Leserforum
Über den Umgang der Kirche mit ihren Opfern
Lieber Joseph! Gleich zu Beginn dieses Osterbriefes muss ich dir unbedingt den Traum erzählen, mit dem ich am 1. April aufgewacht bin: Die Sonne erhob sich gerade über unserem Stadtteil Mossungué und vertrieb die letzten Nebelschwaden unten im kleinen Wäldchen am Fluss , als ein berittener Schweizer Gardist in unseren Hof galoppierte und mir höchstpersönlich einen versiegelten Brief des Vatikans überreichte, der die sensationelle Meldung enthielt, dass Benedikt XVI. in den frühen Morgenstunden des Palmsonntags per Dekret („Wir haben schwere Schuld auf uns geladen!“) wegen der in kirchlichen Einrichtungen an Minderjährigen begangenen Sexualverbrechen für sich selbst, für die gesamte Kurie, für alle Kardinäle und Bischöfe sowie für die Mitglieder der Ordensgeneralate mit sofortiger Wirkung ein einjähriges Bußschweigen verordnete, während dessen keine lehramtlichen Verlautbarungen, keine Kommentare zum Zeitgeschehen und keine Predigten gestattet sind. Die Bußzeit, so hieß es, sei in Klöstern zu verbringen, wo sich der genannte Personenkreis ausschließlich dem Gebet sowie der körperlichen Arbeit auf den Feldern und in den Werkstätten der Mönche zu widmen habe. Kaum hatte ich dann – meinem journalistischen Instinkt folgend – die Top-Nachricht ins Internet gestellt, brachen in den katholischen Kleinhandwerkervereinen Deutschlands (u.a. auch im weit über die Grenzen der Republik hinaus bekannten bayerischen Rauschheim!), in den katholischen Frauengemeinschaften der kfd, bei der „Kirche von unten“ sowie im Vorstand des Zentralkomitees der deutschen Katholiken wahre Jubelstürme aus und Zehntausende von Katholiken knieten in Straßenbahnen und auf öffentlichen Plätzen spontan nieder (was von einigen kirchenfernen Spaziergängern zunächst als Demonstration militanter Muslime interpretiert worden war!), um dem Himmel für das unerwartete Geschenk aus Rom zu danken.
Spätestens als um 8.30 Uhr der Wecker klingelte und ich dich, mein lieber Freund, mit einer dicken Träne im Auge sagen hörte „Zu schön, um wahr zu sein“, wusste ich, dass mich irgendjemand mal wieder sehr unsanft auf den „Boden der Wirklichkeit“ zurückgeholt hatte.
Denn Fakt ist doch, mein lieber Freund, dass Papst und Bischöfe längst wieder zu alter „Burschenherrlichkeit“ zurückgekehrt sind. Die furchtbaren Sexualverbrechen werden nur noch beiläufig erwähnt und es vergeht kaum ein Tag, an dem uns nicht irgendein Vertreter der Amtskirche dankbar erklärt, wie schön es doch sei, dass man sich nun endlich wieder den „eigentlichen“ Herausforderungen unserer Zeit stellen könne!
Der „Wahrheit auf den Grund gehen“ und „aufarbeiten“ – hatten das nicht Papst und Bischöfe vor zwei Jahren reumütigst versprochen?! Meint Euer „Capa-Magna-Fetichist“ in München denn wirklich, dass es damit getan ist, einen 250seitigen Untersuchungsbericht über „pädophilen Schweinskram und schwule Seilschaften“ rot (!) einbinden zu lassen und in einem Hochsicherheits-Panzerschrank wegzuschließen? Oder sollen wir es einfach widerspruchslos hinnehmen, wenn der Erzbischof von Dublin, Diarmuid Martin, alle „nicht-praktizierenden“ Katholiken Irlands auffordert, einen Schlussstrich zu ziehen und aus der Kirche auszutreten? Müsste Martin nicht zuerst mal seine „nicht-praktizierenden“ Vorgänger und all die anderen „nicht-praktizierenden“ Bischöfe, die über Jahrzehnte hinweg klerikale Triebtäter auf unschuldige Kinder losließen und deren Leben zerstörten (ein schwerer „fahrlässiger Amtsmissbrauch“!), unmissverständlich auffordern, aus der Kirche auszutreten?!
Drei Dinge, mein Freund, sind jetzt unbedingt notwendig: Wir müssen erstens, so glaube ich, ausführlich darüber sprechen, wie die Kirche seit Jahrhunderten mit ihren eigenen Opfern sowie mit den Opfern anderer „Täterorganisationen“ umgeht. Wir müssen zweitens für unsere Kirchenführer ein Exposure-Programm vorlegen, bei dem ihnen die Leiden der von ihnen Gekreuzigten unter die Haut gehen und bei dem sie schließlich lernen, die Welt mit den Augen ihrer Opfer zu sehen. Und wir müssen drittens Reformen beschließen, die für einen Neuanfang unerlässlich sind.
