Erhard Bertel
Wer wird gerettet?
Einige, viele oder sogar alle?
Man darf sich nicht täuschen: die Vitalität des Papstes B XVI ist durch sein Alter von 85 Jahren noch nicht gebremst. Auf seinem Schreibtisch scheinen sich Vorgänge anzuhäufen, die er auf jeden Fall noch abarbeiten will.
Da ist einmal die Gruppe der Pius-Brüder, die er vor einer Abspaltung von der römischen Kirche bewahren möchte. Oder ist es umgekehrt, dass diese den Papst vor einer Abspaltung ihrer Kirche bewahren möchten? So sehr findet sich B XVI mit diesen Pius-Leuten in der tridentinischen Liturgie verbunden, dass er vielleicht doch akzeptieren kann, dass diese in Fragen von Ökumene, Religionsfreiheit und einigen anderen Fragen ihren eigenen Weg in der Großkirche gehen dürfen. Darüber werden die kommenden Wochen Aufschluss bringen. Was die Liturgie angeht, hat er noch ein Angebot an die Abweichler.
Die deutschen Bischöfe erhielten am 14.04.12 diesen Brief:
„Exzellenz! Sehr geehrter, lieber Herr Erzbischof!
Bei Ihrem Besuch am 15. März 2012 haben Sie mich wissen lassen, dass bezüglich
der Übersetzung der Worte „pro multis“ in den Kanongebeten
der heiligen Messe nach wie vor keine Einigkeit unter den Bischöfen des
deutschen Sprachraums besteht. Es droht anscheinend die Gefahr, dass bei der
bald zu erwartenden Veröffentlichung der neuen Ausgabe des „Gotteslobs“
einige Teile des deutschen Sprachraums bei der Übersetzung „für
alle“ bleiben wollen, auch wenn die Deutsche Bischofskonferenz sich einig
wäre, „für viele“ zu schreiben, wie es vom Heiligen Stuhl
gewünscht wird. Ich habe Ihnen versprochen, mich schriftlich zu dieser
schwerwiegenden Frage zu äußern, um einer solchen Spaltung im innersten
Raum unseres Betens zuvorzukommen.“
Der Papst erläutert dann, wie es zur derzeit üblichen Übersetzung im deutschen Sprachraum gekommen ist, nämlich: „für alle“ sei das Blut vergossen worden. Diese Auffassung der Übersetzung sei heute abgebröckelt und als richtig werde jetzt empfunden: „für viele“.
„An die Stelle der interpretativen Auslegung „für alle“ muss die einfache Übertragung „für viele“ treten“, so dekretiert jetzt der Papst.
„Zunächst sollte es für uns, die wir an seinem Tische sitzen dürfen, Überraschung, Freude und Dankbarkeit bedeuten, dass er mich gerufen hat, dass ich bei ihm sein und ihn kennen darf. „Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad' in seine Kirch' berufen hat ...“. Dann ist dies aber zweitens auch Verantwortung. Wie der Herr die anderen – „alle“ – auf seine Weise erreicht, bleibt letztlich sein Geheimnis.“
Er fährt am Ende seines Briefes fort:
Mit alledem wollte ich die inhaltlichen Grundlinien der Katechese andeuten,
mit der nun so bald wie möglich Priester und Laien auf die neue Übersetzung
vorbereitet werden sollen. Ich hoffe, dass dies alles zugleich einer tieferen
Mitfeier der heiligen Eucharistie dienen kann und sich so in die große
Aufgabe einreiht, die mit dem „Jahr des Glaubens“ vor uns liegt.
Ich darf hoffen, dass die Katechese bald vorgelegt und so Teil der gottesdienstlichen
Erneuerung wird, um die sich das Konzil von seiner ersten Sitzungsperiode an
gemüht hat.“
Reaktionen auf den Papstbrief:
Bischöfe im deutschen Sprachraum begrüßen das Schreiben von Papst Benedikt zu den Kelchworten bei der heiligen Messe. „Der Brief bietet eine Klärung und ist der Abschluss einer Diskussion“, schreibt Erzbischof Robert Zollitsch in einer ersten Reaktion. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz lobt die „argumentative Sorgfalt“ des Papstbriefs: Er sei „eine Art Katechese über das rechte Verständnis des Kelchwortes“. Wörtlich schreibt Zollitsch: „Für die deutschen Bischöfe ist dieser Brief ein wichtiger Impuls, die Übersetzung des Messbuches zügig voranzubringen.“
In Wien erklärte Kardinal Christoph Schönborn, die Kirche wolle in den liturgischen Texten wieder „eine größere Nähe zu den in der Bibel überlieferten Worten Jesu Christi“ erreichen. Der Papst betone, dass Jesu Wort „für viele“ „unmittelbar für die vielen gilt, die gerade die heilige Messe feiern“. Der Vorsitzende von Österreichs Bischofskonferenz fährt fort: „Diese ‚viele' trifft eine besondere Verantwortung für alle, denn Jesus Christus ist für alle gestorben und hat damit die Erlösung der gesamten Menschheit erwirkt.“
Der Kölner Kardinal Joachim Meisner weist darauf hin, dass „die großen Sprachfamilien der Welt“ schon längst die Kelchworte in der Messfeier „entsprechend dem biblischen Urtext geändert“ hätten. Da sollten „wir als deutsche Katholiken nun nachziehen“. Meisner rief dazu auf, „jetzt mit einer großen Katechese“ zu beginnen. Das sei der eigentliche Auftrag des Papst-Schreibens.
Gerne lasse ich dem Papst das letzte Wort:
„Für den normalen Besucher des Gottesdienstes erscheint dies fast unvermeidlich als Bruch mitten im Zentrum des Heiligen. Sie werden fragen: Ist nun Christus nicht für alle gestorben? Hat die Kirche ihre Lehre verändert? Kann und darf sie das? Ist hier eine Reaktion am Werk, die das Erbe des Konzils zerstören will?“
Die Antworten auf diese Fragen werden unterschiedlich ausfallen und möglicherweise zu einem weiteren Unbehagen gegenüber der sonntäglichen Messfeier beitragen.
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