Leserforum

Offener Brief an Dr. Stephan Ackermann

Bendorf, Reformationstag 2012

Sehr geehrter Herr Bischof Dr. Ackermann,

im Kirchlichen Amtsblatt für das Bistum Trier, Ausgabe vom 1. Oktober 2012, haben Sie unter der Nr. 162 das „allgemeine Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt“ veröffentlicht und somit für die katholischen Christinnen und Christen im Bistum Trier in Geltung gebracht. Dagegen die Stimme zu erheben, scheint mehr als angebracht.

Befremdlich ist zunächst, dass sich die in der Überschrift des Dekretes gewählte Begrifflichkeit „Kirchenaustritt“ nicht auf die entsprechenden Landesgesetze für Rheinland-Pfalz und das Saarland bezieht, da hier lediglich vom „Austritt aus einer Kirche, Religionsgemeinschaft oder Weltanschauungsgemeinschaft des Öffentlichen Rechts“ bzw. vom „Austritt aus der Religionsgemeinschaft Öffentlichen Rechtes“ gesprochen wird. Die Aufnahme des finanzsteuerlichen Begriffes „Kirchenaustritt“ verstärkt den Verdacht, dass es den Bischöfen primär ums Geld geht und sie das dahinterliegende Problem in seiner fundamentalen Bedeutung überhaupt nicht im Blick haben. Für nicht wenige Christinnen und Christen ist die jetzige Regelung nicht mehr akzeptabel; viele nichtchristliche Bürgerinnen und Bürger wünschen sich eine stärkere Trennung von Staat und Kirchen. Hinter der von den Deutschen Bischöfen angesprochenen und monierten „Erklärung des Kirchenaustritts vor der zuständigen zivilen Behörde als öffentlicher Akt“ steckt – wie auch im Dekret ausgesprochen - kein gesamtkirchliches Problem sondern eine partikularrechtliche Streitfrage, weil die geltende Regelung nicht mehr von der Mehrheit der deutschen Katholikinnen und Katholiken getragen wird. Deshalb wäre es mehr als angebracht gewesen, statt eines Strafbefehls in landesfürstlicher Manier einen innerkirchlichen Meinungsbildungsprozess anzuregen. Ohne große Probleme wäre es für die Übergangszeit bis zu einer einheitlichen Neuregelung möglich gewesen, andere Wege der finanziellen Mitverantwortung und alternative Formen der Kirchenbindung aufzuzeigen.

Die regide Vorgehensweise der Deutschen Bischofskonferenz werden viele katholische Christinnen und Christen als Ärgernis empfinden. Es ist nicht auszuschließen, dass das Dekret mit seinen Strafandrohungen den Distanzierungsprozess innerhalb der Katholischen Kirche in Deutschland verstärken wird. Die Einhelligkeit der Entscheidung der Bischofskonferenz ist erneut für Viele ein Indiz, wie groß die Entfremdung zwischen den Bischöfen und dem katholischen Volk Gottes geworden ist. Auch lässt die im Dekret erwähnte Rekognoszierung durch die Römische Kongregation der Bischöfe eher eine schwache Rechtsposition innerhalb der Katholischen Gesamtkirche vermuten.

Die deutschen katholischen Bischöfe in Deutschland werden sich in Zukunft fragen lassen müssen, warum sie nicht in anderen wesentlichen Fragen energisch eine partikularrechtliche Regelung gegenüber den Vatikanischen Behörden erwirken, um ihrer pastoralen Verantwortung gerecht zu werden. Die jüngste partikularrechtliche Übernahme von verheirateten Priestern der anglikanischen Kirche ist ein Beispiel, wie groß der Spielraum ist, wenn es um die Interessen des Vatikans geht.
Abschließend ist zutiefst zu bedauern, dass sich die Katholischen Bischöfe nicht zunächst bei all denen entschuldigt haben, die durch die bisher geltenden Bestimmungen wegen ihrer standesamtlichen Erklärung exkommuniziert worden sind.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Kittlauß


Horst Hohmann

Wer hilft uns aus der Klima-Falle?

Lieber Joseph,

als ich am 24. Juni 2012 – gleich am ersten Tag meines Deutschlandurlaubs – morgens im ICE Richtung Saarbrücken saß, kullerte mir genau zwischen Wächtersbach und Hanau aus der Sitzgruppe schräg gegenüber ein rotes Lego-Klötzchen vor die Füße. Ich hob es auf und reichte es Leo (6) zurück, der zusammen mit seinem kleineren Bruder Jens (3) gerade dabei war, ein neues Haus für die Oma im Allgäu zu bauen. Ich beglückwünschte die junge Mutter der beiden. Sagte ihr, dass ich es beispielhaft fände, wie geduldig und klug sie auf die „tausend Fragen“ ihrer Kinder antworte.

