Erste Bilanz der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche zum Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI.
- Aufruf zur Ökumene: „Tun, was uns eint!“
- Vormoderner Kern der Rede im Bundestag
- Rede von Gott darf nicht zur Ablenkung werden


Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche appelliert zum Ende des Deutschlandbesuches von Papst Benedikt XVI. an alle Christinnen und Christen, den Weg des Dialoges entschlossen weiter zu gehen und gemeinsam den Herausforderungen der Zeit in christlicher Hoffnung zu begegnen. Das Motto „Einen neuen Aufbruch wagen“ des Mannheimer Katholikentages im kommenden Jahr sollte Leitschnur angesichts der aktuellen kirchlichen und gesellschaftlichen Krisen sein, die nur gemeinsam bewältigt werden können.

Aufruf an alle Gemeinden zur Ökumene: „Tun, was uns eint!“

Angesichts der herben Enttäuschungen bei der Ökumenischen Begegnung des Papstes in Erfurt ruft Wir sind Kirche alle katholischen und evangelischen Gemeinden dazu auf, sich ökumenisch zusammenschließen und „tun, was uns eint!“. Die Gemeinden in Deutschland sollten die seit fast 500 Jahren andauernde unsägliche Spaltung der Christenheit für sich als beendet erklären und dem Beispiel der Bruchsaler Kirchengemeinden folgen, die festgestellt haben: „Wir erachten den Willen Jesu Christi, dass alle eins seien, als gewichtiger als alle theologischen und kirchenpolitischen Überlegungen und Fragestellungen und wissen uns der Überzeugung verpflichtet, ihm mehr gehorchen zu müssen als den Menschen.“

Die atmosphärisch freundliche Begegnung im Erfurter Augustinerkloster kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass von diesem Papst keine weiteren Impulse zu erwarten sind, obwohl er bei seiner Wahl zugesagt hatte, sich für konkret sichtbare Zeichen der Ökumene einzusetzen. Die anerkennenden Worte von Papst Benedikt für Martin Luthers Fragen nach einem gnädigen Gott, die heute genauso aktuell sind, sind sicher bemerkenswert. Doch die Anfragen Luthers an Papsttum und Kirche sowie der Anteil der römischen Kirche an der damaligen Kirchenspaltung wurden vom Papst mit keiner Silbe erwähnt.

Die römische Kirchenleitung hat in den Jahrzehnten der theologischen Annäherung durch Rechthaberei, Zurückweisungen und offiziellen Blockaden jeden Vertrauensvorschuss verspielt. Die große Mehrheit der Gläubigen kann und will den starren Argumentationen aus Rom einfach nicht mehr folgen. Seit Erfurt ist es deshalb für alle auf den Namen Jesu Christi Getaufte Recht und Pflicht, nicht mehr auf weitere Schritte der Kirchenleitung zu hoffen, sondern dem eigenen Gewissen zu folgen. Es ist Zeit, die eine Gemeinde, die eine Kirche Jesu Christi auszurufen, die wir längst sind, und zu „tun, was uns eint!“. Papst Benedikt ist zu fragen, warum er die einzigartige Chance für die Ökumene mit den Kirchen der Reformation nicht wirklich genutzt hat.

Vormoderner Kern einer modern argumentierenden Rede im Bundestag

Bei seiner Rede im Deutschen Bundestag mag es dem Papst mit der Erwähnung der ökologischen Bewegung gelungen sein, auch manche Kritiker für sich einzunehmen. Der mehrfache berechtigte Verweis auf die Menschenrechte bleibt allerdings so lange unglaubwürdig, solange sich die katholische Kirche nicht selber voll und ganz zu den Menschenrechten bekennt und diese auch in der eigenen Kirche verwirklicht. Seine intellektuell anspruchsvolle Rede ließ vergessen, dass seine Vorgänger noch vehement gegen die Gewissens- und Meinungsfreiheit gekämpft hatten. Und sie verschwieg geflissentlich, dass es nur noch der Heilige Stuhl bzw. der Vatikan und Weißrussland sind, die die europäische Menschenrechtskonvention noch nicht unterzeichnet haben.

