Weibliche Verkündigungs-Kompetenz fördern

Imprimatur: In einer Zeit, da vermehrt die Teilnahme auch von Frauen an der Verkündigung in der katholischen Kirche gefordert wird, ist es wichtig, Beispiele aufzuzeigen, wie auch das Ihre. Sie wurden 1984 eingeladen, das „Wort zum Sonntag“ zu sprechen. Sie haben sich im Rahmen der Fernseharbeit dafür qualifiziert und diese Ansprachen von 1984 bis 1990 gehalten.
Wie kamen Sie zu dieser Aufgabe? Wer hat Sie angesprochen und dafür vorgeschlagen?

I. Rech: Zunächst hat mich ein Priester gefragt, ob ich keine Lust hätte, bei der Sendung „Glauben Heute“ im SR mitzumachen. Da es noch wenige Frauen gab, die Theologie studiert hatten, wurde nach ihnen gesucht. Nach 7 Jahren Tätigkeit in diesem Sprecherteam wurde ich dann – als die katholische Kirche tournusmäßig an der Reihe war, für die ARD einen „Wort zum Sonntag“-Sprecher vorzuschlagen - vom Bischöflichen Beauftragten Pfarrer Karl Heinz Pfeiffer sowie vom Leiter des Kirchenfunks Herrn Norbert Sommer zusammen mit drei Priestern zu einer Probesendung eingeladen. Beide Medienleute hatten gemerkt, dass da grundsätzlich eine Frauenstimme fehlt. Zu der Zeit waren sowohl im Deutschen wie im Österreichischen Fernsehen dafür nur Priester vorgesehen. Doch im Schweizer Fernsehen bekannte man sich schon ausdrücklich bei der Sprecherwahl zur „Pluralität der Geschlechter“.

Imprimatur: Sie konnten also in eine Männerdomäne einbrechen, weil es Männer gab, die Sie für geeignet hielten. Mit welchen Gefühlen haben Sie die Aufgabe übernommen?

I. Rech: Als ich die Mitteilung erhielt, dass eine damals noch aus Kirchenvertretern und Fernsehleuten bestehende Jury mich an erster Stelle und einen Priester als meinen Vertreter gewählt hatte, fand ich das ganz in Ordnung, dass es einmal so herum sein sollte. Ich hatte beim Anschauen der Beiträge meiner priesterlichen Mitbewerber das Gefühl, dass sie aus einer geschlossenen Glaubenswelt heraus sprachen, die damals schon weit weg von einem Großteil der Zuschauer war. Ich hatte einfach Lust, lebensnäher über den Glauben zu reden.

Imprimatur: Wie waren die Reaktionen aus dem Zuschauerkreis? Können Sie uns Beispiele nennen?

I. Rech: Die Reaktionen waren sehr extrem, sowohl von konservativer Seite wie von Seiten der aufgeschlossen und progressiv denkenden Zuschauer. Die Rechtgläubigen wollten mich weg haben, die Begeisterten baten die Redaktion des Kirchenfunks, mich verstärkt in Funk und Fernsehen einzusetzen. „Sie haben ein phantastisches „Wort zum Sonntag“ gesprochen. Ihr Wort zum Sonntag fiel Gott sei Dank einmal aus dem gewohnten langweiligen Rahmen“, hieß es, auch: „Ich fand ihre Rede (zu Pfingsten) mutig und dringend nötig.“

Oder: „Ihr Wort über die Treue und die Begeisterung in der Ehe hat mich zutiefst beeindruckt. Möge es Eingang in die Herzen vieler Menschen finden!“
Erschrocken war ich über die Heftigkeit der verbalen Schläge von Seiten der Strenggläubigen. Da viele mich für eine evangelische Pfarrerin hielten, bekam ich auch Schläge von dieser Seite:„Sie sind ein falscher Prophet!“ Als ich an Fastnacht über den Tanz sprach, forderte man mich zur Buße auf, die Grenze des Blasphemischen sei erreicht. Und mehr als einmal bekam ich gesagt, das Evangelium in der Öffentlichkeit zu predigen sei allein die Aufgabe der geweihten Priester.

Imprimatur: Es waren also wohl nicht nur Ihre Worte, die angesprochen haben, man hat Ihnen wohl angespürt, dass Sie mit ihrer ganzen Person hinter dem standen, was sie sagten. Es wurde Ihnen zugetraut, dass Sie im diakonischen Sinn eine Antwort bereit hatten?

I. Rech: Ja, auf so viele Hilferufe war ich nicht eingestellt. Wenn ich in einem Brief las: “Ich schreibe Ihnen, weil ich so verzweifelt bin und mir Ihre Worte bis ins Innere gedrungen sind“, dann war ich zur Hilfe herausgefordert. Es wurde mir klar, dass die Aufrichtigkeit einer Predigt auch am helfenden Tun gemessen wird. Ich bekam Einblicke in so viel Unglück, dass die Zeit nach einem „Wort zum Sonntag“ jedes Mal sehr belastend für mich war. Ich schrieb tröstende Briefe, aber lang nicht an alle, die Hilfe brauchten. Eine Frau, die ihren Sohn durch einen Unfall im eigenen Dachdeckerbetrieb verloren und seitdem einen sprachlosen Mann hatte, begleitete ich brieflich bis zu ihrem Tod. Unvergesslich sind mir die Dankesworte einer jungen Frau, deren Mann kürzlich gestorben war: “Sie haben mich wieder ins Leben zurückgeholt.“

Materielle Hilfe war auch gefordert. Viele Geschenkpakete gingen in die DDR. Dabei halfen mir die evangelischen Frauen. Gerade aus der DDR kamen aber auch rührende Geschenke wie selbstgebastelter Fensterschmuck und Weihnachtsdekoration aus dem Erzgebirge.

