Die Glosse

Rauschheim am Tag, wo der FC
gegen Mainz 05 verloren hat.

Lieber Joseph,

ich muss jetzt endlich mit Dir über das angekündigte Thema „Das Eigentor auf dem Fußballplatz und in der Kirche“ debattieren.

Im Augenblick, wo ich mir ein Eigentor geleistet hatte, kam ich mir als der größte Depp vor. Der Fußballkaiser Franz Beckenbauer hat seiner Lebtage kein Selbsttor geschossen. Sind es nicht immer die Ungeschickten, die Kopflosen in der Hintermannschaft, denen es passiert? Für den Unglücksschützen ist das eine Katastrophe, und er wird vom Platz genommen. Ganz anders in der Kirch. Dort schaut man nicht auf den angerichteten Schaden, und der Selbsttorschießer merkt nicht einmal, was für ein Depp er ist. Er muss nur zugleich eine papsttreue Gesinnung an den Tag legen und die Sache ist geritzt. Er wird wegen seines niederschmetternden Einsatzes eher vom Bischof zum Kardinal oder vom Pfarrer zum Bischof befördert als aus dem Spiel genommen. Tät ein Bundesligatrainer so aufstellen, gings mit seiner Mannschaft schnurstracks in den Keller.

Der Kardinal Meisner, ein dicker Freund vom Papst, ist ein in der deutschen Kirch unübertroffener Selbsttorschießer. Z.B. wollte er dem Hl. Vater beispringen, indem dass er alles in seiner Macht stehende tat, den Beirat der Katholischen Filmschule, den geachteten geistlichen Direktor, Pfarrer Broch, zu feuern, weil er äußerte, dass der Heilige Vater das Schiff der Kirch an die Wand fahren tut. Das stand in allen Zeitungen. Also: Vorher wussten nur ein paar enge Kumpels, was der Broch beim Papst befürchtet, jetzt weiß es alle Welt. Damit hat der Meisner sowas wie ein klassisches Eigentor geschossen.

Übrigens, meine Frau, die früher mal Vorsitzende vom Mütterverein war, klagt, dass die Hierarchie bis hinauf zum Papst despektierlich mit den Weibsleuten umspringt, die wo aber die letzte funktionierende Mannschaft in den Gemeinden wären und den Betrieb am Leben halten täten. Ich muss ihr zustimmen. In unserer Demokratie hat die Merkel es immerhin nach ewiger männlicher Vorherrschaft bis zur Kanzlerin gebracht, in der Kirch aber bleibt die Frau vom Altar ausgeschlossen. Joseph, diese Zurücksetzung der Frauen durch die Hierarchie ist ein fatales Eigentor. Joseph, ich prophezeie Dir, es dauert nicht mehr lang, und die Frauen lassen sich eine derart primitive Zurücksetzung nicht mehr gefallen und kehren der Kirch den Rücken! Und was wird dann? Eine Gemeinde funktioniert schließlich wie der Fußball nur als Mannschaftsspiel!

Schließlich das sogenannte „Geschenk“ vom Pflichtzölibat! Das ist in meinen Augen das allerverheerendste Selbsttor. In ganz Europa gibt’s wegen dem Zölibat kaum noch Neupriester. „Da hat sich der Papst“ - wie der Fußballer sagt - „ein Ei ins Nest gelegt!“ In den letzten 20 Jahren hatten wir hier in Rauschheim, Joseph, Du weißt es ja selber, drei Pfarrer, zwei davon, hätte man früher gesagt, haben den Zölibat gebrochen, heute sagt man, die leben halt mit ihrer Haushälterin zusammen. Die Leut haben das den Zweien ganz selbstverständlich gegönnt, weil sie umgängliche Seelsorger waren. Der dritte, ein zölibatärer Gipskragenträger, war ein unausstehlicher Kerl, ein eitler Pfau, der hat sich in der Gemeinde aufgeführt, als wär er der alleinige Herr auf dem Platz und brauchte keine Mitspieler. Auf der Pfarreiebene mussten schon immer, wenn die Seelsorge klappen sollte, der Priester Laien mit aufs Spielfeld nehmen. Heutzutag ist der herrische Einzelkämpfer eine lächerliche Person. Auch jede Fußballmannschaft hat zwar ihren Spielführer, ist aber auf rustikale Verteidiger wie seinerzeit Vogts, und auf wendige wie Lahm, auf Mittelfeldspieler mit Übersicht wie Schweinsteiger und Khedira, auf Stürmer, die sich wie Klose verreißen, angewiesen. Aber sag mir, wie soll man mit Bremsern wie dem Meisner, dem Müller, dem van Elst in einer Mannschaft spielen? Die Leut bleiben bei so einer Mannschaftsaufstellung vom Sportplatz, aber auch aus der Kirch weg.

Uns Rauschheimern macht kein Bischof, nicht einmal der Papst selber weiß, dass ein guter Priester ausnahmslos ein zölibatär lebender Priester sein könnt. Die Leut wissen, was Sache ist! Denen ist ja nicht in die Augen geschissen!

Bis Donnerstag beim Stammtisch!
Dein Sozi-Sepp

P.S.: Bei dem Mixa, dem schärfsten Selbsttorschießer, hatt ich manchmal den Eindruck, der tät in einer Thekenmannschaft spielen, und die hätt vor dem Spiel noch was gegen den Durst getan, womöglich mit dem Wein, der aus der Kasse der Waisenkinder bezahlt war.


© imprimatur Dezember 2010
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