Erstens: Die Opfer wurden links liegen gelassen
Das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter, mein lieber Freund, ist ein Kernstück der christlichen Botschaft. Da kommt auch ein Ratzinger nicht dran vorbei! Wer einen „unter die Räuber gefallenen Menschen“ links liegen lässt und wer sich weigert die Wunden des Schwerverletzten zu verbinden und ihn ins nächste Krankenhaus zu bringen, der ist nicht nur ein charakterloses Schwein (wie jeder Atheist entrüstet sagen würde), sondern eben auch ein „nicht-praktizierender“ Katholik. Wir müssen leider feststellen, dass Päpste und Bischöfe - von einigen wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen – die Opfer der „Täterorganisation Kirche“ einfach immer wieder links liegen gelassen oder eben eiskalt von ihrer „Betreuer-Liste“ gestrichen haben. Sie haben das in zurückliegenden Jahrhunderten getan (wie du ja in dem Film über die Renaissance-Päpste gesehen hast!). Sie tun es auch heute noch.
Zur Rechtfertigung ihres ruchlosen Verhaltens hören wir von den Bischöfen seit eh und je dieselbe unverschämte Lüge: Sie hätten nichts gewusst, sagen sie! Und sie wären natürlich prompt auf die Barrikaden gegangen, hätte man ihnen zum Beispiel von der Verfolgung der Juden erzählt, die zu Tausenden in Konzentrationslager gebracht und dort vergast wurden. Nur ein einziges Wort Pius XII., so beteuern sie, wäre ausreichend gewesen, und sie hätten geschlossen von den Kanzeln herunter zum offenen Widerstand gegen das Naziregime aufgerufen!
Über das, was wirklich geschah und was Papst und Bischöfe wirklich wussten, legten sie – wie immer – einen „Mantel des Schweigens“. Schmutzige Wäsche kam nicht auf die Leine. Strengste Geheimhaltung wurde verordnet. Wenn´s drum ging, die eigene Haut zu retten und die Interessen der „Institution Kirche“ zu verteidigen, wurde gelogen, dass sich die Balken bogen, und lieferten päpstliche „Chef-Historiker“ stets die gewünschte „wissenschaftliche Begründung“ für das feige Versteckspiel der kirchlichen Oberschicht! Dass die Söldner der Amtskirche häufig sogar über Leichen gingen, braucht man fast kaum noch eigens erwähnen!!
So wie die deutschen Bischöfe vor und während des Zweiten Weltkrieges genau wussten, was mit den Juden geschieht - und nichts unternahmen, so hatten sie in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg genaue Kenntnis vom Ausmaß der Sexualverbrechen, die in der Kirche von pädophilen Priestern an Kindern und Jugendlichen begangen wurden. Sie wussten es und stiegen in ihren brokaten Gewändern seelenruhig über die Opfer und ihre zerstörten Lebensträume hinweg. Kein Besuch, wie sich´s für einen Seelsorger gehört. Kein Händedruck wie man´s von Freunden erwartet! Keine Frage nach den Panikattacken und den Depressionen, die den Opfern und ihren Familien das Leben oft unerträglich machen. Keine Frage nach den Behandlungs- und Beerdigungskosten von Opfern, die nach Jahren furchtbarer Qualen Selbstmord begingen! Da wurde, mein Freund, nicht einfach nur geschwiegen, da wurde skrupellos totgeschwiegen! Und wehe, einer der Totgeschwiegenen beschloss, nach Jahren endlich den Mund aufzumachen, anzuklagen und von den ihm zugefügten Leiden zu erzählen! Sofort brachte „Mutter Kirche“ ihre perversesten Waffen in Anschlag: den Psychoterror, den Rufmord und die Verbannung!
Psychoterror: Joseph, davon können nicht nur die weit über 200000 Opfer sexueller Gewalt und deren Angehörige, sondern auch die Mütter von Zigtausenden von Priesterkinder ein traurig Lied singen! Man hat sie beschimpft. Hat sie telefonisch und brieflich fertig gemacht. Hat ihnen mit Prozessen und mit „ewigen Höllenqualen“ gedroht, falls sie fortfahren sollten, mit „lügnerischen Behauptungen“ dem Ansehen der Kirche zu schaden!
