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43. JAHRGANG
 
7 . Dez. 2010


INFORMATIONSDIENST DER ARBEITSGEMEINSCHAFT VON PRIESTER- UND SOLIDARITÄTSGRUPPEN IN DEUTSCHLAND (AGP) 2010 / 8

 

Wirbel um „gelockertes“ Sexualtabu
„Aggiornamento“ - heute
AG Rottenburg
AGP-Dokumentation: Herausgeber und Autoren



Gelungener Marketing-Trick

Wirbel um „gelockertes“ Sexualtabu

Die Medien jubeln: Der Papst ist im 21. Jahrhundert angekommen! Er hat gemerkt, dass ein Kon-dom nicht unter allen Umständen des Teufels ist. Das hatten im 20. Jahrhundert noch nicht alle Lautsprecher der Kirche begriffen. In der Tat: Benedikt XVI. ist vielen weit voraus. Vor allem in der herrschenden Kunst des Geldgewerbes. Das macht ihm so leicht niemand nach: Kurz vor Weihnachten (lies: vor Beginn des Weihnachtsgeschäftes) bringt er (durch seinen Hofschreiber) ein Buch auf den Markt, das sogar Herrn Sarrazin neidisch werden lässt, das „Licht der Welt“. Jede Buchhandlung muss es bereit halten. Alle Welt redet davon: der Papst habe sein strenges Kondom-Verbot gelockert.

Dabei sind die meist theologisch unterentwickelten Medienfürsten schon von Anfang an der „allgemeinen Meinung“ auf den Leim gegangen: Der Papst hat nichts „verboten“ und hatte nichts zu verbieten. Er hatte sich schlimmstenfalls eingeredet und hatte damit auch andere an der Nase herumgeführt, der „liebe Gott“ sei unter allen Umständen gegen Empfängnisverhütung, falls die sich nicht aus dem biologischen Ablauf scheinbar von selbst ergibt. Also seien alle Verhütungsmittel, auch „die Pille“ und ähnliches „gegen den Willen Gottes“. Daran könne man nichts ändern, ebenso wenig wie an der „Tatsache“, dass ihm die Ordi-nation von Frauen, Homosexualität etc. zuwider seien. Inzwischen ist „die“ katholische Kirche (neben der orthodoxen) der einzige Hort dieser erhabenen Wahrheiten. Zunehmend müssen Nichtkatholiken in der muffigen Sexualdoktrin das Spezifikum der römischen Glaubenslehre sehen: das moderne Credo. Einige anglikanische Bischöfe erkannten darin sogar, wie man annehmen muss, eine besondere Offenbarung Got-tes. Folgerichtig sahen sie hinreichend Grund, zum Katholizismus zu konvertieren.

„Inzwischen hat sich gerade auch im säkularen Bereich die sogenannte ABC-Theorie entwickelt, die für ,Abstinence - Be faithful - Condom' steht (Enthaltsamkeit - Treue - Kondom), wobei das Kondom nur als Ausweichpunkt gemeint ist, wenn die beiden anderen Punkte nicht greifen,“ stellte Benedikt XVI. fest. Dem-nach ist ein Kondom nicht in jedem Fall Teufelswerk. Würde der hohe Herr die SOG-Papiere lesen, hätte er dort schon vor Jahren (Nr. 7 des Jahrgangs 2001) diese Regel kennen lernen können. Damals mussten die Le-ser erfahren, dass der Chef des Anti-Aids-Programms der UN mit dieser ABC-Regel im Vatikan auf taube Ohren stieß.

Das ist die wirkliche Sensation! Schließlich ein Skandal. Generationen um Generationen haben unter der Knute einer rigiden Sexualmoral - verbunden mit der Beichtpflicht - leiden müssen. Jetzt äußert der „Unfehl-bare“ en passant, „im Plauderton“ bei einem Interview, wo er durchaus Schlupflöcher sieht. Keine offizielle Erklärung. Keinen Bombast, wie er sonst päpstliche Verlautbarungen umgibt. Selbstverständlich, ohne dass dieser Herr dabei „rot würde“, sich bei den Betroffenen entschuldigte. Ist das Arroganz, eine Kehrseite der Macht?

