Theo Dierkes
Wege gegen den Priestermangel
Nur für jeden dritten Priester, der in Ruhestand geht, kommt zur Zeit einer nach. 2008 wurden bundesweit erstmals weniger als 100 Priester geweiht. Doch der Hinweis auf den Priestermangel kommt nicht von Bischöfen, sondern aus der Politik.

Endlich mal wieder setzt sich jemand ganz klar für die Gemeinden ein. Für das Interesse der einfachen Katholiken im Lande. Spricht von der "Not der priesterlosen Gemeinden" und dem "Recht" der Katholiken "auf die sonntägliche Messfeier". Peinlich, dass das nicht die Bischöfe sind, die sich für ihre Schäfchen einsetzen und nach Rom rufen: "Hilfe wir brauchen mehr Priester und müssen deswegen auch verheiratete Männer zu Priestern weihen können."

Es sind Politiker, die im Interesse der Gemeinden, der Laien in der katholischen Kirche sprechen. Die die Bischöfe auffordern: "So tut doch was!" Hier geht es also nicht darum, dass der Zölibat verurteilt oder überhaupt nur kritisiert würde - etwa im Zusammenhang mit dem Missbrauch. Nein, es geht um Wege aus dem Priestermangel und der damit verbundenen großen Krise der Gemeinden. Das ist der von den Politikern zu Recht benannte "pastorale Notstand"!

Interessant, dass gerade in dieser Woche bekannt wird, dass neun katholische Theologieprofessoren genau die gleiche Forderung schon 1970 erhoben haben. Unter ihnen Joseph Ratzinger, Karl Lehmann, Walter Kaspar und Karl Rahner. Der eine davon ist jetzt Papst, die beiden anderen sind Kardinäle. Auch sie sahen schon damals eine "notvolle Situation der Kirche" und baten die Bischöfe darum, den Zölibat auf den Prüfstand zu stellen. Und genau den gleichen Wunsch wie die neun Theologen hat das Zentralkomitee der Katholiken, das oberste Laiengremium der katholischen Laien, schon 1994 geäußert. Nichts gegen den Zölibat, aber was, wenn es keine Jungpriester mehr gibt, die ihn leben wollen?

Die acht Politiker nutzen jetzt wörtlich diese Grundlage. Nur für jeden dritten Priester, der in Ruhestand geht, kommt zur Zeit einer nach. 2008 wurden bundesweit erstmals weniger als 100 Priester geweiht. Anfang der 90er waren es noch mehr als 300. Weil aber der Priesternachwuchs fehlt, werden seit einigen Jahren Gemeinden zusammengelegt, Kirchen geschlossen und Gottesdienstzeiten gestrichen. In allen deutschen Bistümern und wie es scheint, oft ohne Rücksicht auf die Interessen der Gemeinden. Es zählt nicht die Gemeinde, nicht das Recht der Katholikinnen und Katholiken an sich. Die katholische Kirche denkt ausschließlich vom Priester her.

Die Bischöfe lassen den Vorstoß der CDU-Politiker in Watte laufen. Das sei jetzt nicht neu und nicht hilfreich, sagt der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch. Und das Thema werde im Vorfeld des Papstbesuchs nicht auf die Tagesordnung mit Rom gesetzt. Kurienkardinal Walter Brandmüller spricht von einer Beleidigung und meint, Politiker seien nicht berechtigt, zu diesem innerkirchlichen Thema überhaupt Stellung zu beziehen. Dass sieben der acht CDU-Politiker lange im Zentralkomitee der Katholiken mitgearbeitet haben, sich seit Jahrzehnten intensiv im Katholizismus engagieren und nicht als Politiker, sondern als besorgte Katholiken eine Bitte geäußert haben, übersieht Kardinal Brandmüller. Kontraproduktiv heißt es dazu aus dem Erzbistum Köln - die Laien sollten sich lieber um einen "Aufbruch im Glauben" kümmern als um den Zölibat. Ja, das ist die Haltung vieler Bischöfe: Der Kirche fehlen nicht die Priester, sondern die Gläubigen, argumentieren sie.

Gewiss ist das Zahlenverhältnis von Priestern zu Gottesdienstbesuchern heute wohl nicht schlechter als früher, und es gibt weniger Trauungen und Taufen. Sicher können die meisten Gläubigen auch weitere Wege zum Gottesdienst auf sich nehmen. Beim Einkauf geht das auch. Aber dennoch bleibt festzuhalten: Die Kirche zieht ihre Leute aus der Fläche zurück. Ist weniger präsent am Ort und verliert auf dem Weg noch mehr Mitglieder und an Kontakt.

Die ersten Verteilungskämpfe um die knappen Priester-Ressourcen sind spürbar. Und auch katholische Laien wollen nicht mehr einfach blind ihren Bischöfen folgen. Mehr und mehr verlangen sie, beteiligt zu werden an den Entscheidungen. Sie fordern Mitsprache! Und dafür stehen die acht CDU-Politiker!

Noch im November hat die Bischofskonferenz gemeinsam mit dem Zentralkomitee großspurig einen Dialogprozess angekündigt. Über alles solle geredet werden, um Wege aus der derzeitigen Kirchenkrise zu finden. Seit November ist aber nichts mehr geschehen. Es gab kein weiteres Gespräch. Die Bischöfe überlegen noch, wie dieser Dialog aussehen kann. Und da lehnt die Bischofskonferenz erst mal ab, dem Papst vor seinem Besuch in Deutschland Gedanken zur Weihe bewährter Ehe-Männer überhaupt nur vorzulegen. Was ist das nur für ein Dialog? Hirten, die die Herde lieber hungern lassen als andere, bewährte Hände mithelfen zu lassen.


© imprimatur Juni 2011
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