Erhard Bertel
Bischöfliche Konsequenzen
Welche Ratgeber mögen die haben?

Die deutschen Bischöfe haben gesprochen: diejenigen, die vor dem Staat aus der Kirche austreten, sparen nicht nur ihre Kirchensteuer, sondern sie sind auch von den „Heilsangeboten“ der Kirche ausgeschlossen. Heil hin, Heil her, da gibt es kein Pardon. Doch, noch ein Angebot hat die Kirche: sie wird die ca. 100.000 Katholiken, die jährlich diesen Schritt vollziehen, noch einmal anschreiben lassen. Dafür sind die Pfarrer vor Ort zuständig, vielleicht sogar untergeordnete, nicht geweihte, Seelsorger(innen). Ein Nichtbeantworten des Briefes wird als persönliche Austrittserklärung, auch vor der Kirche gewertet. Man stelle sich vor, 100.000 Katholiken würden sich zu einem Gespräch anmelden. Die wenigen Pfarrer vor Ort würden in den Wahnsinn getrieben.

Am Sonntag nach der Veröffentlichung wurden in den Hl. Messen folgende Bibeltexte gelesen: Buch Numeri 11, 25 – 29: zwei namentlich benannte Männer weigern sich, mit der Gemeinde zum Offenbarungszelt zu gehen. Dort soll der Geist über sie kommen. „Sie gerieten in prophetische Verzückung“. Und was geschieht mit den beiden zu Hause Gebliebenen? „Auch über sie war der Geist gekommen… und auch sie gerieten in prophetische Verzückung“. Da wird ein übereifriger Schüler des Mose zitiert: „Mose, mein Herr, hindere sie daran!“ Und dieser weise Kirchenmann wirft sie nicht hinaus, sondern erwidert: „Wenn nur der Herr seinen Geist auf sie alle legte!“

Im anschließenden Evangelium nach Markus 9, 38 – 41 hören wir Ähnliches von Jesus. Die Scharfmacher unter den Jüngern kommen zu Jesus: „Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt. Jesus erwiderte: Hindert ihn nicht. Keiner, der in meinem Namen Wunder tut, kann so leicht schlecht von mir reden“.

Kann man dem Prediger oder den Zuhörern(innen) gedankliche Assoziationen zum bischöflichen Vorgang verdenken? Und wie mag dann die Schlussfolgerung nach diesen Bibeltexten gewesen sein?

Das Nichtzahlen der deutschen Art der Kirchensteuer kommt in der Praxis der Gemeinde sehr unterschiedlich vor. Hier zwei Beispiele, die sicher außergewöhnlich sind:
Eine Frau, die ich vom Kommunionkurs der Kinder her kannte, rief mich an, dass ihr Mann verstorben sei. Allerdings müsse sie mir dazu sagen, dass er zwischenzeitlich aus der Kirche ausgetreten sei. Beim Gespräch mit der Familie in ihrem Haus stellt sich heraus: der Mann hatte Krebs und setzte auf alternative Medizin. Die Krankenkassen haben nichts dazu gegeben. Die Familie hat sich finanziell eingeschränkt, um die Behandlung zu finanzieren. Bei der Durchsicht der Ausgaben waren nur noch die Kirchensteuer – Ausgaben, die man sparen konnte. Also entschloss sich der Kranke aus der Kirche auszutreten, „aber er ging fast täglich zum Bildstöckel im Wald, um zu beten“. Die Familie freute sich, dass ich ihren Mann und Vater feierlich beerdigt habe.

Eine andere Frau kam zu mir. Sie war mit einem evangelischen Mann verheiratet, der verstorben war. Er bezeichnete sich als Agnostiker. Als ich meinen Besuch anlässlich der Kommunionvorbereitung der Kinder bei ihnen zu Hause machte, meinte er: „Herr Pfarrer, verderben Sie mir meine Kinder nicht mit der Beichte und der Kommunion“. Meine Antwort: „Am besten kommen Sie mit zu den Elternabenden, dann wissen Sie genau, was mit den Kindern geschieht“. Er kam regelmäßig mit, stellte vor allem kritische Fragen und hat damit die Elternabende sehr bereichert. Bei der Beerdigung waren einige Teilnehmer überrascht, dass da ein Pfarrer, auch noch katholisch, im Anzug beteiligt war. Ich habe ihnen von unserer Begegnung erzählt und auch davon, das dieser Mann mich aufgrund seiner Erfahrung in den Elternabenden geschätzt hat.

Man wird sich bewusst machen müssen, dass die gleichen Bischöfe, die das Dekret mit den „Strafandrohungen“ veröffentlicht haben, zum Teil selbst Ursache für die Kirchenaustritte sind. Sie hätten allen Grund darüber nachzudenken, wie sie zunächst einmal Einsicht dafür zeigen, dass in einer tiefen Enttäuschung ein solcher Schritt auch wegen des Kirchenbildes, das die Bischöfe verursachen, auf Verständnis stößt, wenn auch nicht unbedingt auf Zustimmung.

