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43. JAHRGANG
 
8 . Februar 2010


INFORMATIONSDIENST DER ARBEITSGEMEINSCHAFT VON PRIESTER- UND SOLIDARITÄTSGRUPPEN IN DEUTSCHLAND (AGP) 2010 / 1

 

AGP

Arbeitsgemeinschaft von Priester- und Solidaritätsgruppen in Deutschland
40 Jahre für die Erneuerung von Kirche und Gesellschaft



Der folgende Text sollte ursprünglich nur eine „Lesehilfe“ für die noch geplante umfassendere Dokumentation der Arbeit der AGP und ihrer Mitgliedsgruppen werden. Er ist dann in einem längeren und intensiven Diskussionsprozess aus Anlass des 40-jährigen Bestehens der AGP ausführlicher und „mehr“ geworden. In ihm spiegeln sich nun die Erinnerungen und Reflexionen vieler wieder, die z.T. von Anfang an die Arbeit der AGP begleitet und geprägt haben. So ist dieser Text eine Visitenkarte: einerseits objektiv, weil er die wesentlichen Aspekte der AGP-Geschichte aufzeigt, andererseits subjektiv, weil er bedacht und formuliert wurde von „Betroffenen“, die sich innerhalb der AGP und in ihrem Bemühen um Reformen persönlich eingebracht – und nicht selten belastende persönliche Konsequenzen in Kauf genommen haben.
Darum verbinden wir die Veröffentlichung des Textes ausdrücklich mit dem Dank an die Frauen und Männer, die das hier Geschilderte auf vielfältige Weise mit Leben erfüllt haben.


Als 1968 und in den folgenden Jahren auf der Ebene der Bistümer Reformgruppen entstanden, waren die konkreten Anlässe zur Gründung z.T. recht unterschiedlich, verschieden auch die personelle Zusammensetzung der Gruppen. Manche hatten sich als Priestergruppen formiert, in anderen waren von Anfang an Priester und Laien, Männer und Frauen aus Gemeinden und Verbänden, vertreten.

Die Gruppen unterschieden sich aber nicht nur in ihrer Struktur voneinander, recht divergierend konnten auch die persönlichen Erfahrungen mit der Kirche und die Beweggründe für ein kirchenreformerisches Engagement bei den einzelnen Mitgliedern sein. Dennoch kann man grundsätzliche Gemeinsamkeiten und signifikante Linien der kirchlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen ausmachen, die wesentlich zur Gründung der Reformgruppen und der AGP beigetragen haben.

Als Arbeitsgemeinschaft bemühte sie sich darum, den Kontakt und Austausch zwischen den Mitgliedsgruppen zu fördern, deren Arbeit zu koordinieren und z.B. durch die Akzentuierung inhaltlicher Schwerpunkte zu inspirieren. Von Anfang an spielten dabei die SOG-Papiere als Informationsdienst – und mehr als das – eine wichtige Rolle. In den ersten Jahren wurde zwischen den mindestens einmal jährlich stattfindenden Delegiertenkonferenzen die Arbeit von einer Sprechergruppe und von einem Hauptausschuss geleistet, der sich aus Mitgliedern der Gruppen zusammensetzte und sich mehrmals im Jahr traf. In den letzten Jahren haben zwischen den jetzt Jahresversammlungen genannten Zusammenkünften die AGP-Sprecher - z.T. in Absprache mit der AGP-Regionalkonferenz NRW - die Arbeit übernommen und insbesondere durch die Herausgabe der SOG-Papiere die Informations- und Kooperationsaufgabe erledigt.

Im Folgenden wird deutlich, dass man die Reformgruppen, ihre Ursprünge, ihre Ziele und die Formen ihres kirchenkritischen Engagements, nicht unabhängig von der damaligen Umbruchsituation in Kirche und Gesellschaft verstehen kann. Die Kirche ist immer Kirche in einer bestimmten Gesellschaft, in gegenseitiger Durchdringung und wechselseitiger Beeinflussung.

1. Gründung der AGP und ihre ursprünglichen Ziele

Obwohl die AGP ein Zusammenschluss von nachkonziliaren Reformgruppen ist, haben für sie – wie ja auch für das 2. Vatikanische Konzil selbst – langfristige Erfahrungen und Entwicklungen eine Rolle gespielt.

