedergelegt und die Redaktion ihren Sitz von Deutschland in die USA verlegt habe.

Ausgerechnet der neue Rom-Korrespondent von kath.net, Armin Schwibach, hob in einem seiner ersten Berichte (am 6.9.) lobend hervor, „dass die so genannten Traditionalisten zu den Katholiken gehören, die am meisten im Netz präsent sind in einer Weise, die große Tiefe, Liebe zur Kirche und Frische in intelligenter Weise miteinander verbindet“. Meinte er mit dieser „intelligenten Frische“ wohl die zumeist diffamierende Sprache bei kreuz.net (s .Imprimatur 3/2010)? Neuerdings ist selbst der Kölner Kardinal Joachim Meisner in deren Schusslinie geraten. Weil dieser nach dem Duisburger Love-Parade-Drama gesagt hatte: „Was als unbeschwertes Vergnügen junger Menschen gedacht war, hat mit einem schrecklichen Unglück geendet“, titelte kreuz.net: „Kardinal Meisner hat echt eine Meise“. Wer „die größte Jugendverführungsveranstaltung in Deutschland“ so verharmlose, habe sich wohl im Urlaub einen Sonnenstich geholt: „Dieser kann bei schweren Verlaufsfällen zu Bewusstseinsstörungen führen... Darum die Frage: Hat der Kardinal noch alle Tassen im Schrank?“ Und weil er „kein Freund der Alten Messe“ ist, nannte ihn kreuz.net (17.9.) einen „neokonservativen Großmaul-Kardinal“. Als der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen sich für einen neuen Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen einsetzte, sprach kreuz.net von „altliberalen Halluzinationen des solariumsgebräunten Rotarier-Bischofs“ (18.9.). Den fortwährenden verbalen kreuz.net – Attacken gegen den emeritierten Wiener Pastoral-Theologen Paul Zulehner (14.9.: „Satanspriester) schloss sich inzwischen auch kath.net (übrigens immer öfter in Kooperation mit „Die Tagespost“) an. Am 2.8. war dort zu lesen: „Paul Zulehner, der große Manipulator, verrührt den Honig soziologischer Daten im Grießbrei seiner vorgefassten Meinungen.“

Lohnt sich die ganze Aufregung überhaupt? Immerhin hat der vom Katholischen Medienverband in Auftrag gegebene „Trendmonitor Religiöse Kommunikation 2010“ u. a. das ernüchternde Ergebnis gebracht, dass Katholiken in Deutschland über das Internet kaum zu erreichen sind und dass nur ein Prozent das Angebot kirchlicher Seiten im Internet nutzt, aber zwei Drittel der Katholiken „säkular“ online sind. Und diejenigen, die mehr über den Sinn des Lebens erfahren wollen, landen auf der Suche nach Antworten im Internet vor allem bei nichtkirchlichen Anbietern. Stoff genug also für die Beschäftigung mit dem Thema „Kirche und Neue Medien“ im Rahmen des katholischen Mediensonntags 2011, der unter dem Motto steht “Wahrheit, Verkündigung und authentisches Leben im digitalen Zeitalter“.


© imprimatur Dezember 2010
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