Ratzinger-Benedikt versicherte am 9.6.2005 vor Bischöfen aus mehreren Ländern des südlichen Afrika “Die Kirche war immer an vorderster Front bei der Prävention und Behandlung dieser Krankheit. Ihre traditionelle Lehre hat sich als einzig sicherer Weg (sic!) erwiesen, die Verbreitung von Aids zu verhindern.” Das wurde damals von unseren Medien kaum registriert. Sie waren großenteils noch voller Begeisterung, nun (als Deut-sche) „selbst“ Papst geworden zu sein; geschweige denn, dass man den Beweis für diese anmaßende Behaup-tung eingefordert hätte. Mit Differenzierungen, ob der römische Herr (im eigenen Namen) etwas verbietet oder den Allmächtigen dafür in Anspruch nimmt, waren die Wortführer der „öffentlichen Meinung“ von vornherein überfordert.

Auch diesen hätte die Lektüre der SOG-Papiere gut getan. In Nr. 5 des Jahres 2005 („Endlich Kurswechsel in Rom?“) wurde hervorgehoben, dass die Auffassung des Papstes keine Frage der kirchlichen Doktrin ist, son-dern eine empirische (Erfahrungs-)Frage. Die Antwort hängt davon ab: Ist sie beweisbar, wenigstens begrün-det oder nicht. In diesem Fall entscheidet die Statistik. Wodurch wird/wurde die Verbreitung von Aids am besten verhindert?

Somit geht es gegenwärtig um ein Doppeltes:

  1. Hat der Papst (s)ein „Verbot“ geändert oder gelockert? Wenn nicht: Ist er an ein „Verbot Gottes“ gebun-den? Das ist eine Frage, für die das theologische Für und Wider nicht außer Kraft gesetzt werden kann. Wer beansprucht, die richtige Antwort zu wissen, muss überzeugendere Argumente vorlegen, als sie in den vom Vatikan bemühten Enzykliken „Divini illius magistri“ (1939) und „Humanae vitae“ (1968) vorgelegt wurden.
  2. Auf welche Weise kann der „Wille Gottes“ (wenn überhaupt) erkannt werden? Nach der Lehre des I. Vati-kanum entscheidet vor allem das „innerliche Wirken des Geistes“. Es wird unterstützt durch „Wunder, Weissagungen und die Kirche“ selbst (DH 3004). Das II. Vatikanum verwies mehr auf die „Zeichen der Zeit“ (z.B. GS 4): "Im Glauben daran, dass es vom Geist des Herrn geführt wird, der den Erdkreis erfüllt, bemüht sich das Volk Gottes, in den Ereignissen, Bedürfnissen und Wünschen, die es zusammen mit den üb-rigen Menschen unserer Zeit teilt, zu unterscheiden, was darin wahre Zeichen der Gegenwart oder der Ab-sicht Gottes sind" (GS 11). Ist die Menschheitsplage Aids als Zeichen unserer Zeit zu übersehen?

cp

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„Aggiornamento“ - heute
Thema der AGP - Jahresversammlung 2011

„Einen neuen Aufbruch wagen“ so lautet das Motto des kommenden Katholikentages 2012. Die Teilnehmenden der Regionalkonferenz NRW am 17.11.2010 fanden es schon recht befremdlich, wenn nicht dreist, wie sich damit der offizielle Katholizismus den kirchlichen Aufbruch auf seine Fahnen schreibt. Haben doch vor allem deutsche Bischöfe alles getan, um einen nachkonziliaren Aufbruch zu verhindern. Auch der Dialogprozess, der jetzt seitens (eines Teils) der Bischöfe als unerlässlich beschworen wird, wurde Jahrzehnte verweigert oder nicht ernsthaft geführt. Die The-men, die nun als dringlich und aktuell aufgeführt werden, stehen bei den Reformgruppen seit 40 Jahren auf der Tagesordnung; gut begründete Lösungsvorschläge sind von ihnen erarbeitet – eine veränderte Praxis in den Gemeinden oft gegen entschiedenen hierarchischen Widerstand und un-ter persönlichen Anfeindungen und Benachteiligungen in Gang gesetzt worden.

Darum sind die AGP-Reformgruppen zu Recht skeptisch den neuen „Aufbruchs-Vertretern“ gegen-über. Sie werden sich aber einem ernsthaften Dialog nicht verweigern. Was aber sind die grundle-genden Probleme, denen sich die Kirche 50 Jahre nach dem Konzil und angesichts einer grundle-gend veränderten gesellschaftlichen und kirchlichen Situation zu stellen hat? Denn dass es nicht nur um die überfälligen binnenkirchlichen Streitigkeiten – so sehr deren schnelle Klärung notwen-dig bleibt – gehen darf, ist allen klar, die daran interessiert sind, dass Menschen auch in Zukunft den christlichen Glauben noch als eine sinnvolle Perspektive erkennen und leben können.

