Die Glosse
Rauschheim, in der Fastenzeit
Lieber Joseph, ich schreibe Dir als Gewerkschafter, der Erfahrung darin hat, wie man mit Leuten umgehen muss, die über unsereinen bestimmen wollen, die Dich wie ein unmündiges Kind von jeder wirklichen Mitbestimmung auszuschließen versuchen. Ich sag Dir meine Meinung frei von der Leber weg: Die Bischöfe, vor allem der Zdarsa von Augsburg, führen sich auf, als wie wenn wir vom Kirchenvolk die baren Esel in Glaubensdingen wären. Nach dem seiner Auffassung sind wir wirklich die Schafe und er der Hirt. Alles wäre erst in Ordnung, wenn wir schafsköpfig „mäh“ sagen und ihm nachtrotten täten.
Tatsächlich ist der Zdarsa, einer der kuriosen Typen unter den deutschen Bischöfen. Für den ist Demokratie ein Schimpfwort. Im Donaukurier droht er: „Die Kirche ist keine Demokratie“! Damit lässt er die Katze aus dem Sack! Für ihn ist die Demokratie ein Schreckgespenst wie für unsere Altvorderen die Pest. In einem hat er allerdings Recht. Wie die Pest den Leuten damals ans Leben ging, so wäre Demokratie in der Kirche das Ende der Ämterhierarchie.
Der Knüller ist, dass so ein Antidemokrat heutzutage zuständig ist für die Modernisierung der Seelsorge in einem ganzen Bistum. Joseph, der fährt die Diözese Augsburg gegen die Wand. Irgendwie erinnert der mich an den Kapitän Schettino von der Costa Concordia.
Das ist so ein Fall, wo ein Gewerkschafter sagt, jetzt sind die schärfsten Waffen gefordert. Da nützt kein Reden mehr. Man soll um Himmels willen nicht dem seinen Schallmaien von einem „vernünftigen und respektvollen Dialog“ trauen. Was hält der für „vernünftig“, und wer verdient bei dem „Respekt“? Doch nicht der Laie!
Zdarsa verbietet Wortgottesdienste und fordert den Messtourismus. Seine Begründung: „zum Baumarkt fahren die Leute auch mal 30 Kilometer – warum nicht auch zur Kirche?“ Hätt der Zdarsa nur einmal sonntags in der Messe den Gottesdienstbesuchern ins Gesicht geschaut, dann hätt er gesehen: Es sind hauptsächlich die älteren Frauen, die noch zur Sonntagsmesse kommen. Sie sind vif. Aber wie viele von den alten unter ihnen haben den Führerschein? Wen soll die Oma anhauen, dass er sie in der Gegend herumkutschiert. Es bleibt für die alten Frauen nichts anderes, als sich daheim hinzusetzen und den Rosenkranz zu beten und auf alle Begegnungen, wie sie der Gottesdienst mit sich bringt, zu verzichten. Der Wortgottesdienst ist kein bloßer „Notbehelf“! Man trifft sich im Wortgottesdienst wie früher im Tante-Emma-Laden und erlebt mit Freunden und Bekannten eine wohltuende Zusammengehörigkeit.
Joseph, ich behaupte: So ein Wortgottesdienst von einem tüchtigen Mann, eine Frau könnts vielleicht noch besser, bindet die Gemeinde stärker zusammen als wie eine lieblos runtergelesene Messe von einem angereisten, abgehetzten Priester. Und der Zdarsa verbietet Wortgottesdienste, als wie wenn er den glimmenden Docht des Gemeindelebens mutwillig austreten wollt.
Es grüßt Dich Dein alter Messdienerkollege, der Sepp, dem seine Anhänglichkeit an die Kirche angesichts solcher Zdarsas schwer zu schaffen macht.
P. S.: Mit dem Umarmen der Kirche, dieser Liebeserklärung, hat „heute Kirche sein“ eine gewitzte Initiative ausgegrübelt. Die Leute sollen nicht Proteste in die Gegend brüllen, Transparente schwenken, sondern ganz gesittet den lieben Gott anflehen: „Christus, Grund unserer Hoffnung, befreie uns von Hierarchiedenken und Machtansprüchen…“ Das ist der Beginn eines der Gebete bei der Umarmung. Und aus dem Kirchturm läuten dabei alle Glocken. Wie soll sich da ein Zdarsa gegen die 25000 Gläubigen wehren, die am 2. Fastensonntag ihre Kirche umschlungen haben? Dieser Schachzug beweist, wie viel taktisches Kalkül „heute Kirche sein“ einsetzt. Das bringt Erfolg! Das hat Gewerkschaftsniveau! Alle Achtung!
Soeben kommt noch die Nachricht: Der Zdarsa droht den Dekanen, die die Aktion von der Kirchenumarmung unterstützt haben, mit dem Rauswurf aus ihrem Amt. Damit verschafft der Zdarsa selber den Auftrieb für die Rebellion, er befeuert sie. Jeder, der wo das als christkatholischer Gewerkschafter sieht, spuckt sich zu neuen Taten in die Händ.
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