Erhard Bertel
„Die Reihen fest geschlossen“

Soll man die katholische Kirchenleitung derzeit eher bedauern oder dem Gedanken nachgehen: es geschieht ihr Recht? Soll man die Naivität mancher Bischöfe kopfschüttelnd registrieren oder ihnen doch machtpolitische Spielchen unterstellen? Soll man die einzelnen Bischöfe oder ihre Konferenz insgesamt ernst nehmen oder soll man dem Gedanken nachgeben: lass sie doch machen. Dieser Gedanke ist weiter verbreitet als man vermuten kann.

So hatten sich der Papst und die deutschen Bischöfe die größere Präsenz der Kirche im „Jahr des Glaubens“ sicher nicht vorgestellt. Die Aufkündigung eines Vertrages mit einem wissenschaftlichen Institut, mit dem sie die Missbrauchsskandale in den Reihen des Klerus aufarbeiten wollten, beschert tägliche Schlagzeilen: morgens, mittags und abends zu allen Sendezeiten in den Fernsehnachrichten und in vielen Presseorganen war es Thema Nummer 1. Wieder einmal werden Vermutungen geäußert: die Kirche verschweigt Vieles, was mit dem Missbrauchsskandal zusammenhängt. Man unterstellt Aktenvernichtung, um das ganze Ausmaß des Skandals nicht zum Vorschein kommen zu lassen. Und von kirchlicher Seite kommt, manchmal arrogant vorgetragen, das jeweilige Dementi und der Hinweis, man werde jetzt mit einem anderen Institut zusammenarbeiten, das stärker in die Vorstellungen der bischöflichen Sicht eingebunden sein wird.

Sicher ist es jetzt nicht die Zielsetzung von imprimatur, einer Seite in diesem Vorgang Recht zu geben und der anderen böse Absichten zu unterstellen. Wohl aber wächst die Sorge aller, die sich noch für eine Zukunft der Kirche engagieren, und dazu gehört imprimatur, dass die Kirchenleitung außer einigen Großevents den Kirchenalltag zum Erliegen bringt. Der Graben zwischen unten und oben vertieft sich zunehmend und diejenigen, die aus ihrer Sicht retten wollen, was zu retten ist, geraten in eine Zwickmühle: sollen sie auf die Angebote der Oberkirche eingehen und Einladungen zu Gesprächen und Zusammenkünften annehmen und sie öffentlich vertreten oder doch lieber im Schmollwinkel bleiben?

Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz versucht in seiner lieben Art alles hochzujubeln, was geschieht: der Dialogprozess der Bischöfe gehört mit den auserlesenen Teilnehmern des Kirchenvolkes dazu. Ja, selbst wenn der Papst seinem deutschen Sekretär einen Freundschaftsdienst erweist und ihn zum Erzbischof aufwertet, findet er das toll, verlässt seine Arbeit in Freiburg und reist nach Rom.

Ein anderes Beispiel ist im Bistum Trier zu sehen. Bischof Ackermann, bisheriger Streiter für die Aufklärung der Missbrauchstaten im deutschen Klerus erhält von der Saarbrücker Zeitung den Rat, doch seine Bemühungen aufzugeben, mit denen er überfordert sei. Dieser Bischof proklamiert einen „großen Wurf“ für sein Bistum: er lädt zu einer Bistums-Synode, die erste seit mehr als fünfzig Jahren. Sie soll den Bischof (und das Bistum) in den kommenden drei bis fünf Jahren beraten, wie gesagt, beraten: der Bischof lädt ein, der Bischof legt fest, worüber nicht beraten werden darf, der Bischof lenkt die Synode auf ein von ihm gesetztes Ziel hin.
Und siehe da: Laienvertreter von Gremien des Bistums sind ganz angetan und freuen sich darauf, auch wenn sie nichts zu beschließen haben, aber wenigstens raten dürfen, was der Bischof wohl aus der Synode macht.

Was gibt der Bischof für die Synode vor? Welche Ziele setzt er?

„Die Strukturveränderungen in unserem Bistum haben viele intensiv beschäftigt und beschäftigen das Bistum immer noch. Nach diesem Prozess lädt der Bischof das Bistum auf einen Synoden-Weg ein; dabei soll es auf Themen des Glaubens und der Frohen Botschaft blicken:

„Wie wollen wir persönlich und gemeinsam unseren Weg des Glaubens im Bistum Trier gehen in den sich rasant ändernden Rahmenbedingungen des dritten Jahrtausends?

