Auslöser des Offenen Briefes von Prof. Luft war eine Äußerung von Pater Rydzyk in Zusammenhang mit seiner Polemik gegen den Polnischen Radio- und Fernsehrat. Diese in Radio Maryja seit Monaten anhaltende Polemik richtet sich gegen dessen Weigerung, Pater Rydzyk die von ihm gewünschte Ausweitung der Senderechte für den Fernsehsender Tram zu genehmigen. Dem Rat gehört auch der Sohn von Prof. Luft an. Dies nahm Pater Rydzyk zum Anlass, Prof. Luft in diese Polemik mit einzubeziehen, indem er erklärte: „Ich habe gehört, dass Papa im erzdiözesanen Seminar Pastoralmedizin lehrt. Bitte, wenden Sie sich an Ihren Sohn und sagen Sie ihm: 'Mein Sohn, was machst du denn da?'“
Seine Exzellenz
Ezbischof Józef Michalik
Vorsitzender der Polnischen Bischofskonferenz
Exzellenz
Hochwürdigster Herr Erzbischof
Ich schreibe an Sie aus Sorge um die Kirche Gottes in Polen, ihre Integrität und ihr Ansehen. Ich bin emeritierter Professor der Rheumatologie, doch parallel zu meiner Arbeit als Arzt hielt ich 55 Jahre lang im Warschauer Priesterseminar Vorlesungen zur Pastoralmedizin, wofür ich vom Heiligen Vater Johannes Paul II. mit der Auszeichnung „Pro Ecclesia et Pontifice“ geehrt wurde. Ich richte meine Worte als offenen Brief an den Episkopat, weil ich in Zusammenhang mit der öffentlichen Tätigkeit meines Sohnes von Pater Tadeusz Rydzyk in Radio Maryja sowie in den Spalten des „Nasz Dziennik“ öffentlich angefeindet wurde. Diesen unglücklichen Vorfall halte ich für inakzeptabel, doch bei ihm handelt es sich nur um eine kleine Episode, die allerdings Veranlassung dazu bietet, auf äußerst bedrohliche Erscheinungen in der polnischen Kirche zu verweisen, wie sie u. a. mit einem Teil katholischer Medien unter dem Patronat von Pater Rydzyk verbunden sind.
Sieben Jahre nach dem Tod des polnischen Papstes, der über drei Jahrzehnte die polnische Kirche zusammen hielt, ist diese heute dramatisch gespalten. Die polnischen Katholiken sind geteilt in „wahre“ Katholiken und solche, welche diese Bezeichnung nicht verdienen. Auf gleiche Weise unterteilt man die Polen. Vor sieben Jahren gingen im Rahmen großer Rekollektionen, wie sie beim Hinscheiden von Johannes Paul II. stattfanden, Millionen von Polen auf die Straße, um Einheit und Gemeinschaft zu erfahren. Heute bringt man polnische Katholiken auf die Straße, um unter dem Kreuz und dem Bild der Gottesmutter, politische Schlagworte gegenüber Andersdenkenden voller Abneigung, ja selbst voller Hass, von sich zu geben.
Exakt fünfzig Jahre nach Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils sieht sich die polnische Kirche einer ernsten Krise gegenüber – droht ihr ein Bruch sowie eine massenhafte Abwanderung von Gläubigen; wir beobachten ein Schwinden des Konzilsgeistes. Statt einer „offenen Kirche“ als Antwort des Konzils auf die Probleme heutiger Welt, offeriert man heute eine sich zu einer „belagerten Festung“ verschließende Kirche mit einer Abneigung gegenüber der sie umgebenden Wirklichkeit. Statt einer Kirche der Liebe und der Toleranz offeriert man eine Kirche des Kampfes, ja des Krieges. Das konziliare Prinzip einer Trennung der Religion von der Politik, das übrigens direkt bis zur Quelle des Christentums, bis zur Lehre Christi zurückreicht, wird heute ohne die geringsten Skrupel verletzt.
