„Der Platz der Frauen in Gesellschaft und Kirche“

Zu diesem Thema veranstaltete die französische Kirchenreform-Gruppe JONAS Straßburg im Juni 2012 einen Abend, der für die nach wie vor bestehenden Ungleichheiten zwischen den „beiden Hälften der Menschheit“, der weiblichen und der männlichen, zu sensibilisieren suchte. Selbst in demokratischen, egalitären Gesellschaften, in denen die Gleichheit verfassungsrechtlich verankert ist, wie der französischen, bestehen auf vielen Gebieten trotz mancher kleinen Fortschritte nach wie vor große Unterschiede, die von Pascale Zerlauth zunächst durch Zahlen eindrucksvoll belegt wurden.

Um nur einiges zu nennen: Während zwei Drittel der Hausarbeit, die in Frankreich ca. 60 Milliarden Stunden ausmachen, von Frauen geleistet werden - im Durchschnitt 34 Stunden pro Woche, bei 20 Stunden bezahlter Arbeit, und bei den Männern gerade umgekehrt: 33 Stunden bezahlte Arbeit gegenüber 18 Stunden Hausarbeit – sind sie in der französischen Nationalversammlung nur mit 29,6 % der Abgeordneten vertreten; seit 2012 in der neuen Regierung Ayrault allerdings mit 48,7 %. Was den Sport betrifft, einen wichtigen, in der Öffentlichkeit stark wahrgenommenen Sektor der modernen Gesellschaft, hat eine Senatskommission 2011 festgestellt: „In der Welt des Sports besteht die Unterrepräsentation der Frauen fort, mehr noch als in der Politik und in der Berufswelt“, jeweils gemessen anhand des Anteils an Positionen mit eigener Verantwortlichkeit und Entscheidungsbefugnis. Im Bildungswesen, das seit Jahren stark feminisiert ist, lässt sich eine Klimax feststellen: in den Primarschulen sind die Lehrkräfte zu 81 % weiblich, in den Collèges und Lycées zu 57 %, in den Hochschulen zwischen 15 und 30 % je nach Fachdisziplinen. Bei der Interpretation dieser Zahlen ist im Vergleich zu Deutschland zu beachten, dass in Frankreich Frauen traditionell häufiger berufstätig sind als bei uns; trotz eines entsprechenden Leitbilds werden berufstätige Frauen im Durchschnitt 27% geringer bezahlt als Männer; sie stoßen beim beruflichen Aufstieg in verantwortliche und besser bezahlte Positionen nach wie vor an eine unsichtbare Grenze („plafond de verre“, wörtlich: gläserne Decke).

Die Veranstaltung von JONAS, die auch der Vorbereitung einer Generalversammlung aller kirchlichen Reformgruppen der Fédération des Réseaux du Parvis zur selben Thematik galt, richtete ihr Hauptaugenmerk naturgemäß auf die Religionen und hier nochmals besonders auf die katholische Kirche. Generell wurde festgestellt, dass die Religionen in ihrer großen Mehrheit die Ungleichheit zwischen Mann und Frau tendenziell noch dadurch verfestigen, dass sie diese, wie auch immer, legitimieren. Speziell die traditionelle Sicht der Frau in der katholischen Kirche wurde in mehreren Facetten, historisch und theologisch, thematisiert, aber auch die neue Sicht, die das 2. Vatikanum gebracht hat. Dennoch gibt es für Frauen in der katholischen Kirche auch heute noch nicht bloß eine „gläserne Decke“ wie in der Zivilgesellschaft, sondern einen „Betondeckel“ (couvercle de béton), der ihren Aufstieg in Entscheidungspositionen verhindert. Es besteht keine Rechtsgleichheit zwischen Mann und Frau, weil Frauen vom kirchlichen Amt ausgeschlossen sind.

„Aber wir sind unverbesserliche Optimisten und werden unseren Kampf, gelegen oder ungelegen, fortsetzen. Die vermeintlich endgültigen Aussagen von heute sind die Irrtümer von morgen, und wir sind sicher, dass die Zeit kommt, da der Papst singen wird: „Die Frau ist die Zukunft des Menschen“.