Wie können wir uns neu inspirieren lassen von der Botschaft Jesu Christi, damit sie unser Leben noch stärker prägt?

Oder noch einmal anders - in der Sprache der Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. - gefragt: Wie können wir uns in neuer und vertiefter Weise evangelisieren lassen und evangelisierend wirken?“

(So Bischof Dr. Stephan Ackermann in der Predigt am 29. Juni 2012).

Dieses Trierer Fallbeispiel ist ein „Lusttöter“ für alle, die noch Lust daran haben, aus der Kirche etwas zu machen und sie für sich und ihre Mitchristen hilfreich zu erhalten.

Man darf gespannt sein, wie diese hehren Vorgaben im Laufe von fünf Jahren zwischen Bistumsleitung und Kirchenvolk zur Zufriedenheit gelöst werden können.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken sagte dieser Tage zu der Problematik der „Einbahnstraße“ in der Kirche, in der immer noch von oben nach unten geredet und appelliert wird:

„Die Kirche setzt sich nicht selbstkritisch genug mit der eigenen Sprache, dem eigenen Erscheinungsbild und auch unwahrhaftigen Entwicklungen auseinander, sondern schiebt die Probleme auf den Menschen von heute, der zu oberflächlich wäre und nicht mehr glauben wolle“.

Ob selbst der Papst erkennt, dass er mit seinen gut gemeinten Appellen an die Weltkirche nicht weiterkommt? Da raten ihm seine Kommunikationsfachleute zum Twittern. Was dabei herauskommt kann man in seinem ersten Tweet nachlesen:

“Liebe Freunde! Gerne verbinde ich mich mit Euch über Twitter. Danke für die netten Antworten. Von Herzen segne ich Euch”.

Und mehr als eine Million Menschen lasen auf ihren mobilen Geräten in acht Sprachen diese Worte. Sie lasen auch, dass Benedikt XVI. kurze Zeit später die Frage nach dem christlichen Leben im Jahr des Glaubens stellte und auch beantwortete: “Sprich mit Jesus im Gebet. Hör Jesus zu, der im Evangelium zu dir spricht. Finde Jesus in den Notleidenden.”

Dazu sagt Die ZDF-Redakteurin Michaela Pilters:

„Gut, der Kern der christlichen Botschaft lässt sich so in 140 Zeichen darstellen. Für den Professor, der Bücher und Enzykliken schreibt, aber eher ungewöhnlich, sich so kurzzufassen. Ob sich jemand dadurch wirklich verleiten lässt, die Bibel in die Hand zu nehmen und darin zu lesen? Sind die Follower auch Follower im Glauben? Und wird Benedikt XVI. sich auch einlassen auf die kritischen Tweets, die ihn auch erreichen werden? Es lohnt sicher, dies ein wenig zu verfolgen.“

Schlagzeilen wird die Kirche auch im Jahr 2013 machen. Es werden aber kaum inhaltliche Nachrichten zum „Jahr des Glaubens“ sein. Vielmehr werden es Schlagzeilen sein, die dadurch entstehen, dass eine Führungsschicht der Kirche aus ihrer Sicht zu retten versucht, was sie als „Wahrheit“ festhalten will, was aber die Christen, verstreut in der Gesellschaft lebend, kaum mehr verstehen können und auch wollen. Und immer häufiger werden diese beiden Seiten aufeinanderstoßen und so Schlagzeilen produzieren.

Wann wird der erste Appell der deutschen Bischofskonferenz an die Katholiken unseres Landes kommen, der etwa lautet:

Wir haben uns verrannt. Bitte helft uns aus der Misere heraus, in die wir uns selbst gebracht haben.

Oder wird es doch so bleiben, dass man auf das Denken setzt: „Die Reihen fest geschlossen!“


© imprimatur März 2013
Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Sagen Sie uns Ihre Meinung zu diesem Artikel!
Bitte füllen Sie die folgenden Felder aus, drücken Sie auf den Knopf "Abschicken" und schon hat uns Ihre Post erreicht.

Zuerst Ihre Adresse (wir nehmen keine anonyme Post an!!):
Name:

Straße:

PLZ/Ort:

E-Mail-Adresse:

So und jetzt können Sie endlich Ihre Meinung loswerden: