Die in der Überschrift gestellte Frage mag erstaunen. Man sollte doch meinen, nach zweitausend Jahren mit einer differenzierten Theologiegeschichte – wie in keiner anderen Religion – sei das für das Christentum konstitutive Bekenntnis zu Gott eindeutig. Aber dem ist leider nicht so. Gerade bei den heutzutage üblichen interreligiösen Dialogen, vor allem mit jüdischen und muslimischen Gesprächspartnern, zeigt sich große Unsicherheit und oft auch Verwirrung. Und diese ist ein Symptom für eine auch im christlichen Binnenraum ungeklärte Situation.
Seit dem Ausgang der spätantiken Kirchengeschichte wachsen Christen auf im Glauben an den einen Gott – also in einem Monotheismus –, der aber trinitarisch modifiziert ist. Wir glauben an den einen Gott, den (Gott-)Vater, (Gott-)Sohn und an den (Gott)Heiligen Geist. Und während die klassische Gebetspraxis, so z.B. in den Orationen der lateinischen Messe, sich richteten an „Gott, durch unseren Herrn Jesus Christus im heiligen Geist“ (deus ... per dominum nostrum Iesum Christum in spiritu sancto), wurde diese Strenge in der späteren Praxis oft verwässert durch Gebete an Vater, Sohn oder Geist, also separate Gebetsadressen, so als gäbe es drei Akteure in dem einen Gott.
Diese Spannung zwischen den Zahlen eins und drei wird mit dem Rückgriff auf spätantike Begrifflichkeiten aufzulösen gesucht. In Gott gebe es ein Wesen (mia usia) und drei Hypostasen (treis hypostaseis), welche Formel – nach den vorherigen heftigen Auseinandersetzungen – erstmals von Basilius von Cäsarea (gest. 379) überliefert ist. Im lateinischen Westen aber waren diese griechischen Begriffe schwer vermittelbar, und sie sind ja auch problematisch. Hypostase müsste im Lateinischen mit substantia übersetzt werden; Augustinus (gest. 430) schrieb: „Doch weiß ich nicht, wie sie (die Griechen) Usia und Hypostase unterscheiden wollen ... Lateinisch heißt das: Ein Wesen, drei Substanzen“[2]. Deswegen griff er auf den von Tertullian (gest. nach 220) ins Spiel gebrachten und seitdem ungebräuchlichen (und auch von Augustinus nicht geschätzten) Begriff persona zurück und sprach von drei Personen in dem einen Gott – die westliche Gestalt der trinitarischen Formel.
Weder bei Tertullian noch bei Augustinus aber bedeutete Person das, was wir heute darunter vertehen: Subjekt, geistige Individualität, Aktzentrum, Selbstbewusstsein usf. Diese Bedeutung wurde erst später begründet durch Boethius (gest. 524), römischer Konsul unter Theoderich („Dietrich von Bern“) – und seitdem zunehmend im Abendland gebräuchlich: der eine Gott in drei Personen.
Gemäß Boethius kennzeichnet der Begriff persona – erstmals in der Geistesgeschichte – die subjektive Individualität jedes geistigen Seienden, was im Mittelalter noch vertieft wurde: Person bezeichnet immer den „selbstbewussten Geist“ (spiritus rationalis ... per se discernens se)[3] . Den drei Personen (drei „Iche“) wurden noch je spezielle Funktionen zugewiesen: „innergöttlich“ ist der Vater Ursprung der beiden anderen Hypostasen – er „zeugt“ den Sohn und „haucht“ den Geist –; der Sohn ist herkünftig vom Vater, „gezeugt“; der Geist ist vom Vater (später, seit Karolingischer Zeit, mit der Einführung des filioque: auch vom Sohn) „gehaucht“ oder hervorgegangen und „ist“ die Liebe zwischen Vater und Sohn (ein Gedanke, der in den orthodoxen Kirchen nicht rezipiert wurde). Nach außen hin, in der Heilsgeschichte, also seit dem „Anfang“ (Gen 1,1; Joh 1,1), ist der Vater wieder der Ursprung allen Seins und Schöpfer, der Sohn ist Schöpfungsmittler und Erlöser, der Geist der Heiligmacher.
Diese Formeln und Vorstellungen sind weithin unverständlich und wurden deswegen für Theologen zum immer neuen Anreiz, sie tiefsinnig zu er- und begründen. Aber am Schluss muss man sich doch immer wieder damit behelfen und dies auch den Gläubigen vermitteln, die Trinität sei halt ein Geheimnis, das unseren Verstand übersteigt, begründet in der übernatürlichen Selbstoffenbarung Gottes. Damit war die Trinitätslehre erst recht tabuiert und wurde zum Spezifikum des christlichen Gottesglaubens – in Differenz zu den anderen monotheistischen Religionen Judentum und Islam (was in interreligiösen Gesprächen stets behauptet wird).
