(Fortsetzung aus Nr. 5/ 2011)
Der Autor wendet sich an den „Joseph Bier“ unserer Glosse.
Lieber Joseph!
Frag mal bei den Leuten im katholischen Dekanat "Frankfurt am Main / Hoechst" nach, warum sie sich im September vorigen Jahres zusammengesetzt und mit großer Sorge darüber beraten haben, wie´s im Bistum Limburg unter Bischof Tebartz-van Elst weitergehen soll, der im "Forum deutscher Katholiken" mittlerweile zu ner festen Größe geworden ist, der kein Mikrophon auslässt, um über Dinge zu reden, von denen er nichts versteht, und der jetzt unter dem Motto "Bereitschaft zur Bewegung" seinen Schäflein Beine machen und im übrigen alle "Hauptamtlichen" seines Bistums in einer neuen Glaubensschule auf Vordermann/frau bringen will. Die Angst geht um, weil viele engagierte "Konzils"-Christen in Frankfurt-Höchst (einer urkatholischen Ecke!) oder bei euch im bayerischen Rauschheim spüren, dass diese NE-Krieger (NE = Neu-Evangelisierung, d. Web-Sezzer) auch vor "blühenden Biotopen" nicht zurückschrecken, wenn der Verdacht besteht, dass sich dort potentielle Gegner verstecken!
Wir hier in Lateinamerika beurteilen eure Situation schon alleine deshalb mit gehöriger Skepsis, weil wir in den 80er und 90er Jahren miterleben mussten, wie die "Söldner" Johannes Paul II. und seines engen Vertrauten Joseph Ratzinger in den als "Brutstätten des Marxismus" verteufelten Basisgemeinden ihre "Stöcke" tanzen ließen und in Hunderten von Diözesen unseres Kontinents die nach dem Konzil durchgeführte missionarische Erneuerung (!) gewaltsam rückgängig machten. Niemand schien es zu interessieren, wie viele "Tempel des Heiligen Geistes" bei den Säuberungsaktionen geschändet wurden und wie viele Menschen sich anschließend verbittert aus der katholischen Kirche verabschiedeten und in eine der zahlreichen Freikirchen abwanderten?!
Vorsicht, mein lieber Joseph, ist bei euch auch deshalb geboten, weil sich unter den NE-Trägern ein regelrechter Verfolgungswahn ausgebreitet hat. Die "Getreuen des Papstes", wie zum Beispiel die Schriftstellerin Gabriele Kuby, sehen Benedikt XVI. von ganzen "Rudeln von Wölfen" umgeben, und laut Ratzinger selbst wimmelt es in der Kirche von "Wölfen im Schafspelz"! (Denk dir nur mal, der Ackermann von der Deutschen Bank würde so was von seinem Unternehmen sagen - der Vorstand würde ihn garantiert noch heute vor die Tür setzen!). Aber, lassen wir das! Zum Schluss noch ein paar Takte zum NE-Chef Rino Fisichella, zu den angekündigten Zielen der NE, und zu den "Leistungsträgern" der NE. Drei kurze Empfehlungen hänge ich ganz hinten noch dran, weil vielleicht für Zollitsch und andere das "letzte Wort" in der Sache noch nicht gesprochen ist!
NE-Chef Rino Fisichella
Der Mann ist mir nicht nur deshalb sympathisch, weil er ein brillanter Kopf ist, sondern weil er ein gutes Herz hat. In 2009 - damals noch Leiter der "Päpstlichen Akademie für das Leben" - war er der einzige Vertreter des Vatikans, der sich offen auf die Seite der Ärzte stellte, die im brasilianischen Olinda-Recife an einem 9jährigen Mädchen eine Abtreibung vornahmen, das vom Stiefvater mit Zwillingen schwanger war. Für die katholische "Pro Vita"-Mafia, die keine Ausnahme von der Regel zulässt und für die es "vergebene Liebesmühe" gewesen wäre, Leben und Würde eines Mädchens zu verteidigen, das "sowieso schon versaut" ist, war Rino Fisichella ab sofort "untragbar" geworden. Man ekelte ihn raus. Der Liechtensteiner Josef Seifert, Mitglied der päpstlichen Einrichtung, erklärte offen, dass man künftig auf keinen Fall den Fehler begehen dürfe, Fisichella ins verantwortungsvolle Amt eines Diözesanbischofs zu berufen, weil er dazu nicht tauge!
