Irmgard Rech
Die Flucht der kirchlichen Reformgegner in den Zynismus
Warum dieser zynische Zungenschlag?

Ist das die letzte Stufe der Verweigerungstaktik und das Ende eines angekündigten Dialogs, der noch gar nicht begonnen hat? Immer mehr leitende Amtsträger flüchten sich in ihren Presseäußerungen in einen Zynismus, dessen Verletzungsgrad ihnen nicht einmal bewusst wird. Selbst der jovial freundliche Erzbischof Robert Zollitsch, der den Dialog mit den Kritikern und Reformern vorgeschlagen hat, ließ sich in einem Beitrag für die „Welt am Sonntag“ zu einer Äußerung hinreißen, die sanft daher kommen möchte, aber verächtlicher nicht sein könnte. Zu dem Reform-Memorandum der Theologen äußert er sich so: „Bei allem Wohlwollen für die Autorinnen und Autoren: Mag jemand im Ernst glauben, dass die Verwirklichung der hier aufgelisteten Reformforderungen zur erwünschten Blüte von Glauben und Kirche führt?“ Schon die höfliche Floskel am Beginn der Aussage lässt die böse Ahnung aufkommen, dass von einem wirklichen Wohlwollen im folgenden Verlauf des Satzes nicht die Rede sein wird. Die allgemein gehaltene rhetorische Frage offenbart dann die eigentliche Haltung des Erzbischofs gegenüber der Besorgnis von 265 Theologieprofessoren über den Zustand der Kirche in Deutschland. Sie ist einfach nur zynisch, nämlich spöttisch, verächtlichmachend und wegwerfend. Ehrenwerte Männer und Frauen, die in mühevoller Forschung dafür arbeiten, dass christlicher Glaube ehrlich und verantwortbar in der heutigen Welt gelebt werden kann, werden kurzerhand zu geistlichen Einfallspinzeln degradiert. Mit diesem einen Satz beweist der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, wo er wirklich steht und voran es ihm und den sich einer autokratischen Führung beugenden Bischöfen mangelt. Es fehlt ihnen immer noch, selbst nach den aufgedeckten Missbrauchsskandalen, die Sensibilität für die vielfältige Schuld, in die die katholische Kirche geraten ist aufgrund ihres Festhaltens an überkommenen Gesetzen, die sich nach heutigem exegetischen Erkenntnisstand nicht auf Jesus zurückführen lassen. Sie verharren weiterhin diesseits des Grabens, der sie als die Hardliner von den Gläubigen trennt, die durch die demokratische Weiterentwicklung sensibler geworden sind für Unrecht, Entmündigung und Missachtung der Menschenwürde. Wer das Leid und die Tränen hinter der Gesetzesfassade für unerheblich hält und ungerührt damit fortfährt, die Heiligkeit dieser Gesetze zu verkünden, der vertritt einen Glauben, der vielen Angst macht. Wenn sich junge Männer kaum mehr für den Beruf des katholischen Priesters entscheiden wollen, es aber immer noch junge Männer wie Frauen gibt, die Theologie studieren und sich in den Gemeinden engagieren wollen, dann zeigt sich darin, dass es keine Abwehr gegen den christlichen Glauben in unserer Gesellschaft gibt, wohl aber eine Ablehnung des Priesterstandes in der bisherigen Form.

Der jetzt in vielen Stellungnahmen kirchlicher Amtsträger auftauchende Zynismus erschreckt viele Laien. Sie sehen darin sowohl Hochmut als auch Hilflosigkeit. Und beides blockiere die Selbsterkenntnis und einen echten Schmerz.