(Dieses Chanson von Jean Ferrat wurde offenbar als Mutmacher in einem Workshop ,bearbeitet‘; es kann unter www.songtexte.com angehört werden, mit deutscher Übersetzung von D. Kaiser: „Der Dichter hat Recht allezeit/ der blickt bis ans Ende der Zeit … erkläre ich mit Aragon: Des Menschen Zukunft ist die Frau“).

Gerade das Thema Frau in der Kirche wurde weniger systematisch abgehandelt, als vielmehr im Rahmen eines „buffet convivial“ (etwa: geselliges Büffet) durch einzelne „Blitzlichter“ beleuchtet. Ein solches Blitzlicht war ein Statement des Erzbischofs von Lyon, Kardinal Philippe Barbarin, der sich in der Zeitschrift Familles Chrétiennes im September 2012 zur Frage der Messdienerinnen geäußert hatte. Da es fast so viel Unterhaltungswert hat wie ein Chanson, sei es hier wörtlich übersetzt; die Überschrift könnte, bezogen auf das Hauptthema, lauten:

Der (ungute) Platz der Messdienerin am Altar

„Wenn man ein Mädchen in gleicher Weise zum Altardienst zulässt wie einen Jungen, wird die Nähe zum Altar in ihm, dem Mädchen, vielleicht den Wunsch wachsen lassen, Priester zu werden. Dass ein Mädchen diesen Wunsch hat, kommt öfter vor. Die hl. Therese vom Kinde Jesu hat gesagt: ‚Ich wollte Priester sein‘. Im Herzen der hl. Therese ist das etwas sehr Schönes.

Aber man darf ein kleines Mädchen nicht verletzen, denn man würde ein kleines Mädchen belügen, wenn man in ihm einen Wunsch wachsen lässt, von dem man weiß, dass er nicht realisiert werden kann. Ich wünsche nicht, dass man die jungen Menschen verletzt, sondern dass man ihrem Glauben dient. Deshalb bin ich dafür, dass sich die jungen Mädchen dem Dienst an der versammelten Gemeinde widmen, dem Vorlesen und dem Singen.

Ist die Jungfrau Maria etwa nicht die Dienerin des Herrn? Zeigen wir ihr, dass alle Jünger Jesu die Haltung des Dienstes aufbringen. Ob sie bekleidet sind mit einer Albe oder einer weißen Kutte, der Bekleidung unserer Taufe, es ist (einfach) schön! Letzten Endes freue ich mich über alles, was die Geisteshaltung des Dienstes und die Schönheit der Liturgie fördert.

Aber lassen wir keine Unklarheit und Zweifel aufkommen, die später zu Traurigkeit und Groll führen werden. Leiden gibt es auch so schon genug in den Herzen“.

Der Autor dieser Sätze ist Philippe Xavier Christian Ignace Marie Kardinal Barbarin (* 17. Oktober 1950 in Rabat, Marokko), Erzbischof von Lyon. Wikipedia weiß Folgendes von ihm zu berichten: 1998 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischof des Bistums Moulins. Kurz darauf erregte er Aufsehen mit einem Zeitungsinterview, in dem er den Pflichtzölibat für Priester in Frage stellte. 2002 wurde er …Erzbischof des Erzbistums Lyon und trägt damit zugleich den Ehrentitel „Primas von Gallien“. Dem Kardinalskollegium gehört Philippe Barbarin seit dem 21. Oktober 2003 als Kardinalpriester mit der Titelkirche Santissimà Trinità al Monte Pincio an. Im September 2012 äußert Barbarin im Hinblick auf die geplante Öffnung der Ehe in Frankreich für gleichgeschlechtliche Paare, die Homo-Ehe führe zur Anerkennung von Inzest und Vielweiberei.

Aus dem Französischen: Werner Müller


© imprimatur März 2013
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