Die Frau bedankte sich freundlich für das Kompliment und sprach dann ein „Wort zum Sonntag“, das mir bis heute nicht aus dem Kopf geht: „Es wäre unerträglich für mich, wenn Leo und Jens plötzlich keine Fragen mehr stellten“.

Wir beide wissen aus langer Erfahrung, dass die Qualität des Klimas in unseren Familien und in unserer Kirche wesentlich davon abhängt, ob wir Fragen zulassen
oder nicht.

Du erinnerst dich bestimmt noch, dass wir in den Jahren vor dem 2. Vatikanischen Konzil bestenfalls hinter vorgehaltener Hand unsere Meinung sagen durften. Es herrschte ein Klima der Angst. Synodale Gremien existierten nicht. „Dialog auf Augenhöhe“ galt der Obrigkeit als eine Erfindung des Teufels!

Es wuchs dann in den 1950er Jahren unter Bischöfen, Priestern und Laien weltweit das Verlangen, die Fesseln der übermächtigen, repressiven römischen Kurie abzustreifen und den Zustand kollektiver Klaustrophobie in der Kirche zu beenden.

Als Johannes XXIII. im Oktober 1962 das 2. Vatikianische Konzil eröffnete, stand für die über 2000 Teilnehmer der illustren Versammlung der Wunsch nach einem neuen „Betriebsklima“ in der Kirche an oberster Stelle. Aufgeschlossen, geschwisterlich und solidarisch sollten wir künftig miteinander umgehen.

Je öfter ich im Kleinen Konzilskompendium von Karl Rahner und Herbert Vorgrimmler die Texte der Kirchenversammlung und die dazu verfassten Kommentare lese, mein lieber Freund, umso häufiger stoße ich dort ausdrücklich oder zwischen den Zeilen auf die Forderung nach einem „Gesinnungswandel“ in der Kirche – dass wir uns einer neuen, menschenfreundlichen Sprache bedienen, dass wir Umgangsformen und Lebensstil von Grund auf ändern und dass wir allen Menschen guten Willens mit Achtung und Respekt begegnen müssten! In der großartigen Pastoral-Konstitution „Gaudium et Spes“ - ein Spitzenprodukt seelsorgerischen Einfühlungsvermögens – sieht man, wie dicht die Konzilsväter mit ihrer detail-genauen Analyse an „der Freude und Hoffnung sowie an der Trauer und Angst der Menschen“ unserer Zeit dran waren!

Wehmütig, sehr wehmütig blicke ich heute auf die Begeisterung zurück, mit der Erzbischof Helder Camara und seine südamerikanischen Freunde auf den Versammlungen von Medellin (1968) und Puebla (1979) dann aus den Texten des 2. Vatikanums Leitlinien für die kirchliche Basisarbeit unseres Subkontinents erarbeiteten. Denn sehr schnell mussten sie in den folgenden Jahren erleben, wie man sie des Marxismus verdächtigte und wie auf ausdrücklichen Befehl Johannes Paul II. und seines obersten Glaubenswächters Joseph Ratzinger systematisch alles zerschlagen wurde, was sie zusammen mit den Priestern, Ordensleuten und Laien ihrer Bistümer mühsam aufgebaut hatten!

Traurig und zornig machte mich auch die eiskalte Art, wie der Vatikan fast zeitgleich die Beschlüsse der Synode von Würzburg (1971-1975), von der ich für die evangelische Wochenzeitung „Christ und Welt“ berichtete, auf den Müll beförderte. „Würzburg“, so ließ die Kurie der deutschen Ortskirche mitteilen, besitze keinerlei Rechtskraft. Ein mächtiges „atmosphärisches Tief“ war die Folge!

Jetzt, wo landauf landab zu Jubiläumsveranstaltungen eingeladen und nur noch von „ewigen Wahrheiten“ geredet wird, sollten wir nicht vergessen, dass der Boykott des 2. Vatikanischen Konzils durch die Kurien-Milizen des erzkonservativen Kardinals Ottaviani lange vor der ersten Sitzung im Petersdom begonnen hatte. 73 Schemata hatte der mit allen Wassern gewaschene Ottaviani in der Hoffnung erarbeiten lassen, sie den „ahnungslosen“ Konzilsvätern gleich zum Auftakt unterjubeln zu können. Der Coup misslang, was jedoch die Gegner des Roncalli-Papstes und des von ihm einberufenen Konzils nicht zum Verstummen brachte.

