Wir, Priester des Bistums Limburg, nehmen die Einladung zum Dialog auf, die bei der Eröffnung des Dialogprozesses der deutschen Bischofskonferenz in Mannheim ausgesprochen wurde. Wir wollen ihn bistumsintern fortführen und befördern. Wir sehen uns dabei in der gemeinsamen Verantwortung des Presbyteriums mit dem Bischof, wie es im Konzil zum Ausdruck gebracht wurde: „Alle Priester haben zusammen mit den Bischöfen an ein und demselben Priestertum und Amt Christi teil, so dass diese Einheit der Weihe und Sendung ihre hierarchische Gemeinschaft mit dem Stand der Bischöfe erfordert.“ (Dienst und Leben der Priester II.7)
Angesichts der tiefgreifenden Veränderungen in unserem Bistum haben wir uns getroffen und unsere Beobachtungen, Sorgen und Wünsche zusammengetragen.
1. Kirchlicher Wandel ist getragen vom Vertrauen auf das Evangelium Jesu Christi. Im Blick auf ihn verliert die Kirche ihre Angst um sich selbst.
Der Seewandel Petri zeigt, dass die Kirche im Blick auf Jesus Christus auch
in scheinbar aussichtslosen Situationen neue Wege gehen kann. Doch auch Petrus
ist
ebenso wie die Jünger im Boot nicht frei von Ängsten, die ihn in die
Tiefe ziehen.
Wir beobachten aktuell mit Sorge, dass Priester, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
im pastoralen Dienst und Engagierte in der caritativen Arbeit zunehmend Furcht
vor Bischof und Bistumsleitung entwickeln. Sie sorgen sich, ob ihr Reden und
Tun den kirchlichen Ansprüchen genügt, ob sie auch in Zukunft in der
Kirche Heimat finden. Sie haben den Eindruck, dass die „Orthodoxie“
Priorität hat vor dem seelsorglichen Bemühen um moderne Menschen,
die in unserer Zeit vielfach der Kirche fremd gegenüber stehen, aber durchaus
offen sind für neue Zugänge zum Glauben und zur Liturgie. Die notwendige
Bemühung um Weite und pastorale Kreativität sehen sie in Frage gestellt.
Ob diese Sorge berechtigt ist oder nicht: wir empfinden, dass eine Atmosphäre
lähmender Furcht auf dem Bistum lastet. Dies nimmt Lebensfreude, Freude
an der Arbeit, nicht zuletzt Freude an der Kirche. Sie blockiert den Mut zum
Weitergehen. Es kann und darf nicht sein, dass die Kirchenleitung gewollt oder
ungewollt Angst auslöst und so das Engagement der Priester sowie der haupt-
oder ehrenamtlich Mitarbeitenden lähmt. Wir erinnern uns an das, was Kardinal
Kasper schon 1972 schrieb: „Die Kirchlichkeit des Glaubens drückt
sich nicht primär in der Gehorsamshaltung gegenüber dem kirchlichen
Amt aus.
Kirchlichkeit äußert sich nicht in erster Linie im Nicken und Schlucken,
sondern im gegenseitigen Aufeinanderhören und Aufeinandereingehen. Jeder
soll den andern im Glauben tragen, anregen und, wenn es sein muss, auch kritisieren.“
(zit. nach Walter Kasper, Einführung in den Glauben, S. 125)
Wir ermutigen unseren Bischof und die Bistumsleitung, sich offen die Fragen und Klagen, die Nöte und Sorgen der engsten Mitarbeitenden anzuhören, sie in Überlegungen und Entscheidungen einzubeziehen und auch eigene Meinungen zu korrigieren. Wir sind davon überzeugt, dass dies die Glaubwürdigkeit des Bischofs erhöht und das Wir-Gefühl in unserer Diözese neu befördert.
2. Als königliche Menschen, Propheten und Priester haben alle Getauften Anteil an der dreifachen Aufgabe, die das Bischofsamt verkörpert (Leitung, Lehre und Heiligung).