Rufmord: Wir können nur schätzen, mein Freund, wie viele Theologen und aufrichtige Diener der Kirche um ihren guten Ruf gebracht wurden. Man hat die Dreckschleuder bedient: hat hinter vorgehaltener Hand behauptet, dass XY schwul ist oder scharf auf Frauen, dass er saeuft und immer wieder mal mit kleinen Knaben in Vergnügungsparks gesehen wird.
Rufmord großen Stils, das muss man hier besonders hervorheben, wird seit der unglückseligen Enzyklika „Humanae Vitae“ von Papst Paul VI. an den mehr als 90 Prozent aller katholischen Eheleuten verübt, die – ihrem Gewissen folgend - verantwortliche Geburtenkontrolle praktizieren und deshalb von wildgewordenen Kardinälen - volksverhetzend – als Mörder beschimpft werden.
Eine Hetzkampagne betreiben die römischen und deutschen Sittenwächter der Amtskirche schließlich seit geraumer Zeit auch gegen die tapferen Frauen und Männer („Mörderbande!“), die bei „Donum Vitae“ Schwangerenkonfliktberatung anbieten, obwohl die Diffamierten einfach nur jene Arbeit fortsetzen, die sie vorher bereits fünf Jahre lang unter den Fittichen der deutschen Bischöfe getan hatten - jetzt allerdings mit dem ebenso aufschlussreichen wie beschämenden Unterschied, dass sie - die DV-Leute - ihrem Gewissen treu geblieben sind, während die Bischöfe das ihrige in Rom abgeliefert haben!
Verbannung: Wer dem Papst, der Glaubensbehörde und den Bischöfen nicht ins Konzept passt und beispielsweise bei der in Rom längst beschlossenen Rückkehr zur tridentinischen Messform Widerstand leistet oder etwa behauptet, dass der Priesterweihe von Frauen biblisch nichts im Wege stehe, ist schnell vom Fenster weg. In die Verbannung geschickt wurde so der australische Bischof William M. Morris, weil er die einfache Milchmädchenrechnung aufgestellt hatte, dass es 2014 in seiner Diözese Toowoomba - zusammen mit ihm - nur noch 19 Priester geben würde und man folglich vielleicht daran denken müsse, demnächst verheiratete Frauen und Männer zu Priestern zu weihen oder Ex-Priester wieder in den kirchlichen Dienst zurück zu holen! In die Verbannung geschickt wurde auch Bischof Gaillot von Erveux, weil er Jesus von Nazareth allzu wörtlich genommen und sich mit den „Ausgestoßenen der französischen Gesellschaft“ solidarisiert hatte. Und setzt man derzeit nicht Millionen von Katholiken in Deutschland „auf die Straße“, indem man ihre Pfarreien dicht macht? In manchen Bistümern werden über die Hälfte aller Gemeinden geschlossen. Es verschwinden plötzlich die vertrauten Gesichter - die Menschen, bei denen man sein Herz ausschütten konnte. Es verschwindet die Heimat, in der man zwischen Wiege und Bahre immer mit den „Tröstungen der Kirche“ rechnen konnte. Ums Wohl der Gläubigen geht´s bei dieser brutalen „Flurbereinigung“ nicht. Es geht einzig und allein – und das ist das teuflische an der Sache - um den Ausbau klerikaler Bastionen.
Viele Laienseelsorger werden den Laufpass bekommen. Und die ohnehin schon total überforderten Pfarrer werden immer häufiger erschöpft umkippen oder in Irrenhäusern landen. Den Bischöfen geht das, wie die gut katholischen Bauern in meiner hessischen Heimat aufgebracht sagen würden, „am Arsch runter“! Menschenverachtung pur!
Zweitens: Sehen – mit den Augen der Opfer
Ich kann nie vergessen, wie mein Vater mich in jungen Jahren gelegentlich beiseite nahm und mir sagte: „Mitreden kannst du erst, wenn du 8 Stunden am Tag hart gearbeitet hast. Dann weißt du, wie das auf die Knochen geht! Dann kannst du nachempfinden, wie sich ein Maurer fühlt, wenn er abends schlagkaputt nachhause kommt!“. Und weil mein Vater unserem gemeinsamen Freund, dem Sozialisten-Sepp, in nichts nachstand und hochnäsiges Gerede verabscheute, ermahnte er mich in meiner Studentenzeit häufig, „nebenher immer auch bei den kleinen Leuten in die Schule zu gehen“ – um ihren Alltag und ihre Gefühlswelt zu verstehen. Wenn du siehst, wie groß die Kluft zwischen vielen Bischöfen und den Opfern kircheninterner Gewalt immer noch ist, und sogar Mitglieder des höchsten Kirchensenats sagen, sie hätten „wichtigeres zu tun, als mit Missbrauchsopfern zu sprechen“, kann man einfach nur ganz dringend Exposure-Maßnahmen empfehlen. Hier meine Vorschläge:
Erstens: Unter Androhung einer noch eigens festzulegenden Kirchenstrafe ist jeder Bischof ohne Ausnahme verpflichtet, mindestens zwei der in den USA, in Irland und in Holland bisher erschienenen Untersuchungsberichte über kirchenintern verübte Sexualstraftaten von A bis Z zu lesen. Da es dem ein oder anderen Herren dabei eventuell genauso ergehen könnte wie einem mir befreundeten Jesuiten, empfiehlt es sich, während der Lektüre immer eine „Kotztüte“ griffbereit in der Nähe zu haben.