Ein unübersehbares „Zeichen der Zeit“ ist zumindest in Europa der Zusammenbruch des traditio-nellen kirchlichen Glaubens. Überkommene Lehren überzeugen nicht mehr; moralische Forderun-gen werden – trotz aufgeregter Kommentierungen päpstlicher Kondom-Äußerungen – nicht ernst-haft registriert; Frömmigkeitsformen gelten als lebensfremd, bestenfalls als nette Folklore. Gerade Menschen, die ein Leben Lang versucht haben, aus dem Glauben zu leben, berichten von ihren Zweifeln und Fragen, von verlorener Sicherheit – wenn überhaupt: von einem karg gewordenen Glauben.

Dieses und weitere kirchliche und gesellschaftliche „Zeichen der Zeit“ hat die Kirche in den Blick zu nehmen, wenn sie sich auf einen glaubwürdigen Dialogprozess in den eigenen Reihen und mit der „Welt“ einlassen will. Es geht nicht nur um kleine Reparaturarbeiten, nicht darum, ein besseres „Image“ der Kirche zu erreichen.

„Aggiornamento“ heute – das Thema der AGP-JV 2011 – wird also nicht der Anlass zu einem nos-talgischen und verklärenden Blick zurück auf die Zeit des Papstes Johannes XXIII. sein, als dieser das Konzil ankündigte und ihm die – bis heute unterbliebene – Verheutigung der Kirche und des Glaubens auftrug; es wird auch nicht Grund oder Aufforderung sein, sich an der Klagemauer ver-geblicher Reformbemühungen einzufinden. Das Thema soll die Teilnehmenden der Tagung dazu anregen, die „Zeichen der Zeit“ als Hinweise Gottes auf neue Wege zu entdecken, falsche Antwor-ten – etwa „panem et circenses“ in Kirche und Welt – zu entlarven und glaubwürdige und lebbare Alternativen zu entwickeln. Als Zeichen der Zeit sind natürlich nicht nur theologische und kirchliche Vorgänge zu betrachten. Vielmehr verdienen die realen, nicht zuletzt ökonomischen Lebensbedin-gungen der Gegenwart als solche Zeichen eine besondere Beachtung. Das wurde in den SOG-Papieren 2010/5+6 bereits thematisiert – natürlich bei weitem noch nicht erschöpfend behandelt.

Um uns bei der anspruchsvollen Aufgabe im nächsten Jahr zu helfen, haben wir PD Dr. habil. Ul-rich Engel als Referenten gewonnen. Der Dominikanerpater Engel leitet das Chenu-Institut in Ber-lin und hat sich in seinen Veröffentlichungen mit Fragen befasst, die uns auf der JV beschäftigen werden.

Wir laden also schon jetzt nach Heppenheim ein. Vom 13. bis 15. Juni 2011 wird uns wieder das „Haus am Maiberg“ beherbergen.

Ut

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AG Rottenburg

Besuch bei einer intakten Reformgruppe

160 Mitglieder – fast ausschließlich Priester – umfasst die Arbeitsgemeinschaft Rottenburg. 40 von ihnen waren am 15.11.2010 zur Hauptversammlung nach Wendlingen bei Stuttgart gekommen. Zum ersten Mal war ich in dieser Runde und wurde sehr freundlich als Vertreter der AGP empfan-gen. Ich sah alte Bekannte aus den Anfangsjahren der AGP wieder, lernte aber auch junge Pfarrer kennen, die sich in der AGR und in ihren Gemeinden für die Reform der Kirche einsetzen. Mein Eindruck: Der AGR ist es gelungen, die Brücke zur jüngeren Generation zu schlagen; sie hält den Kontakt zur Bistumsführung – von einem Gespräch mit dem Bischof wurde berichtet – und nimmt Einfluss auf deren Entscheidungen, hält den Kontakt zur Praxis in den Gemeinden und versucht sie – bei aller Erschwernis durch die Größe der Seelsorgeeinheiten – aus den Impulsen des 2. Va-tikanums zu gestalten. Kurzum: eine intakte Reformgruppe!

Die Gruppe diskutierte ein Thesenpapier zur aktuellen pastoralen Situation und ihren Herausforde-rungen. Diese Überlegungen werden auch im Hinblick auf den von der Bischofskonferenz angereg-ten Dialogprozess weitergeführt.