„Der Geist ist nach dem Zeugnis der Schrift allen Getauften gegeben. Er ist nicht exklusiv einem bestimmten Stand in der Kirche vorbehalten. Alle sind Geistliche! Die Vollmacht und die Sendung zur Bezeugung der „Sache Jesu“ in der Geschichte kommt grundsätzlich der Kirche insgesamt und allen ihren Gliedern zu.“ (zit. nach Walter Kasper, Einführung in den Glauben, S. 124)
„Alle sind Geistliche“ – dieses Bewusstsein hat uns im Bistum Limburg bisher mit Überzeugung den synodalen Weg gehen lassen. Er verlangt bei den wichtigen pastoralen Entscheidungen den echten Dialog und nicht bloß die gehorsame Zustimmung nach getroffener Entscheidung. Was alle betrifft, soll auch von allen besprochen und entschieden werden. Deshalb muss der Dialog so angelegt sein, dass die Beteiligten den Eindruck gewinnen, mit ihren Anliegen auch wirklich gehört und verstanden zu werden. Intransparente Entscheidungsprozesse haben bei vielen in der jüngeren Vergangenheit für Unmut gesorgt. Unbeschadet der Letztentscheidungskompetenz des Bischofs müssen Entscheidungsprozesse offen und nachvollziehbar gestaltet werden.
Dann wird das von der Kirchenleitung immer wieder erhoffte und geforderte stärkere Engagement von Ehrenamtlichen in der Kirche auch bei selbstbewussten und starken Persönlichkeiten auf Resonanz stoßen.
Ehrenamtliche in der Kirche wollen, wenn es um strittige Themen geht – wie z.B. den Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, Paaren ohne kirchlicher Eheschließung, Menschen, die den Zölibat in Frage stellen, die Stellung der Frau in der Kirche - ernst genommen werden.
Sie wollen von Seiten des Bischofs und der Bistumsleitung erfahren, dass sie diese Themen selbst als lösungsbedürftig ansehen und zum Nachdenken über neue Schritte ermutigen.
3. Der Wandel der Kirche wandelt Berufsbilder und Strukturen. Eine erfolgreiche Bewältigung des Veränderungsprozesses hängt auch davon ab, wie es gelingt, mit Vertrauen und Geduld einander zu begleiten, zu ermutigen und zu führen.
Die Nerven aller an der Gemeindepastoral Beteiligten sind angesichts der Diskussion über die passende Gemeindestruktur der Zukunft bis zum Äußersten strapaziert. Strukturen sind zwar nicht alles, aber doch hilfreich und notwendig für ein geordnetes Gemeindeleben. Vertraute Gemeindestrukturen können vielfach der demographischen Entwicklung nicht standhalten.
Wie aber lassen sich Zuordnungen im Mit- und Nebeneinander benachbarter Gemeinden finden, die Gemeinsames stärken und örtliche Eigenarten zulassen?
Wie kann es geschehen, dass die Aufgaben Hauptamtlicher in der Pastoral nicht immer mehr von administrativen Aufgaben eingeschränkt werden?
Immer mehr Seelsorgerinnen und Seelsorger formulieren für sich: unter diesen Umständen bin ich nicht in die Pastoral gegangen. Sie müssen erkennen, dass sich ihr Berufsbild radikal verändert und dass sie Dinge vertreten müssen, die sie so nicht verantworten können. Pfarrer werden zu „Bischöfen“, die vor allem in ihrer Leitungskompetenz angefragt sind und kaum noch Zeit für direkte Seelsorge haben. Darüber hinaus sehen wir, dass in Zukunft noch weniger Priester für die Pfarreien neuen Typs bereit stehen werden. Pastoral- und Gemeindereferenten/innen werden nicht mehr als Bezugspersonen oder Pfarrbeauftragte eingesetzt. Sie fühlen sich in ihren Kompetenzen nicht wertgeschätzt. Der Veränderungsprozess ist vielschichtig. Traditionen und Gewohnheiten stehen auf dem Prüfstand.
Die Suche nach einer zeitgemäßen Pastoral braucht motivierte Sympathisanten.
Viele haben in der zurückliegenden Zeit aktiv mit den Gemeinden Veränderungsprozesse angestoßen und durchgeführt. Der Wille und die klare Erkenntnis, eine Kirche der Zukunft zu gestalten, sind da. Die „Pfarrei neuen Typs“ bietet auch Perspektiven. Manches ist aber eine Frage des Tempos und der Sorge für diejenigen, die mit den Veränderungen nicht Schritt halten können.