Zweitens: Zu jeder Jahreshauptversammlung der deutschen Bischofskonferenz sind mindestens zwei „Missbrauchs“-Opfer einzuladen, die für maximal drei Stunden in den „Zeugenstand“ treten und über die ihnen von pädophilen Priestern zugefügten Qualen und bleibenden Schäden berichten. Kommentare und Fragen sind bei diesen Begegnungen nicht gestattet.
Drittens: Da die Väter und Mütter der Opfer meist genauso wie ihre geschändeten Töchter und Söhne vor einem Scherbenhaufen stehen und seit Jahren „die Hölle auf Erden“ erleben (denen braucht niemand mehr was vom Teufel erzählen!), sollen sich in jeder Diözese Deutschlands einmal pro Jahr die Ortsbischöfe, alle Priester und die in der Seelsorge tätigen Laien mit Familienangehörigen der Opfer treffen, um sich von ihnen detailliert schildern zu lassen, wie man sich fühlt, wenn man von bischöflichen Juristen beschimpft und unter Druck gesetzt wird („Euch geht´s doch nur ums Geld!“), und welche Panik einen jedes Mal befällt, wenn man vor dem nächsten Nervenzusammenbruch steht, ins Krankenhaus eingeliefert wird und befürchten muss, dass die schutzbefohlene Tochter zuhause die schon öfter angekündigte Verzweiflungstat begehen wird
Viertens: Statt künftigen Priestern den unglaublichen Blödsinn zu erzählen, sie gehörten zu den Lieblingen Mariens, weil sie angeblich ihrem Sohn so ähnlich sehen (Benedikt XVI.), sollte man sie im Rahmen eines Einkehrtages wenigstens einmal im Jahr mit einem redegewandten Opfer kirchlicher Gewalt zusammen führen. Die Seelsorger von morgen müssen durch die „Beichte“ der Opfer vor dem naiven und äußerst gefährlichen Glauben geschützt werden, unsere Kirche sei eine „gewaltfreie Zone“!
Drittens: Notwendige Reformen
Trotz meiner Angst, lieber Joseph, dass auch diesmal wieder „alles beim Alten bleibt“, will ich hier einige Reformen nennen, die ich für unerlässlich halte und über die ihr beim nächsten Stammtisch mal ausführlich diskutieren könnt.
Erstens: Wir Laien dürfen es nicht länger hinnehmen, dass
Papst und Kurie sowie das Kollektiv unserer Bischöfe das Leben unschuldiger
Menschen ruinieren und unsere Kirche kaputt machen. Sie haben sich – und
das nicht nur im Zusammenhang mit den furchtbaren Sexualverbrechen in der Kirche
- als absolut unzuverlässig, unverantwortlich und gefährlich erwiesen.
Der Vertrauensverlust ist gigantisch. Margarete z.B., die unsere Tochter Sofia
5 Jahre lang gestillt und dafür sage und schreibe rund 1000 Liter Muttermilch
aus ihren Brüsten heraus gedrückt hat, sagte dieser Tage: „Keinem
einzigen dieser Bischöfe würde ich meine Tochter anvertrauen, weil
du ja nie weißt, ob sie nicht einen Wiederholungstäter auf das Mädchen
loslassen!“
Wie bisher absolute Kontroll- und Entscheidungskompetenz der hohen Geistlichkeit?
Das muss sofort und durch päpstliches Dekret abgeschafft werden! Weg mit
dieser unglückseligen Diktatur der Kleriker!
