Die Glosse
Rauschheim am Pfingstmontag
Lieber Sepp,
hast Du von dem Krimi im Vatikan gehört. Der Leibdiener vom Papst ist schon eingelocht. Wo soll das hinführen?
Dem Papst sein Kammerdiener hilft ihm beim An- und Ausziehen, macht ihm das Bett, serviert ihm die Mahlzeiten und begleitet ihn bei allen Auftritten, geht ihm überall und jederzeit zur Hand. Z.B. packt er dem Hl. Vater, wenn er verreist, die Koffer. Wenn es regnet, bringt er den Schirm, wird’s kalt, den hermelingefütterten roten Schulterumhang. Das alles erfährt man jetzt durch die Zeitung. Auch, dass der zu allen Papstgemächern den Schlüssel hat.
Sepp, einen Kammerdiener kannst Du erst gebrauchen, wenn Du ein kurios aufwendiges Leben führst. Wer wie wir zwei nur Strümpfe, Hose, Hemd und Jacke anzieht, kann mit einem Leibdiener nichts anfangen. Oder?
Berater ist der Kammerdiener, obwohl der ständig um den Papst herum ist, aber nicht. Der ist bloß für dem sein leibliches Wohlfühlen da. Du weißt nicht einmal, ob der Papst überhaupt mit dem ernsthaft spricht, ihn z.B. fragen tät, „Paolo, wie stehst denn Du als Verheirateter zum Frauenpriestertum?“ Ob er in ganzen Sätzen mit ihm redet oder nur in Anweisungen wie: „die Zahnbürste! Zahnpasta!, jetzt die Strümpfe!, meine roten Pradaschuhe!“ usw. Sepp ich meine, der Kammerdiener ist Handlanger und sonst nichts. So wird der, was der Lohn verrät, auch behandelt. Ich hab gelesen, er bekäm für seine Arbeit mit Frau und drei Kindern zirka 2000 €. Er muss sich also anstrengen, nur seine Dienstkleidung zu finanzieren, aber um sich herum sieht er die ganze vatikanische Klerisei in Brokat und Gold stolzieren. Der muss sich vorkommen, als wie wenn der Heilige Vater ihn um Gotteslohn beschäftigen tät. Ich stell mir vor, dass der mit einem Gewerkschafter über seine Stellung geredet hat, danach war der geladen! Den mussten ja Rachegefühle übermannen! So könnt man sich sein Verhalten, das wo ja ein gewaltiger Vertrauensbruch ist, erst erklären: Der hat probiert, einen Nebenverdienst aus seiner Stellung beim Papst herauszuschlagen. In dem Gefühl, dass ihm permanent Unrecht geschieht, stipitzt der darum seinem Chef ein paar geheime Papiere und reicht sie gegen Bares an Zeitungen weiter. Wenn er sich nicht erwischen gelassen hätt, könnt ihm ein schadenfroher Gewerkschafter nur zurufen: „Bravo, Paolo!“ Unsereiner könnt ja sowas nicht machen, aber ein Italiener?
Was mich wundert, die Vatikanjustiz hat nicht ein einziges mal den Teufel, den sogenannten Erzfeind der Kirche als den Verführer als Hintermann ins Spiel gebracht. Wohl aus der Angst heraus, dass am End sich ein Kardinal als Strippenzieher herausstellt, und nicht, was man verkraften könnt, ein hundsgewöhnlicher Laie. Sepp, ein Kardinal als Teufel aufgeflogen, das wär die Katastrophe für das hierarchische System.
Andererseits, wenn der Teufel als Hauptverantwortlicher hinter der Geschichte stehen tät, dann könnte man dem Benedikt wenigstens nicht mehr vorwerfen, er hätt kein Gespür für Leute, und er tät die falschesten engagieren. Und so wärs mit allen Personalentscheidungen, vor allem mit seinen umstrittenen Bischofsernennungen. Sepp, unter uns, guck Dir doch den augsburger und den regensburger Oberhirten an!
Die „Süddeutsche“ munkelt, diese zwielichtige Geschichte wär der Stoff zu einem hintersinnigen Krimi mit Benedikt und seinem Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone in den Hauptrollen, allerdings von Schauspielern gemimt. Der Paolo Gabriele könnt ja den Kammerdiener selber spielen. Die Gage tät dem und seiner Familie gut. Für die Drehzeit bekäm der Paolo sicher Knasturlaub. Das wär in den Augen der Fernsehprogrammmacher ein Knüller fürs Heiligabendfernsehen: unterhaltsam und kriminalisch intrigant! Übrigens hat die Bildzeitung schon vier Kardinäle abgebildet, die ihre Finger im Spiel haben sollen. Für den Paolo blieb dann leider nur eine kleine Nebenrolle.
Benedikt geht offensichtlich selber auf, was da im Vatikan los ist. Am Pfingstsamstag hat er nämlich gepredigt: „Der Sturm schüttelt das Haus Gottes, aber das Haus auf dem Fels fällt nicht.“ Das sollt man zum Motto für diesen spannenden Tatort holen.
Sepp, selbst das Römisch-Katholische ist heutzutage nicht mehr so ohne!
Am Stammtisch muss ich mit Dir über das Debakel reden.
Dein Joseph
P.S.: Inzwischen sitzt also Paolo Gabriele im Knast, und was tut er, er betet. Ich bin völlig konfus. Ich muss Dich, einen Gewerkschafter und Sozi, in meiner Verstörung fragen, kannst Du mir als nüchterner Mann nicht aus meiner Ratlosigkeit heraushelfen? Den Pater Gescheitle möchte ich nicht fragen, der verharmlost, was das Zeug hält. Und am Ende ist bei dem jedesmal alles in Butter, denn der liebe Gott hätt seine Kirche immer wieder geprüft und tät sie auch heute noch prüfen. Am Ende schlägt bei ihr dann alles zum Guten aus. Dass der Vatikan die Kirch an die Wand fährt, das kommt für den Pater nicht infrage. Ich hab immer geglaubt, rund um den Papst bestimmt die christliche Moral die Spielregeln.
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