Norbert Scholl
Heute (noch) an die Auferstehung Jesu glauben?

62 Prozent der Deutschen glauben nicht an die Auferstehung Jesu – jedenfalls nach einer Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2011. 4 Prozent geben keine Auskunft oder behaupten, es nicht zu wissen. Und die restlichen 32 Prozent? Verbinden sie mit der Auferstehung Jesu noch immer jene Vorstellung, wie sie in unzähligen Altar- oder Andachtsbildchen verbreitet ist?

Um eine tragfähige Antwort zu finden, lohnt sich ein Blick in die Bibel. Einem Zweifelnden wird häufig der Paulus-Satz aus dem Ersten Brief an die Gemeinde von Korinth unter die Nase gehalten: „Wenn Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos.“ Aber davor steht noch etwas anderes, was gern unterschlagen wird: „Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, dann ist auch Christus nicht auferweckt worden.“ Und dahinter schreibt Paulus: „Er (Gott) hat ihn (Jesus) nicht auferweckt, wenn Tote nicht auferweckt werden“ (1 Kor 15,12-17). Paulus argumentiert also mit dem Glauben an die allgemeine Totenerweckung für den Glauben an die Auferweckung Jesu – nicht umgekehrt.

Keine Beschreibung der Auferweckung

Die Auferstehung selbst wird nirgends beschrieben. Kein Evangelist tut das. Nur Johannes erzählt von einer Begegnung des Auferweckten mit Maria von Magdala, den diese aber gar nicht erkennt und den sie für einen Gärtner hält. Schon merkwürdig, nachdem sie Jesus kurz zuvor noch am Kreuz gesehen hatte. Und was hat ein Gärtner in aller Herrgottsfrühe bei einem Grab zu suchen? Aber vermutlich möchte der Evangelist mit dieser Geschichte, die er wohl aus der Tradition der Grabesgeschichten entnommen hat, nur veranschaulichen, wie sich Jesus einem gläubig-suchenden Menschen zu erkennen gibt - manchmal in einer ganz anderen Gestalt als erwartet und darum auch selbst für Glaubende nur schwer erkennbar.

„Erscheinungen“

Einziger aus den Schriften des Neuen Testaments ablesbarer und entscheidender Grund für den Glauben an die Auferweckung Jesu waren die „Erscheinungen“. Doch wie kann man sich diese vorstellen?

Wieder gibt uns Paulus einen Fingerzeig. In seinem Brief an die Gemeinden in Galatien schreibt er: „(Gott) offenbarte mir seinen Sohn“ (Gal 1,16). Für das deutsche „mir“ steht im griechischen Urtext „en emoí“. Die lateinische Bibelübersetzung, die Vulgata, gibt dieses „en emoí“ mit „in me“ (= in mir) wieder. Offenbar sieht sie in dem Geschehen eher einen inneren, für Außenstehende nicht wahrnehmbaren Vorgang.

Wenn wir die Erscheinungen als eine innere Wahrnehmung verstehen, wird manches etwas einfacher:

Zahlreiche empirische Untersuchungen zeigen, dass solche Visionen besonders der Bewältigung belastender Ereignisse dienen. Es wäre durchaus vorstellbar, dass auch die Erscheinungen vor den Jüngern, insbesondere vor Kephas, sich psychologisch so erklären ließen. Bei Prozessen tief aufwühlender und den ganzen Menschen erschütternder Trauer sind häufig Wahrnehmungsveränderungen im Zusammenhang mit dem Verlust des Liebesobjektes zu beobachten. „Die Welt, in der der Trauernde mit dem Verstorbenen lebt, scheint noch nicht tot zu sein, aber sie hat an Realität verloren. … Die Bedürfnisbefriedigung im weiteren Sinn und die Interaktion, die von dem Verstorbenen ausging, sind abgebrochen, aber das Unbewusste hat sich nicht damit abgefunden, sondern benutzt gerade die Organe, die wesentlich an der Bildung des Realitätsprinzips beteiligt sind, um sich eine Scheinbefriedigung zu verschaffen“ (Yorik Spiegel).

Erscheinungen sind keine Wunder

Was ist damit für den Glauben an die Auferweckung Jesu und seine Erscheinungen gewonnen, wenn wir sie als Visionen oder als Halluzinationen sehen?

Eine gute und auch für kritische Christen nachvollziehbare Aussage bietet Gerd Theißen in seinem Buch „Glaubenssätze“:

„Gewiss sind die Visionen
der Maria Magdalena und der Jünger
Trauervisionen vergleichbar,
wie Menschen sie nach dem Tod von Angehörigen haben.
Und doch sind sie anders.
Ungewöhnlich ist: Mehrere Menschen hatten solche Erfahrungen,
einzeln und in Gruppen.
Singulär ist: Sie führten zur Gründung einer neuen Gemeinschaft.
Unbestreitbar ist: Diese Menschen stießen in ihren Visionen
an die Grenze von Tod und Leben,
wo Gottes Geheimnis aufleuchtet als Macht,
die aus Nichts
Sein schaffen kann.

Die Ostererfahrung
ist eine Erfahrung Gottes.
Ostern ist immer,
wo Gott begegnet als Macht,
die das Nichts ins Sein ruft.“


© imprimatur März 2013
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