In der kirchlichen Praxis war man zweigeteilt: es findet sich der Glaube an drei Subjekte in Gott, zu denen man beten kann, also eine starke Betonung der Dreiheit – ein innergöttlicher Tritheismus –, daneben aber lässt sich auch eine starke Linie der Konzentration auf den einen Gott aufzeigen: Gott (nicht: der Sohn oder Logos) wurde Mensch (das deus-homo-Schema in der lateinischen Kirche), oder: Gott rechtfertigt und heiligt uns durch das Kreuz und seine Gnade usf. Beide Varianten stehen oft einfach nebeneinander, ohne diskutiert zu werden.
Über lange Zeiten, seit den Einigungen auf die genannten Formeln in der Spätantike, führten diese Spannungen nicht zu ernsthaften Problemen. Das hat sich geändert. Hierzu haben, in unterschiedlicher Intensität, zwei Entwicklungen beigetragen: zum einen die Erkenntnisse der historisch-kritischen Erforschung der Bibel und der Theologiegeschichte, zum anderen auch – ein wenig schwächer – der interreligiöse Dialog. Hinzu kommt noch das (fundamentaltheologische) Problem, wie sich angesichts der heutigen Erkenntnistheorien und der geschichtlichen und naturwissenschaftlichen Erkenntnisse der Gottesglauben begründen oder aufrecht erhalten lässt. Letztere Frage soll hier ausgeklammert sein und lediglich über die Disparitäten der christlichen Gotteslehre nachgedacht werden.
Es ist ja keineswegs nebensächlich, ob Gott unitarisch, als einziger Gott – wir würden heute sagen: als einpersönliche Größe – oder als dreifach gedacht wird. Was immer schon, wie gesagt, schwierig zu verbinden war, (unitarischer) Monotheismus und Trinität, erscheint erst recht als eine radikale Disparität, seit die Bibelwissenschaften aufgezeigt haben, dass Jesus selbst und das frühe Christentum – z.B. die synoptischen Evangelien – nur den einen Jahwe, den Gott Israels, gepredigt haben; Jesus wusste nichts von einer trinitarischen Gottesauffassung, ebenso wenig von dem später entstandenen Bekenntnis zu seiner Gottessohnschaft, wenn darunter eine göttliche „Qualität“ oder eine ewige Präexistenz in Gott verstanden wird. Wohl fühlte er sich von Gott, den er – wie im Frühjudentum oft gebräuchlich – auch „Vater“ nannte, gesandt und wollte seinen Willen, wie er ihn verstand, gehorsam erfüllen. Mit der Bezeichnung Gottes als Vater war wohl, wiederum, wie schon bei einigen Autoren des Frühjudentums, eine Selbstauffassung als „Sohn“ mitgedacht, also die Überzeugung von einer großen Nähe zu Gott, wie sie wohl nicht wenige „Fromme“ empfinden. Das aber ist etwas ganz anderes als die spätere Auffassung vom göttlichen Sohn oder Logos, der Mensch geworden ist.
Jesus selbst scheint vom Geist Gottes nicht geredet zu haben, wenn überhaupt, dann nur an einer Stelle („Sünde gegen den Heiligen Geist“, Mk 3,28-30); dass er damit nicht über das alttestamentliche Verständnis hinausgeht, liegt auf der Hand.
Erst in späteren neutestamentlichen Schriften, die schon sehr viel stärker von hellenistischem Gedankengut geprägt waren, kam es zur Vorstellung einer (seinshaften) Göttlichkeit des Sohnes oder Logos (Johannesevangelium, Deuteropaulinen), so dass ihm göttliche Präexistenz zukam und er der menschgewordene Logos ist (Joh 1,14). Eine frühere Ausnahme ist der Christushymnus im paulinischen Philipperbrief (Phil 2,6-11), wo ihm schon Präexistenz und Herabkunft aus der göttlichen Welt zugesprochen wird; allerdings fließen hier noch sehr stark jüdisch-christliche Vorstellungen mit ein, insofern die Erhöhung Jesu nach seinem Tod als Folge seines Kreuzesgehorsams angesehen wird (nicht als Inbesitznahme des ihm zukommenden göttlichen Rechts).