Der Papst akzeptiert den eigenständigen Stellenwert des Gewissens ohne jeden Vorbehalt, aber er bindet es ebenso vorbehaltlos an objektive, vorgegebene Normen, die Sexualität etwa an die Zeugung von Nachkommen. Genau darin liegt der vormoderne Kern seiner modern argumentierenden Rede. Wird es dem päpstlichen Diskurs gelingen, sich das Wort von der Bewahrung der Natur für seine eigenen Vorstellungen anzueignen, so dass bei diesem Wort jeder an das katholische Naturrecht denkt? Versucht der Papst etwa, das Bild vom aufgerissenen Fenster seinem Vorgänger Johannes XXIII. zu entwinden, sodass es nicht mehr vom frischen Kirchenwind, sondern vom Gehorsam gegenüber höheren Normen kündet? Benedikts Botschaft: „Wo Gott ist, da sind klare Normen.“

Für die Kenner von Ratzingers Schrifttum hörte man kaum Neues. Ein pessimistischer Grundton prägte seine Gedanken. Papst Benedikt, der seine Akzente bewusst setzt, hat in Erfurt seine Berliner Rede fortgesetzt, statt zur Ökumene Stellung zu nehmen und weiterführende Wege z.B. im Hinblick auf das Jahr 2017 anzudeuten. Ökumenische Schritte haben nichts mit politischem Kalkül zu tun, wie der Papst unterstellt. In Berlin hat er gesagt, der Mensch mache sich nicht selbst. In Erfurt hat er erklärt, der Glaube sei nichts Selbstgemachtes. Anders gesagt: geändert wird nichts.

Die Rede von Gott darf nicht zur Ablenkung von der Kirchenkrise werden

Vor diesem Papstbesuch hat es keine überzogenen Erwartungen an Joseph Ratzinger gegeben. Man weiß, dass er seit fast 30 Jahren in Rom Verantwortung für die Weltkirche innehat: zunächst als Präfekt der Glaubenskongregation und seit gut sechs Jahren als Papst Benedikt XVI. Doch dass er jetzt als Papst so wenig Bereitschaft zeigte, die auch vom Bundespräsidenten deutlich angesprochene innerkirchliche Krisensituation wenigstens zur Kenntnis zu nehmen und zur Weiterführung des von den Bischöfen begonnenen Gesprächsprozesses zu ermutigen, ist alarmierend. Stattdessen erteilte der Papst in seiner Predigt im Berliner Olympiastadion allen selbstgemachten „Kirchenträumen“ eine deutliche Abfuhr.

So richtig es sein mag, die zunehmende Abwesenheit Gottes im Bewusstsein der Menschen zu beklagen: Die Rede von Gott darf nicht zur Ablenkung von den innerkirchlichen Krisen und Problemen werden. So richtig sein Verweis auf eine geistliche Erneuerung des Glaubens ist: Auch die kirchlichen hierarchischen Strukturen predigen und müssen deshalb immer wieder an der Botschaft Jesu Christi gemessen werden. Besonders schmerzhaft werden viele Katholikinnen und Katholiken es vermissen, dass der Papst keinerlei Hoffnung für neue pastorale Wege z.B. für wiederverheiratete Geschiedene gemacht hat, für die sich zuletzt auch Erzbischof Zollitsch eingesetzt hatte.

Das übervolle Programm mit 17 Ansprachen und Predigten des Papstes war eine respektable Leistung des Papstes, doch leider kein Programm des Dialoges. Bei aller persönlichen Bescheidenheit zeigte diese Reise sehr deutlich den religiösen, moralischen und auch politischen Machtanspruch, den die römisch-katholische Kirche trotz dramatisch sinkender Mitgliedszahlen auch weiterhin vertritt. Das Treffen mit den Bundesverfassungsrichtern im Freiburger Priesterseminar wirft die Frage nach der rechtlichen Stellung und dem Machtanspruch des Papstamtes auf: als Repräsentant des „Heiligen Stuhls“, als Staatsoberhaupt des Ministaats Vatikanstadt sowie als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche.


© imprimatur Dezember 2011
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