1.1 Langfristige theologische und gesellschaftliche Erfahrungen und Entwicklungen

1.2 Johannes XXIII. und das Zweite Vatikanum

1.3 Die nachkonziliare Entwicklung

1.4 Die ursprünglichen Ziele

Es ist bemerkenswert, dass der Aktionskreis Halle, der unter wesentlich schwierigeren politischen und kirchlichen Verhältnissen für Reformen eingetreten ist und im nächsten Jahr auf 40 Jahre zurückschauen kann, nach eigenem Bekunden seine wesentlichen Ziele Demokratisierung, Humanisierung und Neuinterpretation des Glaubens von der AGP übernommen hat. Diese Gemeinsamkeit in Motiven und Zielen - über die politischen Grenzen hinweg, aber nicht zuletzt durch persönliche Kontakte aufrecht gehalten und gestärkt - konnte erst nach 1989 offen bekundet werden. Sie ist aber sicher ein wichtiger Aspekt des Eintretens für kirchliche und gesellschaftliche Reformen.

2. Zum gesellschaftlichen Umfeld der Gründungszeit

Die theologische Entwicklung, das Konzil mit seiner Aufbruchsstimmung und seinen Reformen, das Niederländische Pastoralkonzil, der Streit um die Enzyklika „Humanae vitae“, die sich entwickelnde Befreiungstheologie und auf der anderen Seite die erkennbaren Tendenzen der kirchlichen Restauration reichen alleine noch nicht aus, das Entstehen der Reformgruppen in der Kirche zu verstehen. Dazu muss vielmehr das gesellschaftliche Umfeld der damaligen Zeit mitbedacht werden, das durch vielfältige Umbrüche und Neuansätze gekennzeichnet war. Einige Zusammenhänge werden hier als Beispiele – notgedrungen kurzgefasst – genannt. Manche Entwicklungen werden in ihrer Ambivalenz und in ihren irreführenden Annahmen heute durchaus kritischer gesehen als von vielen damals Beteiligten.

2.1 Weltweite Zusammenhänge

2.2 Konflikte in der Bundesrepublik Deutschland

Das Ziel der Protestbewegungen und gesellschaftlichen Entwicklungen war also eine Demokratisierung der Gesellschaft, der Wirtschaft und all ihrer Einrichtungen, eine Demokratisierung auch der Kirche. Entscheidungsprozesse sollten von den Betroffenen ausgehen und nicht von höheren Instanzen über die Betroffenen gefällt werden. All diese Impulse verdankten sich der Einsicht, dass nicht der Einzelne etwas gegen die mächtigen Institutionen ausrichten kann, sondern dass es der Solidarisierung bedarf, um etwas zu verändern. Es ging daher auch nicht vornehmlich um das Versagen, um den guten oder bösen Willen Einzelner, sondern um die Strukturen, die zwar an sich nötig sind, aber oft unterdrücken und Veränderungen blockieren. Sollten also Veränderungen zu Gunsten der Menschen herbeigeführt werden, so konnte dies nur von unten, von den Betroffenen her und in neuen Strukturen geschehen.

Diese Erfahrungen machten viele Mitglieder der Katholischen Kirche auch in der nachkonziliaren Entwicklung ihrer Kirche. In ihr gab es vergleichbare Tendenzen und Entwicklungen. Einzelne Priester, einzelne Christinnen oder Christen fühlten sich und waren machtlos gegenüber der Institution „Kirche“ mit ihren dogmatischen Festlegungen, den „theologischen“ Rechtfertigung ihrer weitgehend autoritären Strukturen und Institutionen, die als „göttlichen Rechts“ behauptet und verteidigt wurden. Deswegen bedurfte es der Solidarisierung von Priestern und Laien zur Durchsetzung ihrer Perspektive und zum Schutz für Einzelne, die mit der kirchlichen Hierarchie in Konflikt gerieten, weil sie z.B. in der Pastoral ungewohnte - z.T. gegen geltendes Kirchenrecht verstoßende - Wege gingen, zu denen sie sich von einer am Beispiel und an der Verkündigung Jesu orientierten Theologie inspirieren ließen..

