Weltweit zum ersten Mal gab es eine solche Hotline der katholischen Kirche
für Opfer und sie wurde mit hohem Bedarf genutzt.
Insgesamt kamen vom Start der Hotline am 30. März 2010 bis zum 31. Dezember
2012 8.465 Gespräche zustande. Parallel dazu wurden 465 Beratungen über
Internet durchgeführt. Es wurden dabei 3.357 Mailnachrichten ausgetauscht.
63,87 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer der Hotline gaben an, selbst von sexueller
Gewalt betroffen gewesen zu sein. 18,8 Prozent waren „Unterstützer“
(das heißt Partner, andere Familienangehörige, Therapeuten, Anwälte).
64.468 User besuchten das Informationsangebot im Internet unter www.hilfe-missbrauch.de.
…..
Die Hotline wurde von 2.095 Menschen unmittelbar zur Beratung genutzt. Bei
der Weiterleitung an kompetente Fachstellen (sogenannte Lotsenfunktion) stand
mit 50,25 Prozent die Frage an erster Stelle, wo man individuell oder als Paar
weitere beraterische beziehungsweise therapeutische Hilfe findet. Bei dem Versuch
der Weiterleitung wurde deutlich, dass es eine chronische therapeutische Unterversorgung
gibt, sowohl für männliche Betroffene wie auch bei Paarberatung. Denn
wenn ein Partner Opfer sexueller Gewalt wurde, beeinträchtigten die dadurch
verursachten Verletzungen oft die spätere Paarbeziehung – und das
nicht nur im Bereich Sexualität.
Am zweithäufigsten (30,4 Prozent) wurden bei der Weiterleitung von Hinweisen
auf sexuellen Missbrauch die Wege zu den Ansprechpersonen der Diözesen,
Ordensgemeinschaften und anderen kirchlichen Träger erfragt. Angesichts
der verzweigten Zuständigkeiten katholischer Einrichtungen und Träger
war dieser „Lotsendienst“ wichtig.
Das Fazit lautet: die Meldungen der Betroffenen und ihrer Angehörigen hatten
Wirkung.
Viele fanden Unterstützung in den beraterischen Angeboten der Hotline.
Die Hinweise aus den Gesprächen konnten unmittelbar in Konzepte einfließen,
zum Beispiel bei der Neugestaltung der Regelungen zum Vorgehen bei Missbrauch
oder zur Prävention. Viele Meldungen, die sonst möglicherweise nicht
gehört und bei den richtigen Ansprechpersonen angekommen wären, erreichten
so die zuständigen Stellen, und führten zu Konsequenzen für Täter….
Mit den vorgelegten deskriptiven Daten haben wir nun besser fundierte und differenzierte Hinweise über Delikte sexueller Gewalt, die kirchliche Funktionsträger an Minderjährigen verübt haben:
Abschaltung der Hotline „Sexuelle Gewalt“
Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche bedauert sehr die zum Jahresende 2012 vorgenommene Abschaltung der Hotline der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) für Betroffene sexuellen Missbrauchs, zu der der Missbrauchsbeauftragte der DBK, der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann, in Trier einen Abschlussbericht vorgestellt hat.
Wenn jetzt auf die Beratungsangebote in den einzelnen Bistümern verwiesen wird, so ist nicht hinnehmbar, dass in einzelnen Diözesen immer noch Domkapitulare und andere Mitglieder der Bistumsleitung als Ansprechpersonen für Betroffene angegeben werden. Dies stellt kein niederschwelliges Beratungsangebot dar. Auch stellt sich die Frage, ob z.B. Telefonnummern der Sekretariate von Rechtsanwaltspraxen die bisherige mit geschulten Fachkräften besetzte Hotline ersetzen können.
Wir sind Kirche begrüßt, dass Bischof Ackermann und Dr. Andreas Zimmer, Leiter der Beratungsdienste des Bistums Trier und Fachverantwortlicher für die Hotline der DBK, jetzt von „sexueller Gewalt“ sprechen und nicht mehr den verharmlosenden Begriff „sexueller Missbrauch“ verwenden.
Bei der heute vorgestellten und allen weiteren Forschungen sollten aber auch die durch das System der römisch-katholischen Kirche bedingten Ursachen intensiv untersucht werden, wie Autoritäts- und Gehorsamsstrukturen, Sexuallehre, Lebensform der Priester etc. Nur dies wird zukünftig eine wirksame Prävention ermöglichen, die mehr ist als nur eine Verlagerung der Verantwortung auf die unteren Ebenen durch bürokratische Selbstverpflichtungen.
Wir sind Kirche warnt eindringlich davor, die am 7. Dezember 2012 ebenfalls in Trier von Bischof Dr. Ackermann, vorgestellten Ergebnisse der von Prof. Dr. Norbert Leygraf geleiteten Studie als Entwarnung für die Kirche zu interpretieren. Danach seien nur fünf Prozent der Täter wirklich pädophil (was für die Opfer keinen Unterschied macht!) und fast alle Täter weiter in der Pastoral einsetzbar (ein krasser Widerspruch zu der von Papst Benedikt XVI. geforderten Null-Toleranz-Politik!). Das Manko dieser Studie: Es wurden nur 78 von den Bischöfen handverlesene Täterakten ausgewertet.
Bei aller Anerkennung der verschiedenen Einzelmaßnahmen in den vergangenen drei Jahren mehren sich allerdings die Zeichen, dass einige der von den deutschen Bischöfen im Krisenjahr 2010 in allerhöchster Not eingeleiteten Maßnahmen schon wieder zurückgefahren werden. Es ist zu befürchten, dass der damals von der Bischofskonferenz als Missbrauchsbeauftragter eingesetzte Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann als einer der jüngsten Bischöfe sich zu wenig gegen die beharrenden Kräfte in der Bischofskonferenz durchsetzen kann. Auch der damals von den deutschen Bischöfen versprochene „Dialogprozess“ wurde sehr schnell zu einem von ihnen kontrollierten unverbindlichen und langjährigen „Gesprächsprozess“ herabgestuft.
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