Imprimatur: Nach Ihrer Erfahrung aus der Zeit, als Sie in dieser Verkündigungssendung als verheiratete Frau und Mutter Pionierin waren, beobachten Sie sicher die Weiterentwicklung vom Einsatz der Frauen bei der Verkündigung – im Fernsehen im Rundfunk, in dem Sie seit 35 Jahren mit inzwischen einer Reihe anderer Frauen sprechen, und auch in den Gemeinden vor Ort. Was ist Ihre Einschätzung?

I. Rech: Ich käme heute nicht mehr als absolute Laiin für das „Wort zum Sonntag“ in Frage. Auch bei den Evangelischen waren bisher nur ordinierte Frauen dabei. Derzeit sind in der Viererriege bei den Protestanten zwei Pfarrerinnen, bei den vier katholischen Sprechern gibt es nur eine Frau, eine Pastoralreferentin. Die Verkündigungssprecher in meinem Rundfunkteam sind zu einem Viertel Frauen, also immer noch zu wenige. Auf der „Kanzel“ in den Gemeinden dürfen Frauen weder das Evangelium lesen, geschweige denn es auslegen. Bei dem jetzigen Priestermangel tun das vermehrt die geweihten Diakone, und den Frauen bleib die Predigt versperrt. Dabei könnten insbesondere die Frauen der Kirche helfen, eine neue Sprache für die Verkündigung zu finden, die näher am Alltagsleben der Menschen ist. So wie es heute ist, bleibt die Erlebniswelt sowie das Denken und Fühlen der Frauen im Kirchenraum aus der Verkündigung ausgeblendet. Mir fällt auf, dass jüngere Gemeinde- oder Pastoralreferentinnen sich lieber den priesterlichen Erwartungen anpassen, als Neues zu wagen und ihrer Arbeit ein eigenes Profil zu geben. Ich freue mich immer, wenn Frauen in der Kirche Eigenständigkeit gelingt.

Imprimatur: Warum glauben Sie, werden Frauen auf dem desaströsen Hintergrund der Gemeindeentwicklung nicht öfter gebeten, sich im Rahmen der Gemeindeverkündigung zu engagieren? Spielen da Ängste eine Rolle, von Seiten der Oberkirche oder auch von Seiten der Gemeinden vor Ort, die immer noch „ihren Pastor“ im Einsatz sehen wollen?

I. Rech: Ich hatte das Glück, auf Männer der Kirche zu stoßen, die mir, statt zu sagen, du darfst mitmachen, signalisiert haben: Wir brauchen dich! Uns fehlt etwas, wenn du nicht mit machst! Das sollten alle Männer der Kirche, die jetzt noch im Amt sind, den Frauen zu verstehen geben. Aber die Geringschätzung der Frau, die über die tausend Jahre hinweg als von Gott bestimmt in die Frauen und Männer hineingepredigt wurde, geistert als böses Hausgespenst noch in jeder Ortskirche herum und verdirbt die Luft. Frauen trauen sich immer noch zu wenig zu, die Pfarrer sind noch zu wenig beherzt, ihre angemaßte Rolle von der Kanzel aus selber infrage zu stellen. Während die Unternehmerväter die Führung ihres Betriebes schon längst auch ihren Töchtern anvertrauen, wird ihnen jedes Amt in der Kirche verweigert. Sie bleiben nur unteres Aushilfspersonal. Das verdirbt das Klima unter den mitarbeitenden Frauen derart, dass sie sich nicht selten gegenseitig in ihrer Arbeit blockieren, statt zu stützen.

Imprimatur: Sie sprechen nicht nur im Rundfunk, Sie engagieren sich auch vor Ort bei der Suche nach neuen Gottesdienstformen. Sie sind auch im Redaktionsteam einer kirchenkritischen Zeitschrift imprimatur tätig. Spielt die kritische Sicht auf die konkrete Entwicklung der katholischen Kirche auch eine Rolle bei der Ablehnung?

I. Rech: Aus eigener Fraueninitiative heraus, ohne die Kontrolle durch einen Pfarrer, gestalten wir in unserm leer gewordenen Pfarrhaus einen gern besuchten Morgenlob-Gottesdienst. Pfingsten 1988 habe ich in meinem „Wort zum Sonntag“ der katholischen Kirche vorgeworfen, sie habe den pfingstlichen Geist, den Petrus in der Apostelgeschichte den Söhnen und den Töchtern zugesagt hat, den Frauen bis heute verweigert. Der Trierer Bischof Spital hielt das für überzogen, Bischof Manfred Müller aus Regensburg bat mich, diese Kritik in einem zweiten „Wort zum Sonntag“ zurückzunehmen. Von da an war ich den Kirchenleuten nicht mehr geheuer. Sie setzen bis heute lieber auf Frauen, die in ihrem Sinn kirchenaufbauend reden und die Botschaft Jesu in ihrem Sinne auslegen. Im Saarländischen Rundfunk werden mir kritische Einwände durchaus zugestanden. Gerade aus der Tradition heraus lassen sich notwendige Reformforderungen erheben. Den Papst zu rühmen, weil er Hildegard von Bingen in den Rang einer Kirchenlehrerin erhoben hat, ist zu wenig. Sie würde heute, wie Edith Stein es getan hat, die Teilhabe der Frauen am Amt fordern. Unsere Kirche braucht dringend eine von Laien, besonders von Frauen modifizierte Glaubenssprache, die es vermag, aus Erstarrungen zu befreien. Die immer leerer werdenden Kirchen lassen befürchten, es könnte zu spät sein.


© imprimatur Dezember 2012
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