Diese Zeitgleichheit von innerkirchlichen Reformtendenzen im Sinne und in der Folge einer im „Geist des Konzils“ erneuerten Theologie und von Erkenntnissen, die im Ringen um die Freiheit in den weltweiten Institutionen gewonnen wurden, führte zur Gründung vieler Reformgruppen in den einzelnen Diözesen, die sich dann zur AGP, zur „Arbeitsgemeinschaft von Priester- (seit 1971: und Solidaritäts-) gruppen“ zusammenschlossen.

3. Theologische Schwerpunkte und Einflüsse

Schon bei den langfristigen Entwicklungen, die zur Gründung der AGP führten und bei der Auflistung ihrer ursprünglichen Ziele war von der Bedeutung der Theologie die Rede. Diese soll hier wegen ihrer besonderen Rolle noch einmal eigens aufgezeigt werden.

4. Kritische Reflexion

Dass Ideen und Vorschläge gut begründet sind, garantiert nicht, dass sie auch von anderen zur Kenntnis genommen oder gar umgesetzt werden. Das gilt natürlich auch in der Kirche und in ihr insbesondere in Bezug auf die Initiativen der Reformgruppen.

Zu einer kritischen Reflexion gehört aber auch der Widerspruch gegen eine resignative „Legende des Scheiterns“. Erfolg oder Misserfolg sind nicht einfach festzumachen daran, ob die bis heute gültigen und eingeforderten „Reform-Standards“ auf der Ebene des kirchlichen Rechts und der gesamtkirchlichen Praxis verwirklicht wurden: vor allem die Aufhebung des Pflicht-Zölibats; die Ermutigung Geschiedener und Wiederverheirateter, die mit der Kirche leben möchten, zum Empfang der Kommunion; die Akzeptanz der sogenannten „künstlichen“ Empfängnisverhütung; die Öffnung des Zugangs zu den kirchlichen Ämtern für Frauen; das Mitentscheidungsrecht von Laien in kirchlichen Gremien. Wäre die Erfüllung dieser Forderungen das alleinige Erfolgskriterium, dann sähe das Fazit allerdings äußerst dürftig aus.

4.1 Positive Entwicklungen

Natürlich sind die hier aufgezeigten Entwicklungen bei weitem nicht überall und nicht in der wünschenswerten Eindeutigkeit vorzufinden; natürlich sind sie nicht einfach auf die Arbeit der Reformgruppen zurückzuführen oder gar durch diese in direkter Weise herbeigeführt. Dennoch sollte deren Einfluss auf das Gesamt des nachkonziliaren Prozesses nicht ignoriert werden.

4.2 Beispiele konkreten Engagements der AGP-Gruppen für die kirchliche Erneuerung

4.3 Defizite und Versäumnisse

Wenn die vergangenen 40 Jahre AGP-Arbeit nicht in einer verfälschenden Legende des Scheiterns zusammengefasst werden können, dann gebieten Nüchternheit und Ehrlichkeit aber auch festzustellen, dass keine reine Erfolgsgeschichte zu erzählen ist. Darum sei nun der kritische Blick - wie es sich für eine Gemeinschaft kritischer Christinnen und Christen gehört – auf uns selbst und unsere Arbeit gerichtet.

Durch die offenen und selbstkritischen Fragen soll nicht der Eindruck erweckt werden, als zweifelten die Mitglieder der AGP an der Richtigkeit und Notwendigkeit ihres Reformengagements und der entsprechenden Forderungen. Noch weniger werden die persönliche Lauterkeit einzelner Mitglieder und deren integre Absichten beim Eintreten für eine Erneuerung der Kirche im Geist des Zweiten Vatikanums in Frage gestellt. Die AGP sieht keinen Anlass - gleichsam alters“weise“ -, die Zuständigkeit und Verantwortung für die z.T. verhängnisvolle nachkonziliare Entwicklung zu verschleiern, die weitgehende Dialogverweigerung von Seiten der Oberkirche zu verschweigen oder gar die Seiten zu wechseln.

Gerade in diesem Selbstbewusstsein ist festzustellen:

„Bekehrung und Reform“ war die Erklärung der AGP zu ihrem 25-jährigen Bestehen überschrieben. Diese als Aufforderung an die Kirche und an die einzelnen Christinnen und Christen verstandene Überschrift bleibt auch ein Appell an die AGP selbst: Auch sie darf sich nicht der Bekehrung und der Reform entziehen.