Ein weiteres Thema der HV war der Einsatz ausländischer Priester in der Seelsorge. In einem Vo-tum warnt die AGR davor, diesen Weg als Lösung des Priestermangels anzusehen, anderen Lö-sungswegen vorzuziehen oder Alternativen gar nicht erst zu diskutieren. Durch diese Haltung wer-de die kreative Gestaltung einer kooperativen Pastoral verhindert.

Atmosphäre und Intensität der Gespräche waren beeindruckend – ermutigend für einen Sprecher der AGP.

Edgar Utsch

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AGP-Dokumentation: Herausgeber und Autoren

Die Dokumentation der AGP „Dem Konzil verpflichtet – verantwortlich in Kirche und Welt“ ist im November erschienen. Die meisten AGP-Gruppen haben inzwischen unterschiedlich viele Exemplare für ihre Mitglieder bestellt und erhalten. Manche haben zu Recht das Buch als passendes Weihnachtsgeschenk entdeckt, z.B. für pastorale Mitarbeiter, engagierte Laien oder Freunde. Diese Verwendung können wir natürlich nur unterstützen und empfehlen. Einzelexemplare, aber auch größere Kontingente können zum Vorzugspreis von 16,- € bei E. Utsch bezogen werden (Adresse s. Impressum).

Versehentlich wurden die Kurzbiographien der Herausgeber auf dem Klappentext des Buches nicht abgedruckt. Obwohl sie dann in den Texten häufiger „vorkommen“ und damit ihre Funktionen innerhalb der AGP deutlich werden, wären biografische Hinweise vor allem für Außenstehende hilfreich gewesen. Vorgesehen waren folgende Angaben:

Carl-Peter Klusmann, Pfr. i.R., geb. 1934, wohnhaft in Dortmund; Mitbegründer der SOG-Paderborn; 1974–1986 (geschäftsführend) und 1991–2009 Sprecher der AGP. Seit den 70er Jahren Mitherausgeber und Haupt-Autor der SOG-Papiere.

Edgar Utsch, OStR i.R., geb. 1942, wohnhaft in Gelsenkirchen; ab 1970 Mitglied im Essener Kreis und ab 1987 dessen Sprecher. Seit 1988 Sprecher (geschäftsführend) der AGP; Mitherausgeber und Autor der SOG-Papiere.

Die Frage nach den Autoren der Texte kann in Kürze nicht exakt beantwortet werden. Für die größeren Berichte der Gruppen (3.1) sind es vorwiegend Mitglieder dieser Gruppen; einzelne kurze Darstellungen wurden von den Herausgebern verfasst. Für die erste Phase der AGP-Geschichte (2.2.2) hatte Michael Raske ei-nen ersten Entwurf angefertigt. Von den folgenden Phasen (2.2.3. bis 4) berichten die jeweils geschäftsführenden Sprecher. Kapitel 4 geht im wesentlichen auf Texte in den SOG-Papieren zurück, die allerdings z.T. gekürzt und/oder auf den neusten Stand gebracht wurden.

Für alle Texte (außer für die lediglich neu abgedruckten AGP-Erklärungen in Kap. 1) gilt: Sie wurden von den Herausgebern jeweils gegengelesen, korrigiert und in eine gemeinsam verantwortete Endfassung gebracht. Das bedeutete eine nicht geringe Mühe, der sich die Verfasser/Herausgeber unterzogen haben, weil sie der Überzeugung waren und sind, dass dieses Buch ein notwendiger Beitrag zur nachkonziliaren Geschichte ist. Es ist durchaus erfreulich, dass erste Reaktionen von Lesern der Dokumentation sie in dieser Auffassung bestätigen.

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Informationsdienst der AGP: 59071 Hamm, Soester Str. 165, Ruf (02381)880499, Fax 880431; m.krystofiak@t-online.de
Redaktion: Edgar Utsch, 45888 Gelsenkirchen, Siegfriedstr. 6, Ruf (0209)23736, Fax 1479680; E.Utsch@web.de und
Carl-Peter Klusmann, 44139 Dortmund, Kreuzstr. 68, Ruf (0231)147303, Fax 2866505; cp.klusmann@dokom.net
Die SOG-Papiere erscheinen als Beilage zu "imprimatur", 66123 Saarbrücken, Walter Gieseking-Str. 12