Die Medien, die sich selbst „katholische Stimme in deinem Haus“ nennen, engagieren sich nicht nur zur Unterstützung konkreter politischer Strömungen, sie organisieren geradezu gemeinsam mit Parteien politische Aktionen und Demonstrationen. Das ist mit der Lehre der Kirche, wie sie in der Pastoralkonstitution über die Kirche in der heutigen Welt (Art. 76) enthalten ist, ebenso unvereinbar wie mit den Bestimmungen des Konkordats. Politische Spaltungen, wie sie zur Natur einer jeden demokratischen Gesellschaft zählen, in Polen aber ausgesprochen tief gehen, werden in diesen Medien zusätzlich geschürt. Schlechte Emotionen werden in Gang gesetzt und Hass wird geweckt, der von Zeit zu Zeit in Form schlimmer Vorkommnisse, z. B. während Festlichkeiten und staatlichen Feierlichkeiten öffentlich zum Ausdruck kommt. Als Veteran des Warschauer Aufstands war ich dessen persönlicher Zeuge.
Dies alles geschieht im stillen Einverständnis der offiziellen Organe
der hierarchischen Kirche, und die Stimmen des Widerspruchs einzelner Bischöfe,
die es einmal häufiger gab, werden zunehmend isoliert.
Diese bedrohlichen Tendenzen sind dabei, die Oberhand zu gewinnen, wenngleich
sie natürlich nicht die gesamte Kirche erfassen. Die Mehrheit polnischer
Katholiken engagiert sich nicht bei lautstarken politischen Demonstrationen
und fühlt sich nicht in einem angeblich unfreien Land diskriminiert. Aber
dafür beginnen immer mehr Menschen, sich in der Kirche unbehaglich zu fühlen.
Ich möchte niemandem das Recht absprechen, seinen Glauben auf verschiedene
Weise zu leben, doch man kann leicht zu der Überzeugung gelangen, dass
sich lauthals eine Minderheit der Kirche bemächtigt und sie in eine politische
Partei umformt. Sowohl die historische Erfahrung als auch die Beobachtung der
heutigen Welt zeigen, dass überall dort, wo es zu einer Vermischung der
Religion mit der Politik kommt, sich die politischen Konflikte verschärfen
und der große Verlierer die Religion ist, die geschwächt wird und
die Kraft ihrer moralischen Sendung einbüßt.
Auf uns alle, doch insbesondere auf die Hirten der polnischen Kirche, auf den Episkopat und seine Strukturen lastet heute eine gewaltige Verantwortung, diese verderbliche Richtung zu ändern. Man muss heute betont daran erinnern, dass die Allgemeine Kirche ihrer Definition nach allumfassend ist. In ihr ist Platz für jeden Menschen, ohne Rücksicht auf die politische Farbe und auf die Nationalität. Man muss sich in Erinnerung rufen, dass die Kirche verbindet und nicht trennt.
Ich bin bereits ein alter Mensch – Glaube und Kirche waren der Inhalt meines gesamten, beinahe neunzigjährigen Lebens. Und daran wird sich ganz gewiss nichts ändern, denn ich weiß um die Heiligkeit der Kirche. Doch Menschen, bei denen das Gefühl des sacrum schwach entwickelt ist, verlassen die Kirche, der Institution überdrüssig sowie mit Abneigung gegenüber der Thorner Radiostation, deren sich zunehmend eine sich im Einklang mit politischen Parteien befindliche Gruppierung bemächtigt. Im Namen der Zukunft der Kirche in Polen, im Namen ihrer Einheit, bitte ich die Bischöfe und appelliere an sie, die für die Kirche wie für Polen so bedrohlichen Tendenzen zu bedenken und abzuwenden.
Mit christlichem Gruß
Hochachtungsvoll
Stanislaw Luft
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