Die katholische Kirche in Deutschland, die derzeit ein elendes Ansehen genießt und nicht nur durch die Missbrauchsfälle von Klerikern im Tief steckt, will jetzt wohl „Kante“ zeigen. Und sie beginnt ihre Reihen zu schließen, nicht mit überzeugenden Argumenten, sondern durch die Betonung der Bedeutung der Kirchensteuer.
Selbst der Generalvikar von Würzburg Dr. Karl Hillenbrand plädiert dafür, das „neue Reglement für den Umgang mit Kirchenaustritten noch einmal zu überdenken“. Die KNA zitiert ihn mit dem Gedanken, dass es eine stärker seelsorglich orientierte Kontaktaufnahme zu den Ausgetretenen geben müsse.

„Es nutzt wenig, die Menschen nur über die kirchenrechtlichen Folgen ihres Austritts zu belehren.“ Deshalb könne der vor zehn Tagen mit einem Dekret veröffentlichte Begleitbrief „in seiner jetzigen Fassung noch nicht das letzte Wort sein“. Hillenbrand sagte, „es wäre fatal, wenn sich die Situation der Leute nur noch mehr verhärtet, weil sie sich zusätzlich bestraft fühlen“.

Als langjähriger Pfarrer in vier Gemeinden habe ich die „Segnungen“ der deutschen Kirchensteuerregelung kennen und schätzen gelernt. Vieles an baulichen und diakonischen Ansätzen war nur dadurch zu realisieren. Allerdings scheint die Fehlleistung der Bischöfe zu sein, diese Regelung als einen Besitzstand zu sehen, der mit Biegen und Brechen gehalten werden muss. An der Grenze zu Frankreich lebend kann ich ermessen, welch neue Situation eintreten würde, wenn diese Art der Kirchensteuer fallen würde. Dabei würde die Kirche insgesamt wohl geläutert und müsste sich neu und vielleicht auch mit überzeugenden Worten und Taten neu in der Gesellschaft positionieren. Die Alternative zum Wegfall der Kirchensteuerregelung wäre ja dann noch immer, sich dankbar mit den Katholiken zu arrangieren, die ja auch bei geringeren Einkünften das kirchliche Leben mit tragen würden. Es darf dann nicht um den Anspruch an Besitzstandswahrung gehen, sondern darum werbend für überzeugende Projekte zu agieren.

Gegen den Missmut der Katholiken und für eine positivere Einschätzung der Kirche müssten, nicht nur die Bischöfe, deutlich zeigen, welche Ermutigungen sie geben:
Denen, deren Ehe trotz ehrlicher Bemühung der Partner, gescheitert ist. Meist ein Elternteil, dem die Kinder anvertraut bleiben, müht sich neben einer allgemeinen Erziehung auch um die Heranführung der Kinder zum kirchlichen Leben und zum Empfang der Sakramente. Was sagen die Betroffenen, wenn die Bischöfe den Begriff „Barmherzigkeit“ ihnen gegenüber in den Mund nehmen und gleichzeitig veröffentlichen, dass die seelsorgliche Beurteilung dieser Lebenssituation einer Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz, zum wievielten Male eigentlich, zugewiesen wurde.

Was sagt ein Homosexueller oder eine lesbische Frau dazu, wenn Bischöfe immer wieder betonen, die Pfarrer vor Ort sollten dieser Personengruppe mit viel Verständnis begegnen, aber man könne natürlich deren Leben in der Partnerschaft nicht gut heißen. Ein betroffener Jugendlicher, der sich
sehr in seiner Gemeinde in der Vorbereitung auf die Firmung engagiert hat, erlebte eines Tages, dass der Pfarrer ihm sagte: man brauche ihn jetzt nicht mehr. Es hätten sich noch andere gefunden, die diesen Dienst übernehmen würden. Dabei wusste der Jugendliche ganz genau, dass dem Pfarrer seine sexuelle Veranlagung bekannt wurde.

Welcher selbstbewusste Katholik erträgt es auf Dauer, dass sein Engagement in der Gemeinde erwartet wird, der Pfarrer aber das entscheidende Wort hat und er nur selbst als dessen Alibi bei der Abstimmung gefordert ist. Pfarrgemeinderat, Dekanatsrat, Diözesanrat, Priesterrat.
Die Mitglieder dieser Gremien dürfen Ratschläge geben oder raten, was der Pfarrer oder Bischof bereits beschlossen hat.

Die Bischöfe erklären immer wieder, dass wir im Augenblick keine Kirchenkrise, sondern eine Glaubenskrise hätten. Natürlich mag es auch eine Glaubenskrise geben, die auch theologisch aufgearbeitet werden müsste, aber zu behaupten, dass es keine Kirchenkrise gebe, die u.a. auch dazu führt, dass viele die Kirche verlassen, ist schon eine Ungeheuerlichkeit.

Es ist fatal, was die Bischöfe mit ihrem Dekret, mit dem sie „Klarheit“ für die Kirche in Deutschland schaffen wollten, an Schäden anrichten. Es bleibt nicht nur bei den Distanzierten der Eindruck: es geht ums Geld. „Geld regiert die Welt“, auch die Kirche in Deutschland.


© imprimatur Dezember 2012
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