Aus der Papstansprache von Gründonnerstag 2012
(...) Vor kurzem hat eine Gruppe von Priestern in einem europäischen Land einen Aufruf zum Ungehorsam veröffentlicht und dabei gleichzeitig auch konkrete Beispiele angeführt, wie dieser Ungehorsam aussehen kann, der sich auch über endgültige Entscheidungen des kirchlichen Lehramtes hinwegsetzen soll wie zum Beispiel in der Frage der Frauenordination, zu der der selige Papst Johannes Paul II. in unwiderruflicher Weise erklärt hat, dass die Kirche dazu keine Vollmacht vom Herrn erhalten hat.
Ist Ungehorsam ein Weg, um die Kirche zu erneuern? Wir wollen den Autoren dieses Aufrufs glauben, dass sie die Sorge um die Kirche umtreibt; dass sie überzeugt sind, der Trägheit der Institutionen mit drastischen Mitteln begegnen zu müssen, um neue Wege zu öffnen - die Kirche wieder auf die Höhe des Heute zu bringen. Aber ist Ungehorsam wirklich ein Weg? Spüren wir darin etwas von der Gleichgestaltung mit Christus, die die Voraussetzung wirklicher Erneuerung ist oder nicht doch nur den verzweifelten Drang, etwas zu machen, die Kirche nach unseren Wünschen und Vorstellungen umzuwandeln?
Aber machen wir es uns nicht zu leicht. Hat nicht Christus die menschlichen Traditionen korrigiert, die das Wort und den Willen Gottes zu überwuchern drohten? Ja, er hat es getan, um den Gehorsam zum wirklichen Willen Gottes, zu seinem immer gültigen Wort neu zu wecken. Es ging ihm gerade um den wahren Gehorsam, gegen die Eigenwilligkeit des Menschen. (...)
Lassen wir uns noch einmal fragen: Wird mit solchen Erwägungen
nicht doch der Immobilismus, die Erstarrung der Traditionen verteidigt? Nein.
Wer auf die Geschichte der Nachkonzilszeit hinschaut, der kann die Dynamik der
wahren Erneuerung erkennen, die in lebendigen Bewegungen oft unerwartete Gestalten
angenommen hat und die unerschöpfliche Lebendigkeit der heiligen Kirche,
die Anwesenheit und die Wirksamkeit des Heiligen Geistes geradezu greifbar werden
lässt.
Und wenn wir auf die Menschen hinschauen, von denen diese frischen Ströme
des Lebens ausgingen und ausgehen, dann sehen wir auch, dass zu neuer Fruchtbarkeit
das Erfülltsein von der Freude des Glaubens, die Radikalität des Gehorsams,
die Dynamik der Hoffnung und die Kraft der Liebe gehören. (...)
Das Jahr des Glaubens, das Gedenken an die Eröffnung des II. Vatikanischen
Konzils vor 50 Jahren soll uns ein Anlass sein, mit neuem Eifer und neuer Freude
die Botschaft des Glaubens zu verkündigen. Die finden wir natürlich
grundlegend und zuallererst in der Heiligen Schrift, die wir nicht genug lesen
und bedenken können.
Aber dabei machen wir alle die Erfahrung, dass wir Hilfe brauchen, um sie recht
in die Gegenwart zu übertragen; dass sie uns wirklich ins Herz trifft.
Diese Hilfe finden wir zuallererst im Wort der lehrenden Kirche: Die Texte
des II. Vaticanums und der Katechismus der Katholischen Kirche sind die wesentlichen
Instrumente, die uns unverfälscht zeigen, was die Kirche vom Wort Gottes
her glaubt. (...)
All unsere Verkündigung muss Maß nehmen an dem Wort Jesu Christi: "Meine Lehre ist nicht meine Lehre" (Joh 7, 16). Wir verkündigen nicht private Theorien und Meinungen, sondern den Glauben der Kirche, deren Diener wir sind.
Reaktionen aus Österreich zu den Papstgedanken
Der Sprecher der Pfarrer-Initiative, Helmut Schüller, ist über die Kritik von Papst Benedikt XVI. am Aufruf zum Ungehorsam „angenehm überrascht“. Die Predigt am Gründonnerstag sei zum Teil „sehr sanft“ gewesen, sagte Schüller. Auch mit Sanktionen sei nicht gedroht worden. Schüller freut sich, dass die Pfarrer-Initiative vom Heiligen Stuhl und in der Öffentlichkeit wahrgenommen werde: „Er billigt zu, dass es um die Zukunft der Kirche geht.“ Dass der Papst beim Thema Ungehorsam der Initiative nicht entgegenkomme, sei zudem zu erwarten gewesen. Der Papst hatte in der Predigt in der Chrisammesse am Gründonnerstag die Forderungen der österreichischen Pfarrer-Initiative abgelehnt.
In einem Interview mit kath.ch sagt Schüller auf Fragen des Journalisten:
Am Gründonnerstag kam gar Papst Benedikt im Petersdom vor 3000 Priestern auf die Initiative zu sprechen und fragte: «Ist Ungehorsam allerdings ein Weg?» War das nicht auffällig milde?