Nun ist also Rino Fisichella - der "Mann, dem man nicht über den Weg trauen kann" - Chef des von Ratzinger letztes Jahr eingerichteten "Ministeriums für die NE" geworden. Du kannst Gift darauf nehmen, lieber Joseph, dass die Scharfmacher des Vatikans, die in ihrer Freizeit wollüstig "Löcher in die Verhüterli reinreden" und jetzt auch im NE-Management den Ton angeben, den armen Fisichella erneut vor die Tür setzen werden. Mit anderen Worten: es ist diesen Leuten völlig egal, ob der ehemalige Universitätsrektor Fisichella oder der Südtiroler Plattenleger Wiangschmoiz bei der NE den Chef spielt, weil der Chef sowieso nichts zu sagen hat, und wir alle ganz, ganz langsam zu ahnen beginnen, worauf diese NE letztlich hinausläuft.
Die Ziele der NE
Erstens: die Rettung des christlichen Abendlandes. Papst und Kirche sollen wieder zu den alles entscheidenden Kräften des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens werden. Sie sollen den Lauf der Geschichte bestimmen und unter der Kirche als "Weltgerichtshof" soll das christliche Europa wieder zum "Maß aller Dinge" werden!
Joseph, wir brauchen kein "Abendland" hier auf den Hinterhöfen der Weltkirche. Leute, die uns mit "Abendland" kommen, jagen uns Angst ein. Denn wir erinnern uns auch nach 500 Jahren noch sehr gut an das Zerstörungswerk, das von geistlichen und weltlichen Repräsentanten des christlichen Abendlandes in Lateinamerika und anderswo angerichtet wurde - an die Ausrottung ganzer Völker, an die Vernichtung Tausender Sprachen (knapp über 1.700 allein hier in Brasilien! Die Azteken nannten die christlichen Eindringlinge POPOLOCAS, Barbaren, und die byzantinische Prinzessin Anna Komnena sagte von den Plünderern Konstantinopels: "Sie sind ungebildete, kriegslüsterne Barbaren, die sich weder mit der byzantinischen noch mit der arabisch-islamischen Intelligenz messen können. Rom ist Babylon. Rom ist die Mutter aller Sünden". Wir wissen zwar, dass der Vatikan mit seinem Latein noch lange nicht am Ende ist, aber irgendwann müsste es sich auch dort herumsprechen, dass seit Jahrtausenden rund um den Erdball Menschen stolz und selbstbewusst auf Urdu, Mandarin und Bemba über "Gott und die Welt" reden und nach dem Sinn des Lebens forschen! Genau genommen haben wir ja noch gar nicht begonnen, "Weltkirche" zu sein, auch wenn Papst und Bischöfe ständig vor "nationalen Alleingängen" in Fragen warnen, die "weltkirchlich" entschieden werden müssten! Weltbischofssynoden wie die, die für den Herbst 2012 einberufen wurden, dienen erfahrungsgemäß nur dazu, vorgefasste Beschlüsse der Kurie "abzusegnen"! Ein sehr zynisches Procedere, das von den "Schlitzaugen", von den "Negern" und von den "Latinos" zwar schweigend hingenommen, aber - wie mir hiesige Bischöfe oft "beichteten" - als sehr, sehr demütigend empfunden wird.
Zweitens: ein Bollwerk gegen die "Diktatur des Relativismus" errichten. Im Dialog mit den anderen großen Weltreligionen soll fortan nichts mehr "klein geredet" werden. Zugeständnisse werden nicht mehr geduldet, und der Opus-Dei-Theologe Martin Rhonheimer hat uns jüngst ohnehin deutlich gesagt, dass "Dignitatis humanae", die illustre Erklärung des 2. Vatikanischen Konzils über die Religionsfreiheit, "lehramtlich" unter der Enzyklika "Quanta Cura" des seliggesprochenen Antisemiten Pius IX. anzusiedeln ist. Joseph, es ist unglaublich, wie skrupellos der Vatikan mit Geschichtsfakten umgeht. In keiner anderen Institution wird so massiv manipuliert und werden verbrecherische Aktionen so eilfertig in ein "Mäntelchen des Schweigens" gehüllt, wie in unserer Kirche. Die größten "Diktatoren des Relativismus" sitzen - angeführt von Benedikt XVI. - in der römischen Kurie. Und wenn es noch eines Beweises für den manipulativen Umgang des Vatikans mit der Wahrheit bedurft hätte, wurde er dieser Tage von Kardinal Brandmüller geliefert. Er sagte: "Wo die Inquisition zum Tode verurteilte, richtete sie das Vergängliche hin, um das Unvergängliche zu retten". Erinnert das nicht an die niederträchtige Behauptung der ehemaligen amerikanischen Außenministerin Condolenza Rice, dass die USA durch den Irak-Krieg den Anstoß zur Demokratie-Bewegung in der arabischen Welt gegeben hätten, und heute zutiefst bedauerten, dass die 650.000 Toten des Krieges, das alles nicht mehr miterleben dürften!