An manchen Stellen (Gal 4,4-7; 1Kor 12,1-8; 2Kor 13,13) und in der Petrusrede (Apg 2,32-36) ist zur Bekräftigung und Zusammenfassung des christlichen Glaubens in „triadischer Weise“ von Gott, Jesus und dem Geist die Rede; diese Passagen aber können nicht, auch nicht ansatzweise, im Sinne einer trinitarischen Auffassung verstanden werden. Dies gilt auch für den Taufbefehl am Ende des – gänzlich unitarisch-monotheistischen – Matthäusevangelium (Mt 28, 19)[4].
Die Bibelwissenschaft zeigt also, dass das Neue Testament den einen Gott verkündet und nichts von einer trinitarischen Auffassung wusste. Lediglich in der Christologie gab es eine Weiterentwicklung (oder einen Umbruch). Es entwickelte sich in den stärker von hellenistischen Motiven und Rastern geprägten Spätschriften des Neuen Testaments die Vorstellung, Jesus könne (auch seinshaft) göttlich genannt werden. Da Jesus Christus jetzt also – bei allen noch bleibenden Unklarheiten – als (göttlicher) Sohn und Logos, eine „Vergottung“, aufgefasst wurde, könnte von Anfängen einer Binitätslehre (aus Vater und Sohn/Logos) gesprochen werden.
Wie nun ging die Bekenntnisbildung weiter? Hier lassen sich, vereinfacht, zwei sehr unterschiedliche – ja: gegensätzliche – Stränge unterscheiden: eine Beibehaltung des unitarischen Monotheismus, daneben eine wachsende Ausbildung zunächst einer Binitätslehre, ab der Mitte des vierten Jahrhunderts auch einer Trinitätslehre.
Die unterschiedlichen Lehrentwicklungen haben offensichtlich eine Ursache: sie sind in sehr verschiedenen Kulturräumen zu Hause. In der syrischen Christenheit – im weitesten Sinn –, also von der Ostküste des Mittelmeers bis nach Indien, war, trotz aller Einsprengsel auch anderer Kulturtraditionen, eine grundlegend semitische (dem jüdischen Denken) verwandte Mentalität und Sprache (aramäisch, syrisch) verbreitet. Und in dieser war man nicht an philosophischen Spekulationen oder einer Vergöttlichung interessiert, sondern an unserer konkreten Geschichte, ihren Problemen und der Hoffnung auf ihre Bewältigung. Hier genügte es, Jesus als Menschen, einen besonderen, von Gott gesandten und begnadeten Menschen zu sehen, der sich „bewährt“ hat („Bewährungschristologie“), dem wir nachfolgen sollen, damit er beim Gericht für uns eintritt. Der Gottesglaube blieb unberührt.
In der hellenistischen Welt des Römischen Reiches dagegen litten die Menschen an ihrer seinshaften Begrenztheit, an ihrer Unwissenheit, Materieverhaftung und Endlichkeit. Die Sehnsucht richtete sich auf die Überwindung dieser Begrenzungen auf das Unendliche hin, zur Vergöttlichung. In diesem Verstehen musste Jesus zwischen beiden Welten, dem Endlichen und Unendlichen vermitteln, er musste Mensch und zugleich Gott sein.
Zur ersten Linie: In den Schriften der (fälschlich so genannten) „Apostolischen Väter“, die auf das Neue Testament folgten (gelegentlich auch noch zeitgleich), findet sich in den meisten ein deutliches Bekenntnis zu dem einen Gott. Im Martyrium des Polykarp[5] (sechziger oder siebziger Jahre des 2. Jh.), in der Didache[6] (frühes 2. Jh.) oder in dem als Erster Klemensbrief[7] bezeichneten Brief der römischen Gemeinde an die Gemeinde in Korinth, um 100 n.Chr.) wird Jesus als Knecht Gottes bezeichnet. Dagegen werden in den Briefen des Ignatius von Antiochien (gest. 117) – diese Briefe aber scheinen nach neueren Forschungen erst viel später entstanden zu sein – schon die göttlichen und menschlichen Dimensionen bei Jesus einander gegenüber gesetzt, auch Polykarp von Smyrna (gest. frühe 2. Hälfte 2. Jh.) scheint die Göttlichkeit Jesu zu vertreten.
Die Linie eines entschiedenen Monotheismus wurde auch in der frühen syrischen Theologie beibehalten. Das Christentum im ostsyrischen Raum stand unter persischer Herrschaft und nahm an der Lehrentwicklung im Westen, im Römischen Reich, nicht teil. Lediglich die zu diesem Reich gehörenden westsyrischen Provinzen westlich des Euphrat bis zum Mittelmeer mussten sich damit auseinander setzen.