Unter Führung von Erzbischof Marcel Lefebvre, dem damaligen französischen Generaloberen der Spiritaner-Missionare und späteren Chef der Pius-Bruderschaft, konsolidierte sich der militante Widerstand gegen die Öffnung der Kirche nach innen und außen. Auch Joseph Ratzinger machte bald kein Hehl mehr daraus, dass ihm das Konzil viel zu weit gegangen war, und dass die Jahre danach sowieso als „verlorene Jahre“ betrachtet werden müssten – ein böser Schock für alle, die das „Festtagsgewand“ noch nicht abgelegt hatten!

So schmerzlich die Erkenntnis auch sein mag, mein lieber Joseph: klimatisch stehen wir inzwischen längst wieder dort, wo wir vor dem Konzil standen. Es werden fast nur noch „einsame Entscheidungen“ getroffen, und keiner unserer Kirchenfürsten fragt die betroffenen Christen, ob sie es richtig finden, wenn jetzt Tausende von Pfarreien dicht gemacht und bei dieser Vertreibungs-Aktion Millionen von Menschen ihre Heimat verlieren werden, in der sie bis dato „Nahrung und Unterschlupf“ fanden?! Bestimmt wird man auch euch in Rauschheim zu „Klima-Flüchtlingen“ machen?!

Unserem Herrn Jesus können da eigentlich nur die Tränen kommen, zumal er vor 2000 Jahren seinen Jüngern, welche die hungrigen Menschen wegschicken wollten, einen anderslautenden Befehl erteilte: Gebt ihr ihnen zu essen!

Selbst auf die Gefahr hin, dass jetzt wieder ein paar Flaschen Paulaner dran glauben müssen, nenne ich dir hier noch vier andere Beispiele dafür, wie die Götter im Kirchen-Olymp unser Klima kaputt machen.

Erstens: es werden zunehmend primitivste Regeln des Anstandes missachtet. Du schreibst Briefe an deinen Bischof oder bittest um ein vertrauliches Gespräch und wirst einfach ignoriert. Wut packt dich und du würdest ganz gerne wissen, wieso behandeln die mich wie ein Stück Dreck und warum tun sie das Gleiche mit Theologen, deren Bewerbungen sie ohne Angabe von Gründen ablehnen, oder mit Bischöfen (Morris in Australien und Bezák in der Slowakei), die sie absetzen, ohne ihnen zu sagen warum?!

Zweitens: sie lassen Lügner, Spalter und Ehrabschneider wie Bischof Müller gezielt auf friedliche Christen los und ernennen den notorischen Selbstdarsteller trotz seines fiesen Charakters zum Chef der Glaubensbehörde – eine einzige, völlig abartige Provokation des frommen Kirchenvolkes!

Drittens: Sie treiben aufrechte Christen an den Rand der Verzweiflung, wenn sie über pädophile Gewalttäter ihre schützende Hand halten (vgl. Das Schweigen Johannes Paul II. im Fall Kardinal Groers in Wien und im Skandal um seinen mexikanischen Freund Marcial Maciel, den Gründer der Legionäre Christi), andere dagegen, die auf der Seite der Armen und Entrechteten Lateinamerikas kämpfen, durch deplazierte Erklärungen und lieblose Gesten zum Abschuss frei geben.

Viertens: Keiner hat in den letzten Monaten den innerkirchlichen „Wetter-Sturz“ deutlicher gemacht als Kardinal Walter Brandmüller. Vor den Mitgliedern der fundamentalistischen Vereinigung „Forum Deutscher Katholiken“ erklärte er im September 2012 in Aschaffenburg, dass im Evangelium nichts von „Dialog“ stehe. Während der Wiederholungstäter Brandmüller in Unterfranken diesen Schwachsinn von sich gab, befanden sich in Hannover gerade Bischöfe und Laien aus allen deutschen Bistümern in ihrer „zweiten Dialogrunde“. Sie wollten in wichtigen Fragen des Kirchenalltags einander näher kommen. Brandmüller fiel der deutschen Kirche hämisch in den Rücken! Vermutlich in höherem Auftrag! Mein Vater hätte den aus Ansbach stammenden Kardinal ohne zu zögern einen „Drecksack“ genannt!
Ziehen wir uns warm an, mein lieber Freund, denn die „Temperaturen“ werden voraussichtlich weiter fallen.

Grüß deine Stammtischfreunde von mir und überlegt euch schon mal, wie wir evtl. doch noch aus dieser „Klima-Falle“ rauskommen!

Dein Horst Hohmann


© imprimatur Dezember 2012
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