Drittens: eine sanfte Liturgiereform - Reform der Reform. Halten wir gleich fest: "sanft" kann es ja nicht gerade genannt werden, wenn bei Papstmessen jetzt den Gottesdienstteilnehmern die Hostie wieder ungefragt einfach auf die Zunge gedrückt wird. Wer ahnungslos die Hand hinhält, wird übergangen oder von den Ordnungshütern in St. Peter auf die Knie gezwungen! Fast täglich bekommen wir von irgendeinem "Auftragsredner" des Papstes zu hören, dass die Zeit der "Formlosigkeit" und der "Spielereien" in der Liturgie vorbei ist, wo "endlos geschätzt" wird und wo Laien geradezu süchtig auf ihre "Viertelstunde Ruhm" warten, wenn sie in der Messe die Fürbitten lesen oder die Kommunion austeilen.
Die Zukunft des Glaubens und der Kirche, so sagt man, hänge von der Liturgie ab, und weil die Reformen nach dem Konzil allerorten "Menschenwerk" (was denn sonst!) gewesen seien, müssten nun in der alten lateinischen Liturgie wieder der kosmisch-mystische Charakter der Messe entdeckt und gepflegt werden. Gut, dass B 16 die Pius-Brüder und andere "nützliche Idioten" hatte, um den tridentinischen Rahmen für die NE-Liturgie zu rechtfertigen! Blind sind wir ja nun wirklich nicht!
Viertens: Den Weltkatechismus von 1992 als "oberste Glaubensquelle" durchsetzen. Denn in ihm hat Joseph Ratzinger in seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation nicht nur das gesamte Lehrgut der Kirche zusammengefasst, sondern auch - wie er behauptet - Anregungen aus aller Welt eingearbeitet. Frag mal südamerikanische oder asiatische Bischöfe, was sie von ihren Vorschlägen im Weltkatechismus wiederentdeckt haben oder versuch mal herauszufinden, was aus so großartigen Werken der Nachkonzilszeit wie dem "Holländischen Katechismus" von den Autoren des Weltkatechismus übernommen wurde?!
Die Offenbarung, mein lieber Freund, ist ja inzwischen laut Ratzinger abgeschlossen. Die Welt steckt zwar noch voller Rätsel und Hunderttausende von Naturwissenschaftlern sind noch immer den Geheimnissen des Alls auf der Spur, in Rom aber heißt es, dass Gott alles gesagt hat, was zu sagen war und dass er jetzt sozusagen in den Ruhestand gehen könne. Außerdem wird man ihm noch mitteilen müssen, dass er künftig nicht mehr seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen darf, d.h. auf "krummen Linien gerade zu schreiben" - eine Anordnung übrigens, die schon länger fällig war, weil im Weltkatechismus nichts vom "Schreiben auf krummen Linien" steht! Wie einfach, wenn man nach Abschluss der NE allen auskunftsuchenden Menschen nur sagen braucht: Nachschlagen, Weltkatechismus S. 123 bis 131, noch ne Frage?!
Die Träger der NE
Zu den "Elite-Einheiten" der NE werden auf jeden Fall die Männer, Frauen und Jugendverbände des Opus Dei, des Neokatechumenats, des Werkes, der Legionäre Christi, des Forums deutscher Katholiken und der zahllosen anderen fundamentalistischen Gruppierungen gehören. Sie prophezeien uns eine Kirche der "kleinen Herde", wo jeder gehen kann, wenn´s ihm nicht passt. Sie sind bis an den Kragen vollgestopft mit "Feindbildern" und es vergeht schon jetzt in dieser Vorbereitungsphase zur NE kein Tag, an dem sie nicht die "Rüstung der Apologetik" (Tagespost) anlegen. Sie halten dich und mich für "Katholiken mit schweren Strickfehlern", für Christen, die eigentlich ganz von vorne anfangen müssten, um der ewigen Seligkeit nicht verlustig zu gehen! Wenn du, wie Margarete und ich zum Beispiel, glaubst, du gehörtest nach wie vor zur Familie deiner im Neokatechumenat (NK) eingewurzelten Verwandten, dann musst du dir sagen lassen, dass "Familie" für sie der spanische NK-Gründer Kiko und die 1,2 Millionen anderen Mitglieder der Bewegung sind. Sie alle werden bei der bevorstehenden NE auf uns losgelassen und üben in einigen mir gut bekannten Pfarreien in Deutschland schon eifrig für den "Ernstfall". Ob in Japan (wo´s zwischen dem NK und den dortigen Bischöfen zuletzt wegen des berüchtigten Kultur-Snobismus der Sekte gewaltig krachte) oder in europäischen Ländern - wir müssen uns, wenn sie denn wirklich stattfinden sollte, auf eine NE vorbereiten, bei der die "Fetzen fliegen" werden!