Zwar gibt es leider nur relativ wenige Zeugnisse aus den ersten fünf Jahrhunderten, z.B von Tatian dem Syrer (gest. Ende 2. Jh.) oder dem Bischof Theophilos von Antiochien (gest. Ende 2. Jh.). Sie zeigen aber, dass sie der Tendenz nach einen Monotheismus vertraten. In ganz entschiedener Weise gilt dies für Paul von Samosata, der später Bischof von Antiochien wurde (gest. nach 272), der sich gegen eine binitarische Entwicklung abgrenzte. Seine Auffassungen sind nur in Negativäußerungen seiner Gegner überliefert. Er bestritt, „daß der Sohn Gottes vom Himmel herabgekommen ist“[8] und bezeichnet Jesus als „Menschen, der uns gleich war, aber besser in jeder Beziehung“ aufgrund der Gnade Gottes[9].
Diese Linie wurde auch, wenn auch in abgeänderter Form, von dem Syrer Arius (gest. 336) vertreten, und bestimmte in Westsyrien, obwohl es zum Römischen Reich gehörte und wo das Glaubensbekenntnis von Nizäa verbindlich war, noch bis ins 5. Jahrhundert Gottesauffassung und Christologie. Noch Theodor von Mopsuestia (gest. 428), der Lehrer des Nestorius, schrieb: „Mensch ist Jesus ... Der Mensch Jesus ist ähnlich allen Menschen, in nichts von den (ihm) gleichwesentlichen Menschen sich unterscheidend als in der Gnade“[10].
In Ostsyrien wurden diese Konzeptionen wohl ebenso vertreten, hier zudem ungestört von den im Westen immer dominanter werdenden hellenistischen Einflüssen. Leider gibt es nur wenige Texte, die noch überliefert sind. Ein deutliches Beispiel sind die Schriften des (ost-) syrischen Theologen Aphrahat (gest. nach 345), der einen eindeutigen Monotheismus vertrat. Dennoch hat er nichts dagegen, Jesus als „Gottessohn“ zu bezeichnen. Aber er versteht diesen Titel, ohne jede Polemik (weil in seiner Umgebung wohl niemand etwas anderes behauptete), gänzlich symbolisch: Gott hat den Titel Gottessohn vielen gerechten Menschen verliehen, dem Mose, dem Aaraon, Salomo, dem Volk Israel usf. – und auch Jesus. Der Titel hat für Aphrahat keinerlei seinshafte Bedeutung: „Denn der Name der Gottheit ist zu großer Ehre in der Welt gegeben, und Gott legte ihn dem bei, an dem er seinen Gefallen hat.“[11]
Im Jahre 410 fand in der sassanidischen Hauptstadt Seleukia-Ktesiphon ein Konzil der ostsyrischen Kirche statt. Weil man die in Mesopotamien verstreuten griechischen Gemeinden – Überbleibsel der früheren hellenistischen Reiche seit Alexander dem Großen – in die eine syrische Großkirche integrieren wollte, kam man ihnen entgegen und erkannte ihr zentrales Glaubensbekenntnis von Nizäa aus dem Jahre 325 an. Von dieser Zeit wurde auch die syrische Kirche zunehmend hellenisiert: man sprach vom Gottessohn Jesus Christus und einer Binität, später auch Trinität. Allerdings wurden diese Überzeugungen nur recht verhalten übernommen: man orientierte sich an den früheren westsyrischen Theologen, vor allem an Theodor von Mopsuestia, der eine Art Kirchenlehrer wurde.
Aber auch diese leichte Hellenisierung führte zum Widerspruch von „Altgläubigen“, die an ihrem ererbten Glauben festhalten wollten. Die koranische Bewegung lehnte die neuen Entwicklungen ab und trennte sich später, um das Jahr 800, als eigene Religion vom Christentum.
Das Christentum im Römischen Reich aber war hellenisiert, und diese Prägung wurde bald in dynamischer Weise stärker. Das galt wohl noch nicht in voller Form in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts für die Stadt Rom selbst, wo drei Bischöfe („Päpste“) starke Reserven gegenüber der trinitarischen Entwicklung hatten[12]. Und selbst Augustinus, der die Begrifflichkeit der abendländischen Trinitätslehre geschaffen hatte, kennt in Gott nur ein Wissen, einen Willen und auch nur ein Handeln nach außen, also in heutiger Sprache nur einen einpersönlichen Gott.
Aber der Sog des hellenistischen Denkens war zu stark, und so setzte sich im Römischen Reich mit der Zeit ein klares Bekenntnis zu Jesus als gleichwesentlichem Gottessohn und zur Trinität durch. Dies soll im folgenden Beitrag dargestellt und darüber hinaus gefragt werden, ob es nicht doch einen gemeinsamen christlichen Gottesglauben (unitarisch oder tinitarisch) geben könnte oder sollte.
(wird fortgesetzt)
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