Zwar redet Bischof Ackermann davon, was ihn „schmerzt“. Aber dieser Schmerz rührt nicht her vom Mitleid mit seinen überlasteten Diözesanpriestern noch von dem Leid der Priester, die am Zwangszölibat scheitern, aber Priester bleiben wollen, nicht von den versteckt leben müssenden Priesterkindern und ihren Müttern. Sein Schmerz wird verursacht von denen, die ehrliche Anfragen stellen, den offenen Dialog fordern und in den Medien die Abschaffung des Zwangszölibats fordern. „Dadurch werden der Dienst und die Lebensform wahrhaftig nicht attraktiver. Das ist auch für die Berufspastoral verheerend“, meint der Bischof in seinem Paulinus-Interview.
Kann einem der Bischof in diesem Schmerz dauern, der eigentlich im jesuanischen Sinn ein fehlgeleiteter Schmerz ist? Oder offenbart gerade er eine Einstellung, die zur Ursache der klerikalen Unempfindlichkeit für die Not- und Unrechtszustände in unserer Kirche und für ihre vielfache Schuldverstrickung wird? Wer das Verbot der Frauenordination als päpstliche Verordnung unhinterfragbar vertritt und sie als Basta-Theologie verteidigt, beweist, ihm fehlt das Schmerzempfinden dafür, dass Frauen dieses Verbot als Ausgrenzung und großes Unrecht erleben und sich in ihrer Würde verletzt fühlen. Diesen unseligen und krankmachenden Geschlechterunfrieden dann noch auf Jesus selber zurückzuführen, verunstaltet dessen Verkündigung von der Fülle der angebrochenen Gottesherrschaft. Die Unempfindlichkeit für Unheilszustände in der eigenen Kirche demonstriert auch der zynische Verweis auf die protestantische Kirche, die auch an Mitgliederschwund leide, obwohl sie Frauen im Amt hätte und obwohl ihre Pfarrer heiraten dürften.

Die Liste der kirchenamtlichen Unempfindlichkeiten lässt sich vielfach fortführen. Genannt sein soll noch die hartnäckige Verweigerung, allen den Segen vorzuenthalten, die nach einem schmerzlichen, auch schuldhaft erfahrenen Scheitern wieder einen Neuanfang in der Liebe wagen; ferner auch denen, die Zuneigung und Verantwortung zu einem gleichgeschlechtlichen Partner leben.

Unempfindlichkeit gegenüber der eigenen Schuld und dem daraus entstehendem Leid verhindert die Erkenntnis in die dringend notwendigen Veränderungen und verleitet zur Selbstgefälligkeit und eben zum Zynismus. Dieser Zynismus ist unchristlich, weil er die Reformer und die Medien angreift, und sich einen „Schmerz“ erlaubt, der sich auf die Trauer über die Infragestellung autokratisch verfügter Gesetze bezieht und nicht auf das Leiden von Menschen.

Kann ein autokratisches Kirchensystem weiterhin bestehen bleiben, während andererseits politische Zwangssysteme vom Volk gestürzt werden? Ein Journalist der SZ, der mit aufrichtiger Anteilnahme die kirchlichen Vorgänge beobachtet, gibt eine Antwort, die das zynische Vorgehen der Hierarchen so kommentiert: „Es wäre unehrlich, wenn sie (die deutschen Bischöfe) diesen Dialog offen nennen würden; das Ergebnis ist schon festgelegt von der Kurie in Rom. Es bleibt alles wie es ist. So werden die Gräben bleiben, werden die Konservativen das Verlorengehende beklagen, ohne es neu beleben zu können. Werden die Reformer in weiteren Memoranden vergebens das irgendwie Neue fordern.“ (Matthias Drobinski in der SZ v. 19./20. Febr. 2011) Damit diese Einschätzung nicht zur Unheilsprophetie wird, muss der Heilige Geist selber eingreifen, den Zynismus der geistlichen Machthaber heilen und das Kirchenvolk mitsamt seinen einsichtigen Priestern zum heiligen Aufstand ermutigen. Ansonsten werden immer mehr Menschen diese Kirche verlassen, weil sie in ihr eher einen Unheilsort als einen Ort Gottes und des Heils sehen.


© imprimatur Juni 2011
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