Was hat die Bistumsleitungen von Bamberg und Eichstätt veranlasst,
den Nürnberger Stadtdekan aufzufordern, die Veranstaltungsreihe in der
geplanten Form abzusagen?
Generalvikar Georg Kestel: Für eine
der Fastenpredigten war der österreichische Priester Helmut Schüller
eingeladen. Er ist bekannt geworden durch die Gründung einer Initiative,
die inzwischen europaweit offen vor Geistlichen wie Laien zum „Ungehorsam
in der Kirche“ aufruft, unterstützt von einer lauten medialen Begleitmusik.
Schon dieser Ansatz ist wenig geeignet, in zugegebenermaßen schwierigen
Zeiten komplexe Themen und Zusammenhänge aufzugreifen, deren Behandlung
Besonnenheit und Maß verlangt. Die Predigt als Bestandteil des Gottesdienstes
ist nicht der richtige Rahmen, derartige Thesen in der Form zu vertreten, wie
dies Herr Schüller tut, ohne dass eine kritische Diskussion darüber
an Ort und Stelle möglich wäre. Wer primär provoziert, spaltet
und trägt nicht zum Fortschritt bei.
Es heißt, dass die Stadtkirche Nürnberg vorgeschlagen
hat, anstelle der Fastenpredigt eine Diskussionsveranstaltung durchzuführen
und auch dieser Vorschlag von der Bistumsleitung abgelehnt worden sei.
Generalvikar Kestel: Es stand der Vorschlag im Raum,
im Anschluss an die Predigt außerhalb der Kirche über das Thema zu
diskutieren. Das hätte aber nichts daran geändert, dass in einer Kirche
und damit in einem offiziellen kirchlichen Rahmen eine Veranstaltung stattgefunden
hätte, die nicht im Sinne der Kirche ist. Der Stadtdekan von Nürnberg
ist der offizielle Vertreter der beiden für Nürnberg zuständigen
Bischöfe. Dieser Verantwortung muss er im Blick auf das Ganze der Kirche
und ihre Einheit wahrnehmen. Beide Bischöfe haben sehr klar deutlich gemacht,
dass diese Veranstaltung in der geplanten Form nicht in ihrem Sinne gewesen
wäre.
Warum wurde dann die gesamte Reihe abgesagt und nicht nur die Schüller-Predigt?
Generalvikar Kestel: Die Vorgabe lautete, dass die Fastenpredigtreihe
in der geplanten Form nicht stattfinden kann – primär bezogen auf
die Einladung an Helmut Schüller.
Den Bischöfen wird nun Zensur vorgeworfen.
Generalvikar Kestel: Es geht nicht darum, Diskussionen oder Meinungen
zu unterdrücken. Der Punkt ist vielmehr, dass einem Kirchenkritiker, der
gegen die Position der Bischöfe predigt, nicht die Kanzel in einer Kirche
zur Verfügung gestellt werden kann, wo im Namen der Kirche das Wort Gottes
verkündet wird. Dafür kann man Verständnis haben, unabhängig
davon, ob man die Thesen von Herrn Schüller teilt oder nicht.
Ist die Fastenpredigtreihe jetzt grundsätzlich für die Zukunft
verboten?
Generalvikar Kestel: Nein. Es ging nur um diese konkrete Veranstaltung.
Ich denke, dass es heutzutage genügend Themen gibt, um im Rahmen einer
Reihe von Fastenpredigten den Gläubigen auf der Basis des christlichen
Credos Orientierung zu geben – angefangen von biblischen Impulsen über
den reichen Traditionsschatz christlicher Glaubenspraxis bis hin zu vielen aktuellen
Herausforderungen, denen sich, und das wird niemand bestreiten, wir Christen
uns derzeit in der modernen Gesellschaft gegenüber sehen – dies übrigens
über alle Konfessionen hinweg.
Ich bedauere es, dass viele der selbsternannten „Progressiven“ und „Reformer“ in unserer Kirche etwas Entscheidendes übersehen: Für einen Gottesdienst in der vorösterlichen Bußzeit sollte man nicht einen Prediger auswählen, der mit öffentlich wirksamen Auftritten im großen Stil Inhalte propagiert, die nicht zum ruhigen und sachlichen Nachdenken und zur Gewissenserforschung einladen, sondern von vorneherein provozieren und dadurch eher verstörend wirken – und das bewusst und absichtlich kalkuliert. Ein Fastenprediger sollte möglichst vielen geistliche Nahrung geben und den Glauben der Zuhörer stärken. Das Problem besteht doch darin, dass im kirchlichen Meinungsspektrum bereits viele Gräben zwischen „konservativ“ und „progressiv“ aufgebrochen sind und die jeweiligen Vertreter bestimmter Positionen gar nicht mehr sachlich aufeinander hören, sondern nur noch ihre eigenen (Vor-)Urteile bestätigt sehen und klischeehaft wiederholen, wenn die jeweilige andere Seite sich zu Wort meldet. Über vieles muss und kann in der Kirche von heute gesprochen werden. Ich bin der Meinung, dass gerade in den letzten Jahren noch viel mehr als früher schwierige Fragen (ergebnis-)offen diskutiert werden. Dabei ist und bleibt es wichtig, dass ein gemeinsames Fundament nicht aufs Spiel gesetzt wird.
Ist der Schaden für die Kirche durch die Absage nicht größer,
als wenn die Bischöfe „ein Auge zugedrückt“ und weggesehen
hätten?
Generalvikar Kestel: Wenn die Veranstaltung stattgefunden hätte,
hätte dies viele Gläubige verunsichert und irritiert, die sich mit
der Frage an uns gewandt hätten: Warum lässt die Kirche das zu? Der
Schaden für die Kirche ist durch die Einladung entstanden, nicht durch
die Absage. Wir bedauern, dass es soweit kommen musste. Eine Diskussionsveranstaltung
außerhalb des Kirchenraums und einer gottesdienstlichen Feier mit Pro-
und Kontra-Vertretern hätte eine andere Ausgangslage zur Beurteilung geschaffen.
Das hätte man im Vorfeld klären können. Aber eine Fastenpredigt
ist kein Forum für kirchenpolitische Aktionen.
Stellungnahme der „Wir sind Kirche“-Diözesangruppe Eichstätt zu den Antworten des Bamberger Generalvikars zur Absage der Nürnberger Fastenpredigten
Positiv anzumerken ist, dass im Gegensatz zum Eichstätter Generalvikar der Bamberger Kollege sich um eine Erklärung des von vielen Gläubigen als skandalös empfundenen Predigtverbots in Nürnberg bemüht. Diese kann allerdings nicht ohne Widerspruch hingenommen werden.
Es trifft nicht zu, dass Dr. Helmut Schüller, Mitbegründer und Sprecher der österreichischen Pfarrer-Initiative primär provoziert, spaltet und nicht zum Fortschritt beiträgt. Die große Mehrheit der Gläubigen vertritt die gleiche Meinung und ist den vielen Seelsorgern in Österreich und in anderen Ländern dankbar, dass nach der jahrzehntelangen Blockade durch Papst und Bischöfe endlich gehandelt wird nach der Devise „Wo Gehorsam missbraucht wird, ist Ungehorsam gefordert!“ Der ehemalige Wiener Generalvikar und Präsident der österreichischen Caritas ist im Gegensatz zur derzeitigen Kirchenleitung glaubwürdig und hat das Vertrauen der schweigenden Mehrheit.
Immer mehr Gläubige zweifeln an der Urteilsfähigkeit der Bischöfe, zu entscheiden, was „im Sinne der Kirche ist“. Aus der zweiten Antwort wird ersichtlich („Beide Bischöfe haben sehr klar deutlich gemacht, dass diese Veranstaltung in der geplanten Form nicht in ihrem Sinne ist.“), wozu bischöfliche Macht eingesetzt wird. Die Freiheit mündiger Christinnen und Christen wird auf unerträgliche Weise eingeschränkt. Zwar reden Bischöfe von Dialog, meinen damit aber nur die Themen, die sie für richtig halten. Man wundert sich, dass solche Bischöfe noch nicht auf die Idee gekommen sind, auch den Bücherindex wieder einzuführen. Sie halten die Gläubigen für unmündig, dürfen selbst in Predigten ihre unzeitgemäßen kirchenpolitischen Ansichten darlegen. Meint der Generalvikar wirklich, dass von Zensur keine Rede sein kann, wenn Diskussionen oder Meinungen durch die Bischöfe unterdrückt werden?