Das war sehr sanft. Und Papst Benedikt sei Dank haben wir große Internationalisierungshilfe bekommen: Wussten viele noch nichts von unseren Anliegen, dann wissen sie es jetzt. In seiner Analyse berührt er sich mit unserer Initiative, wenn er etwa von der «Trägheit der Institutionen» sprach oder davon, dass die Kirche nicht auf der Höhe der Zeit sein könnte. Er stellt eigentlich nur unseren Weg infrage. Wir wollen dem Papst gerne antworten und planen, in den Vatikan zu gehen, allerdings nicht als österreichische Delegation, sondern als multinationale Gruppe.
Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn hat Sie aufgefordert, den «Aufruf zum Ungehorsam» zurückzunehmen.
Kardinal Schönborn ist päpstlicher als der Papst. Was würde passieren, wenn wir den Aufruf zurücknähmen? Das hatten wir doch schon dutzendfach. Es stapeln sich die Protokolle über die Dialogprozesse bis zu den Decken der Diözesanarchive. Wir wollen endlich etwas bewegen. Die Zeit der Resolutionen ist vorbei, Taten sind nötig.
Kardinal Christoph Schönborn sieht in den Predigtworten des Papstes bei der Chrisammesse im Petersdom eine „Ermutigung für die Kirche in Österreich“. Das teilte der Wiener Erzbischof am Donnerstagnachmittag in einer schriftlichen Erklärung gegenüber „Kathpress“ mit. Gleichzeitig habe der Papst an die Pfarrerinitiative „ein paar sehr ernste Fragen gestellt“. Aus den Worten des Papstes gehe hervor, wie wichtig er die Auseinandersetzung um die Zukunft der Kirche auch in Österreich nehme und wie genau er die Situation dort kenne, so Schönborn. Und wörtlich: „Das ist Hirtensorge, die Mut macht“. In sehr differenzierter und nachdenklicher Weise habe Papst Benedikt XVI. andererseits die grundsätzliche Problematik jeder Erneuerung angesprochen: die Versuchung, statt Gottes Willen den eigenen Willen zu erfüllen. Benedikt habe auf die grundlegende Basis jeder Erneuerung hingewiesen: Auf Christus zu schauen und wie er in Demut zu versuchen, dem Vater gehorsam zu sein, der sich, wie wir Katholiken glauben, auch in der Kirche und ihrer Lehre offenbart.
Der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn betont erneut, dass das Wort „Ungehorsam so nicht stehen bleiben“ könne. Es bedürfe hier einer raschen öffentlichen Klärung, sagte Schönborn in einem Interview mit dem ORF. Er fordert eine „Radikalität des Gehorsams“ als Voraussetzung zu „wirklicher Erneuerung“ in der Kirche.
Der steirische Bischof Egon Kapellari weist in seinem Hirtenbrief die
Forderungen der Pfarrer-Initiative scharf zurück. Es müsse ein klares
Nein gesagt werden, wenn Vertreter der Pfarrerinitiative oder andere Gruppen
„in der Überzeugung, dafür eine historische Sendung zu haben,
eigenmächtig das Steuerrad dieses Schiffes Kirche ergreifen wollen.“
Die Bischöfe hätten zur Vorgangsweise der Initiative klar ablehnend
Stellung genommen und zugleich das Gespräch mit den Verantwortlichen begonnen.
Dazu der Sprecher der Initiative Schüller:
„Wenn die Spaltung beschworen wird, muss man auch die Möglichkeit
in Betracht ziehen, dass sich die Kirchenführung langsam vom Kirchenvolk
abspaltet“. „Wir brauchen keine Familientherapie, sondern Reformen“,
sagt Schüller.
Kohlmeier, Mitbegründer der Laieninitiative meint:
„Wir sind auch als mündige Christen sehr wohl bereit, Autorität
anzuerkennen. Doch diese wird keineswegs allein durch ein Amt hergestellt, sondern
muss durch rechtes und mutiges Handeln erworben werden, nicht aber nur durch
blinden „Gehorsam“ gegenüber einem antiquierten und untauglich
gewordenen Regelwerk.
Die überwiegende Zahl der Kirchenmitglieder kann sich nicht mehr mit dem
identifizieren, was die Kirchenleitung tut und vor allem unterlässt“.
Apostolischer Nuntius in Wien, Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen
„Auf Ungehorsam liegt kein Segen“
Angesichts pastoraler Herausforderungen sind „ortskirchliche Sonderwege“
keine Lösungen. Daran erinnert der Apostolische Nuntius in Wien, Erzbischof
Peter Stephan Zurbriggen, mit Blick auf die Pfarrer-Initiative und deren „Aufruf
zum Ungehorsam“. Der Papst sei Garant und „sichtbares Zeichen der
Einheit der Kirche“, fügte der aus der Schweiz stammende Vatikanvertreter
an.
Sagen Sie uns Ihre Meinung zu diesem Artikel!
Bitte füllen Sie die folgenden Felder aus, drücken Sie auf den Knopf "Abschicken" und
schon hat uns Ihre Post erreicht.