Mit großer Sorge sehen wir wachsende Resignation, Ermüdungserscheinungen, zunehmende Krankheitsfälle, sowie Rückzugstendenzen unter Priestern, Diakonen, pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es bedarf dringend konkreter Antworten auf ihre Frage: Was hilft und motiviert uns, den Weg in die Zukunft zu gehen?
4. Pastoral und Liturgie korrespondieren miteinander. Eine Seelsorge des neuen Bundes (1 Kor 3,6) führt Menschen dazu, mit „unverhülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn zu sehen“, damit sie – und dies bringt die Liturgie des neuen Bundes zum Ausdruck – in sein Ebenbild verwandelt werden, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit (1 Kor 3,18).
Jenseits unserer Strukturdebatten sehen wir eine große Zahl von spirituell Suchenden, die nicht zu den regelmäßigen Besuchern unserer Gemeinden gehören. Sie suchen „Seelsorge mit Gesicht“. Sie wollen Menschen begegnen, die sich Zeit für sie nehmen und ihnen verständlich und alltagstauglich den christlichen Glauben nahe bringen. Wo Vertrauen aufgebaut ist, kann auch Gottvertrauen in der Liturgie gefeiert werden.
Wenn sich der liturgische und seelsorgliche Dienst der Priester immer weiter auseinander entwickelt, besteht die Gefahr, dass der Priester nur noch als Liturge, aber kaum noch als Person erlebt wird.
Die Verbindung zwischen Gott und Volk Gottes darf nicht nur für liturgisch Geschulte erfahrbar werden. Darum ist es erforderlich, im Rahmen des Dialogprozesses auch über nicht-eucharistische Liturgien und Sakramentalien weiter nachzudenken.
5. Die Visitenkarte missionarischer Seelsorge heißt Caritas. Bereitschaft zur Bewegung gewinnt im Dialog mit den Kompetenzen des Caritasverbandes und der Gemeindecaritas an Tiefenschärfe. Eine Kirche, die sich den Armen und Notleidenden unserer Zeit zuwendet, ist lebensdienliches Werkzeug der Caritas Dei.
Das caritative Engagement der Kirche verleiht ihr in unserer Gesellschaft hohe Anerkennung und Wertschätzung. Einen großen Dienst leisten dabei die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Caritasverbandes und der Gemeindecaritas. Es drängt sich der Eindruck auf, dass ihnen anstelle der gebührenden Anerkennung seitens kirchlicher Entscheidungsträger Skepsis und Argwohn begegnen. Mitarbeitende des Caritasverbandes fühlen sich der nicht zureichenden Kirchlichkeit verdächtigt. Schürt die Größe und Professionalität des Verbandes Misstrauen und Neid?
Ein klares, positives Signal des Bischofs und der Bistumsleitung an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Caritasverbandes erscheint uns dringend angesagt. Auch die Ehrenamtlichen der Gemeindecaritas wünschen sich hörendes Interesse und Wertschätzung. Den aktuellen Fastenhirtenbrief verstehen wir als Auftakt einer Kurskorrektur. Wir wünschen uns, dass dieser Impuls in einem nachhaltigen Dialog fortgesetzt wird, den auch das Ordinariat unterstützt.
6. Dialog will gestaltet sein. Unsere Vorschläge zur Strukturierung des Dialogprozesses der deutschen Bischofskonferenz im Bistum Limburg
Die Themenkreise unseres Papiers bedürfen einer strukturierten Bearbeitung im mitbrüderlichen Gespräch und synodaler Beratung.
Wir schlagen vor, dass zunächst ein Gespräch mit dem Bischof und dem Kreis der Unterzeichner stattfindet. Dazu bitten wir um einen Termin.
Danach werden wir das Papier an die synodalen Gremien, Priesterrat und Diözesansynodalrat,
als Vorschlag und Anregung zur weiteren Beratung geben.
Unser Ziel ist es, einen moderierten Pastoralentwicklungsprozess der synodalen
Gremien und der Bistumsleitung zu initiieren, der das Miteinander im Bistum
stärkt, vertieft und erneuert.
Hofheim, 25.03.2012
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