Zweitens: Eine gründliche Reform des Kirchenrechts ist nicht nur wegen der eben erwähnten Forderung nach größeren Mitsprache- und Entscheidungsbefugnissen der Laien notwendig. Das Kirchenrecht muss vielmehr auch deshalb völlig neu überarbeitet werden, weil darin der Schutz der Personen- und Freiheitsrechte des einfachen Gottesvolkes völlig zweitrangig ist und man ganz einfach nicht um den Verdacht herumkommt, dass die Paragraphen des „Codex Iuris Canonici“ fast ausschließlich den Interessen der kirchlichen Führungsschicht und einer geheimbündlerisch agierenden römischen Verwaltungs-Mafia dienen. Wie anders ist es sonst zu erklären, dass im CIC Sexualstraftaten gegen Minderjährige als Verstöße gegen den Zölibat und nicht als Verbrechen gegen die Lebensrechte (das Recht auf Unversehrtheit zum Beispiel!) unschuldiger Kinder und Jugendliche gelten?!
Drittens: Zusammen mit der Neugestaltung des Kirchenrechts muss die römische Kurie reformiert werden, weil ihre Dekasterien nachweislich für viele der menschenverachtenden Entscheidungen und Maßnahmen in der Kirche verantwortlich sind. Wir brauchen Transparenz und dazu gehört u.a., dass Führungskräfte periodisch Rechenschaft ablegen über ihre Arbeit!
Viertens: Auch wenn´s vielen weh tun wird – wir müssen uns auf Dauer vom alten Priesterbild (und damit auch unweigerlich vom Pflichtzölibat!) verabschieden, wo die Geistlichen gleich nach dem lieben Gott kommen und fast unnahbare „Wesen aus einer anderen Welt“ sind - gottgeweihte Personen, die zwischen den lichtdurchfluteten Sphären des Himmels und unserem irdischen Tal der Tränen vermitteln, „Türsteher“ sozusagen, ohne die es keinen Eintritt in die ewige Glückseligkeit gibt! Experten bestätigen, dass dieses „Priesterbild“ des mystisch-entrückten Geistlichen (der keiner Fliege was zu Leide tun kann!) auf viele Opfer „toxische“ Wirkung hatte und ihren Sturz in den Abgrund beschleunigte. In seinem Brief an die irischen Katholiken vom März 2011 äußert sogar B16 den leisen Verdacht, dass die „Unart der Laien“, Geistliche in den Himmel zu heben, für die Täter „Motivationsschub“ gewesen sein könnte. Aber hat man uns nicht von kleinauf eingetrichtert, dass Priester „heilige Personen“ seien, denen wir immer mit allergrößtem Respekt zu begegnen hätten?!
Liebe Joseph, ich hoffe, dass du wegen meines Briefes mit dem Pater Gescheitle
keinen Ärger kriegst und grüße dich und deine Frau sowie auch
die tapferen Mitstreiter im Kleinhandwerkerverein von Rauschheim ganz herzlich
aus einem inzwischen sehr herbstlichen Curitiba,
Dein Horst Hohmann!
(Horst Hohmann ist „praktizierender“ katholischer Journalist, vor 7 Jahren mit Frau und Tochter von München nach Südbrasilien umgezogen und ein lebendiger Beweis dafür, dass man auch im Ruhestand noch Brücken bauen kann!)
Lieber Horst,
Ich bin geschockt. Ich kenne Rauschheim, auch noch Bayern, aber dass es in der
weltweiten katholischen Kirche, von Rom bis runter zu Euch in Curitiba, so katastrophal
unchristlich zugeht, bringt mich aus dem Häuschen. In meiner Verstörtheit
habe ich den Sozisepp in meinen Keller zu einem Kasten Paulaner eingeladen.
Nachdem wir den halben Kasten weggeputzt hatten, kamen wir allmählich zur
Ruhe und haben mit Nachsicht über die Kirchenaustreter aus der eigenen
Gemeinde St. Korbinian geredet. Wir, die wir sonst Kirchenaustreter rückhaltlos
zu den Gesinnungslumpen gerechnet hatten, haben nach Deinem Brief, deren konsequente
Entscheidung sogar verstanden und in mancher Hinsicht gut geheißen. Dann
war der Kasten leer.
Es grüßt Dich Joseph Bier
Leserbrief
zu: Paul Glotter: Sexualverbrechen in der Kirche
Ordensmann geht mit zynischen Bischöfen hart
ins Gericht
Herzlichen Dank für diese klaren Worte! Das ist das, was ich aus Opfersicht
erlebe. Warum der Papst an seinem 85. Geburtstag gefeiert wird mit dem Satz
"Den Kampf gegen jeglichen Missbrauch und die vorbehaltlose Aufklärung
dieser dunklen Seite der Kirche hat keiner so zielstrebig geführt wie er",
ist mir völlig unerfindlich. Da dreht sich so manchem Opfer nur noch der
Magen um.
Dank und freundliche Grüße!
Erika Kerstner
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