Drei kurze Empfehlungen
Erstens: Bevor die NE-Fanatiker weiteres Unheil anrichten, Gemeinden und Bistümer spalten und gegen katholische Bildungseinrichtungen und Religionslehrer polemisieren (nur um ein "Heimspiel" zu erzwingen, bei dem allein der Papst und die Kurie die Regeln auf dem Platz bestimmen!), sollte man mal das wunderschöne Buch der österreichischen Pazifistin Bertha von Suttner (1843-1914)- "Die Waffen nieder!" - zur Hand nehmen. Wir werden uns, lieber Joseph, unter gar keinen Umständen für einen "religiös eingefärbten Kulturkampf" rekrutieren lassen. Mein Vorschlag: blast diese ganze Neu-Evangelisierung ab! Sie ist sowieso eine Fehlgeburt! Diesmal haben mir die deutschen Bischöfe aus dem Herzen gesprochen, als sie im Frühjahr 2011 in Paderborn daran erinnerten, dass sich "von Barrikaden herunter schlecht miteinander reden lässt"! Ihre Feststellung verlangt geradezu nach einer "Auszeit"!
Zweitens: Richtig liegen die Bischöfe zweifellos auch mit ihrer Empfehlung, "wir müssten miteinander in Exerzitien gehen". Warum nicht aber für unsere Oberhirten erstmal exklusiv ein "gruppen-therapeutisches Trainingslager" organisieren, so wie jenes, das sie Ende der 90er Jahre großzügig mit über 200.000 DM für die untereinander zerstrittenen sudanesischen Bischöfe finanzierten?! Meinst du nicht auch, dass unsere deutschen Bischöfe zwischendurch ruhig auch mal an sich selber denken und davon träumen dürfen, irgendwann mal wieder den "größtmöglichen gemeinsamen Nenner" untereinander zu finden?! Tausende von derzeit tief frustrierten Katholiken würden in hellen Jubel ausbrechen!
Drittens: Zum Schluss, so finde ich, sollten wir bei allen unseren missionarischen Initiativen nie vergessen, dass vor allem unser persönliches Zeugnis "Bände" spricht und Mitmenschen veranlasst, sich in unserer Glaubensgemeinschaft eine neue "Heimat" zu suchen. Ich bin sicher, mein Freund, absolut sicher, dass die Frauen und Männer von DONUM VITAE, die in katholischen Pfarreien nicht mehr sammeln und in katholischen Kirchen keinen Dankgottesdienst mehr abhalten dürfen (welch ein Skandal!), mehr Sympathisanten für unseren Glauben gewonnen haben als alle gott-verdammten Heuchler zusammen, denen es einzig und allein darauf ankommt, den "Schein" zu wahren. Ich möchte hier gar nicht wissen, wie viele ehrliche Katholiken damals unserer Kirche zornig den Rücken kehrten, als die deutschen Bischöfe sich von Johannes Paul II. breitschlagen ließen, statt der ohne "Verfallsdatum" vor Jahren geäußerten Ansicht Ratzingers zu folgen, dass unser Gewissen über dem Papst steht und unsere stärkste Waffen gegen den Totalitarismus ist! Wer neu-evangelisieren will, hat mit einem "guten Beispiel" immer die besten Chancen, einen kirchenfernen Nachbarn über den Gartenzaun hinweg aus der Reserve zu locken!
Ganz herzliche Grüße aus Südbrasilien gehen heute an dich, lieber Joseph, an deine Frau, an die Leute vom Stammtisch sowie an das Redaktions-Team von "imprimatur"!
Euer Horst Hohmann, Curitiba/Brasilien
(Horst Hohmann ist kirchlich engagierter Journalist. Im Ruhestand. Vor sechs Jahren mit seiner Familie von München nach Curititiba/ Südbrasilien umgezogen - aber irgendwie doch in der ganzen Welt zuhause. Katholisch im besten Sinne des Wortes.)
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