Seine Äußerung über „selbsternannte ,Progressive’ und ,Reformer’“ zeigt die Verachtung engagierter Reformkatholikinnen und –katholiken. Generalvikar Kestel erwartet Prediger, „die zum ruhigen und sachlichen Nachdenken und zur Gewissenserforschung einladen“. Wer bestreitet das denn bei einem Prediger wie Helmut Schüller? Die geplante und verhinderte Predigt von ihm hätten die beiden Bischöfe und die Mitglieder ihrer Domkapitel sich anhören sollen, ruhig und sachlich darüber nachdenken und ihr Gewissen erforschen! Das wären Hoffnungszeichen und vielleicht könnten die von ihnen zu verantworteten „Gräben“ zwischen konservativen und progressiven Christinnen und Christen zugeschüttet werden.
Wenn der Generalvikar die Meinung vertritt, „dass gerade in den letzten Jahren noch viel mehr als früher schwierige Fragen (ergebnis-)offen diskutiert werden“, sollte er mal wenigstens ein paar Beispiele nennen. Wenn einige wenige Gläubige und nicht viele, wie er behauptet, „verunsichert und irritiert, die sich mit der Frage an uns gewandt hätten: Warum lässt die Kirche das zu?“ hätte man Ihnen selbstkritisch sagen können, ja müssen, dass zum katholischen Glauben eine Weite und keine Enge gehört. Durch die Einladung zu den Fastenpredigten ist kein Schaden entstanden, wohl aber durch die erzwungene Absage.
Walter Hürter, Sprecher der „Wir sind Kirche“-Diözesangruppe Eichstätt
Statt „Fastenpredigt“ jetzt „Bildungsveranstaltung“
Schüller konnte auf Einladung der 3.000 Katholiken zählenden Pfarre „Menschwerdung Christi“ im Rahmen ihrer Veranstaltungsreihe „Apostelkonzil 2013 - Kirche wohin?“ sprechen.
Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke hat dies „mit Bedauern zur Kenntnis genommen“. In einem Gespräch mit Pfarrer Thaddäus Posielek und einer Vertreterin des Pfarrgemeinderates äußerte der Bischof seinen Wunsch, die Reihe in dieser Form abzusetzen oder in einer anderen Form zu gestalten. In dem in einer offenen Atmosphäre geführten Gespräch schlossen sich die Vertreter der Pfarrei dieser Bitte jedoch nicht an.
Ihre konsequente Antwort an die Bischöfe:
Schüller: Gläubige müssen "Rolle des Untertanen" verlassen
Der österreichische Mitinitiator der Pfarrer-Initiative, Helmut Schüller, hat die Katholiken aufgerufen, "die eingespielte Rolle der Untertanen" zu verlassen. Sie müssten ihre Rechte in der Kirche selbst in die Hand nehmen, sagte Schüller am Sonntagabend in Nürnberg. Das Subsidiaritätsprinzip der katholischen Soziallehre gelte in der Kirche selbst bisher nicht, bemängelte der Pfarrer. "Wie will eigentlich die Kirche Transparenz, Mut des Einzelnen, Verantwortung gegenüber Verantwortlichen predigen, wenn sie es nicht in den eigenen Reihen praktiziert?"
600 Zuhörern waren in die überfüllte Kirche der Nürnberger Gemeinde "Menschwerdung Christi" gekommen. Der österreichische Geistliche forderte Grundrechte für alle Getauften. Eine "Hausordnung für die Kirche" müsse dafür sorgen, dass Gläubige beim Dialog mit der Kirchenleitung Rechtsschutz genössen. Gehorsam sei problematisch, wenn "diejenigen, die ihn einfordern, durch niemanden kontrolliert werden". Der Begriff "Laie" für ungeweihte Katholiken sollte durch das Wort "Kirchenbürger" ersetzt werden. Es gehe darum, aufzustehen und frei "Klartext" zu reden, auch mit den Würdenträgern.
Die Bischöfe rief der Vertreter der Pfarrer-Initiative zur Umkehr auf. Sie müssten die im Zweiten Vatikanischen Konzil verankerte Kollegialität zwischen Bischöfen und Papst in der Leitung der Weltkirche ernst nehmen "und sich um ihre Kirche kümmern." Diese Aufgabe sei von den Kirchenreformern lange vernachlässigt worden. "Wenn wir hier keine grundlegenden Änderungen bekommen, bleiben alle Reformanliegen bloß Papier."
Schüller warnte vor zu hohen Erwartungen an den nächsten Papst. Dieser werde auf jeden Fall ein "absolutistischer Monarch" sein, der jedoch aufgrund des vatikanischen Systems nicht frei sprechen könne. Mit seiner Wahl werde der Papst ein "Gefangener". Gleichzeitig würden die Menschen die eigentlichen Entscheidungsträger hinter den Kulissen gar nicht kennen.
(kipa/kna/bal)
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