Erhard Bertel
Wir werden dann wohl einen „Heiligen Großvater“ haben

Diese Vermutung äußert Berislav Grgic, Bischof von Tromsø, über die Zukunft Benedikts XVI. Ein Leser hat uns diese Äußerung zugeschickt und der Hinweis des Bischofs ist eine Möglichkeit, mit dem Rücktritt des „Heiligen Vaters“ umzugehen. Was sich da im Vatikan in Bewegung gesetzt hat? Wohl weniger die menschliche Dimension eines alten Mannes, der sich mit einer Aufgabe überfordert fühlt, die er einmal mit Freude und viel taktischem Können für das Erreichen von Mehrheiten unter dem weißen Rauch über den Dächern des Vatikans übernommen hatte. Ja, der Gesichtsausdruck des neu gewählten Papstes ist mir noch im Gedächtnis. Es strahlte Freude aus. Wie würde ein solcher „Intellektueller“, wie er bald bezeichnet wurde, mit einem Machtapparat umgehen können, wie es der Vatikan für über 1 Milliarde Katholiken bedeutet? Was macht ein früherer Professor der Theologie, der so gerne seine Gedanken in Bücher fasst, mit seinen Fähigkeiten und Gewohnheiten? Wie soll er, der so hölzern daher kommt, einem charismatischen Papst aus Polen folgen können, der so öffentlich gelebt hat und so öffentlich gestorben ist?

Diese menschliche Dimension stand bei dem vatikanischen Apparat wohl nicht im Vordergrund; denn für ihn war der „Heilige Vater“ keine Figur „aus Fleisch und Blut“, sondern mit seiner Wahl hatte er eine „göttliche Dimension“.

Dieses „Göttliche“ strahlte vor allem auf, wenn er von jubelnden tausenden Menschen umgeben war, nicht nur in Bayern, sondern weltweit, zum Beispiel bei den Weltjugendtagen. Unabhängig von persönlicher Wertschätzung trafen sich die Mächtigen dieser Welt mit ihm. Und die Besuchsordnung im Vatikan sorgte dafür, dass sich diese Mächtigen alle kleiner fühlten, wenn sie dem „Großen Meister“ gegenüberstanden. Mit Tränen in den Augen berichteten auch evangelische Autoritäten aus Deutschland von ihren Besuchen beim Papst, und am Ende seiner Amtszeit durfte ihn die saarländische Ministerpräsidentin besuchen und diejenigen, die sie kannten als durchaus kritisch diesem Papst gegenüber eingestellt, sahen sie plötzlich schwarz verschleiert in gebeugter Haltung neben dem Papst. Der Vatikan schafft es durchaus, auch durch die „göttliche“ Dimension des Papstes, Menschen zu beeindrucken. Ein Vergleich mit dem Weltkirchenrat in Genf und seinem Generalsekretär Pastor Dr. Olav Fykse Tveit fällt da sehr bescheiden aus.

Es ist nicht verwunderlich, dass es auch Stimmen aus der katholischen Kirche gibt, die sich darüber mokieren, dass ein Papst „zurücktritt“. Kann ein „Vater“, so fragen sie, von der Rolle des Vaterseins zurücktreten? Kann jemand, der mit dieser „göttlichen“ Aura umgeben ist, mit menschlichen Überlegungen im Hinblick auf sein Alter und seine Leistungsfähigkeit in die „göttliche Vorsehung“ eingreifen und sein Amt für beendet betrachten?

Es ist jetzt viel geschrieben, gesprochen und kommentiert worden, so dass eine bescheidene Zeitschrift wie imprimatur kaum in der Lage ist, Neues und Bedeutsames hinzuzufügen. Aus unserer Sicht bleibt die große „Leistung“ von B XVI, dass er dem Papstamt seine menschliche Dimension wieder gegeben hat. Ohne dass dieser Gedanke wohl im Vordergrund stand, hat er für seine Nachfolger die Möglichkeit einer zeitlichen Begrenzung vorgegeben, an der kaum jemand vorbei kommt. Es könnte sich so ergeben, dass in der Klausur eines Klosters im Vatikanstaat ein Alten- und Pflegeheim für „Heilige Großväter“ entsteht.

So wünschen wir B XVI einen bekömmlichen Ruhestand und Gelassenheit, wenn er beobachtet, wie sein Nachfolger die Weichen neu stellt. Optimisten könnten an Hermann Hesse denken: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“.


© imprimatur März 2013
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