5. AGP-Gruppen: Auf der Suche nach einer zeitgemäßen Spiritualität


„Kampf und Kontemplation“ mit diesen oder ähnlichen Formulierungen haben die verschiedensten Reformbewegungen in der Geschichte der Kirche ihr Programm oder besser: ihre innerste Leitlinie umschrieben. Ohne diese spannungsreiche Einheit bliebe alles Bemühen um die Erneuerung der Kirche purer Aktionismus und damit letztlich bedeutungslos. So wundert es nicht, dass auch für die AGP-Gruppen die Suche nach einer erneuerten Spiritualität als innere Kraftquelle, Kompass und Seismograph zum wichtigen Bestandteil ihrer Arbeit gehörte.

Der oft den Reformgruppen gegenüber erhobene Vorwurf, sie seien nur an Debatten über äußerliche Strukturreformen interessiert und es mangele ihnen an „wirklicher Geistlichkeit“ kann sich nur einem doppelten Missverständnis verdanken: Einerseits dem Kurzschluss, nur traditionelle Frömmigkeitsformen seien authentischer Ausdruck einer katholischen Spiritualität; andererseits einem dualistischen, also nicht-christlichen Weltbild, nach dem es bestimmte Bereiche des Heiligen getrennt von der profanen Welt gebe, in denen allein christliche Frömmigkeit ihren Platz haben könne und dürfe. Dagegen unterstreichen wir: Eine auf die Vergangenheit beschränkte, weltfremde Spiritualität ist für uns kein Ausdruck eines zeitgemäßen christlichen Glaubens.

6. Zukünftige Arbeit

Die Gruppen und ihre Mitglieder sind in die Jahre gekommen. Die Zeit des Aufbruchs erscheint nach der Ansicht mancher vorüber zu sein. So ist der Blick in die Zukunft naturgemäß schwierig und ungewiss. Von Weiterarbeit oder Perspektiven und gar davon, diese programmatisch umsetzen zu wollen, kann man also nur ganz bescheiden und zurückhaltend sprechen. Manches aber sollte noch getan werden.

Der Blick auf Kirche und Welt lässt uns viele Probleme wahrnehmen, die jetzt - und z.T. schon seit langem - aktuell sind und noch lange bleiben werden. Auf der einen Seite eine lediglich technisch und ökonomisch interessierte und dabei sozial unsolidarische Globalisierung; die u.a. durch Profitgier verursachte Wirtschafts- und Finanzkrise; die immer bedrohlichere Ausmaße annehmende Zerstörung der Umwelt; politisch und religiös motivierte Auseinandersetzungen und Kriege, Flüchtlingsströme, Verletzungen der Menschenrechte und die Ausbeutung der Armen. Auf der anderen Seite eröffnet der Blick auf Kirche und Welt aber auch hoffnungsvolle, den Einsatz lohnende Perspektiven: das notwendige Miteinander der Religionen und ihr möglicher Beitrag zum Frieden; die evangeliumsgemäße Verkündigung der christlichen Botschaft durch eine ökumenische Kirche; eine Solidarität, die jedem Menschen Hoffnung für jetzt, aber auch über den Tod hinaus zu vermitteln vermag; eine Erneuerung der Kirche an Haupt und Gliedern, in ihrer inneren Glaubenskraft und in ihren Strukturen.

All das braucht die Unterstützung, das Engagement, die solidarische und zugleich kritische Begleitung von Christinnen und Christen und wahrscheinlich auch neue Formen der „Institutionalisierung“. Vielleicht können die AGP-Gruppen noch etwas zu ihrer Vorbereitung tun, noch einiges von ihren Erfahrungen weiterreichen. Sie sind ihre Wege weithin gegangen; neue eröffnen sich hoffentlich, auf denen andere dann gehen werden.

Die Frauen und Männer, die sich in der AGP und ihren Gruppen engagieren, vertrauen für die Zukunft auf das Wirken des Geistes Gottes in Welt und Kirche. Ihre Perspektive geht also über sie selbst hinaus, ermutigt sie aber gerade deswegen zu dem, was jetzt noch in ihren Kräften steht.

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