Die Glosse

Rauschheim, am Vatertag 2011

Lieber Sepp,

mit Männern, die wo sich selber so gut gefallen wie der Kardinal Marx, mit denen hab ich keine guten Erfahrungen gemacht. Solche Leute spielen den Chef und geben Dir das Gefühl, dass Du eine arme Wurst bist. Und wenn der Marx eine Forderung seiner Diözesanen nicht mehr so einfach aus der Welt schaffen kann, fängt er an, mit sich selber zu reden: „Erzbischof, daran musst Du mit uns arbeiten.“ Nein, das sagt kein anderer zu ihm. Er selber tritt quasi vor sich hin, und redet sich selbst an, wie er will, dass die Schafe sich an ihn, ihren Oberhirten, wenden sollen, nämlich, auf keinen Fall wie an einen hundsge wöhnlichen Bischof, nein, wie es einem „Erzbischof“ zusteht.

Wenn man das Interview in der Süddeutschen liest und betrachtet sich dabei das mordsmäßige Foto dazu, geht es unsereinem schlagartig auf, so auftrumpfend wie der redet, lässt der sich auch fotographieren. Als Hobbyfotograph achtet man auf so was. Der Knipser muss unten links vor ihm gekniet haben, sonst gäbs den Effekt nicht, dass hier einer das Wort ergreift, der über allen und allem steht, und wenn ihm jemand widersprechen tät, beging der Majestätsbeleidigung.

Also Sepp, und der ist unser münchener Kardinal! Er scheint es völlig in Ordnung zu finden, dass einer vor ihm auf den Knien liegt, vielleicht vom Ringkuss her, der wo ja auch knieend vollstreckt wird. Ein normaler Mensch, sogar ein Politiker, würde einen Kerl zum Teufel jagen, der sich vor ihn hinknien tät, und dann noch mit einer Kamera in der Hand. Als KAB-Mitglied und Vorsitzender von unserem katholischen Heimwerkerverein bin ich ja von der Fronleichnamsprozession, bei der ich zig mal den Himmel getragen habe, an allerhand Pomp gewöhnt. Aber den sieht unsereiner irgendwie noch ein, schließlich wird der Herrgott selber durchs Dorf getragen, aber wieso muss der Marx zu einer Diskussion mit seinen Diözesanen über die Gemeindereform in einer solchen Kluft erscheinen: Eine ritzerote Bauchbinde und ein rabenschwarzer Talar. Wenn Du in Rauschheim z. B. dein Haus so krass anstreichen tätst, würden die Leut Dich für nicht ganz dicht halten. Am stärksten irritiert mich, wie gesagt, dass der Marx von schräg unten fotographiert ist, wodurch sein Kardinalskopf ganz in den Goldwirbel eines hinter ihm hängenden Bildes vom Himmel gehoben scheint. Man soll wohl glauben, Gott selber tät in Marx von seiner Glorie her zu den Menschen sprechen. Ich wüsst gern, was Jesus von dem Auftritt hält oder auch nur der ehemalige Bischof Dom Helder aus Brasilien, von wo der Horst mir spannende Briefe schreibt, oder der frühere Bischof Kamphaus, den wo ich mal bei einer Lahnreise mit dem Pensionärsverein im Limburger Dom erlebt hab. Ein Mensch wie Du und ich.

Sepp erinnere Dich, wie fromm und kirchengläubig wir zwei erzogen worden sind. Unsere Mütter haben uns fast täglich zur Meß geschickt, dann waren wir beide Meßdiener, und schließlich war ich im katholischen Handwerkerverein aktiv. Für mich stand fest, ich gehe wohlversehen mit den Sterbesakramenten in die ewige Heimat, den Himmel, ein. Und jetzt das! Du Schlawiener, hast Dich ja früh durch die Gewerkschaft von der Kirch entfremdet, und ich Esel hab immer gemeint, ich müsst Dich bekehren. Jetzt gerat ich selber ins Stolpern. Hoffentlich merkt meine Frau nicht, was mit mir los ist.

Bis zum Stammtisch am Donnerstag,

Dein Joseph, der kirchlich schwer verunsichert ist.

P.S.: Auf den Einwand, „es fehlen Anreize für Frauen, sich in der Kirche zu engagieren“, kriegen alle diese Frauen von ihm eine Watschen: „Welcher Anreiz sollte das sein? Du kannst Kardinalin werden?“ Das ist Ehrabschneidung! Sein Titel ist ihm für Frauen zu schade! Also, ich nehme dem Marx eher so eine Biertischparole ab wie „Glauben und Kirche sind kein Gemischtwarenladen“ oder seine Verkündigung als Trierer Bischof: „Die Kirche ist keine Wurstfabrik“. Basta!


© imprimatur Oktober 2011
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