Michael Lehnberg
Interview mit Georg Schwikart zu seinem Buch: "Abgekanzelt. Protokoll einer Inquisition"

Kurz vor der Weihe zum Diakon hatte Joachim Kardinal Meisner dem Hangelarer Georg Schwikart im November 2010 nach vier Jahren Ausbildung die Weihe versagt. Unter anderem deshalb, weil der Schriftsteller und Religionswissenschaftler in einem gemeinsamen Buch mit seinem evangelischen Freund und Theologen Uwe Birnstein die Frage gestellt hatte, ob es nicht an der Zeit sei darüber nachzudenken, Frauen für das Priesteramt in der katholischen Kirche zuzulassen. Die unrühmliche Geschichte hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Schwikart konvertierte zur evangelischen Kirche und hat jetzt ein Buch über die Geschehnisse geschrieben. Der Titel: "Abgekanzelt - Protokoll einer Inquisition".

Herr Schwikart, haben Sie den "Rausschmiss" jetzt verdaut? Wie geht es Ihnen heute?
Georg Schwikart: Wirklich gut. Ich bin im Frieden mit mir selbst, mit Gott und mit der Kirche. Und ich bin froh darüber, dass ich aufrichtig geblieben bin. In der Zeit nach meinem Rausschmiss habe ich festgestellt, dass es sie in Teilen sogar noch gibt, die weite, gute und offene katholische Kirche.

Sie sind aber aus der katholischen Kirche ausgetreten und evangelisch geworden. Ist das für sie auch heute noch ein richtiger Schritt gewesen?
Schwikart: Es war richtig, diesen Schritt zu machen. Ich war vorher ja auch schon mal evangelisch, und fühle mich aber heute auch noch als katholischer Christ, weil ich katholisch sozialisiert wurde. Klingt ein bisschen wirr, aber das beschreibe ich näher in meinem Buch. Ich bin im Haus des Glaubens in ein anderes Zimmer gegangen und fühle mich da wohl. Manchmal gehe ich auch wieder ins alte Zimmer zurück. Ich bin hier in Hangelar von den Protestanten sehr freundlich aufgenommen worden. Dort gibt es mehr Freiheit. Die katholische Mutterkirche will dagegen ja immer die Erwachsenen erziehen. Deshalb laufen da noch viele rum wie kleine Jungs.

Hat sich ihr Glaube in der Zwischenzeit verändert?
Schwikart: Eine gute Frage. Ich bin heute viel vorsichtiger geworden mit dem, was ich über Kirche sage. Andererseits fühle ich mich wieder freier, wenn ich über Gott spreche. Ich hatte, als ich Diakon werden wollte, eine naive Vorstellung von Berufung, und war erschüttert über die Entscheidung des Kardinals, mir die Weihe zu versagen.

Nun haben Sie die Ereignisse des Jahres 2010 in einem Buch protokolliert. Was haben sie beim Schreiben gefühlt?
Schwikart: Ich wollte das Buch erst gar nicht schreiben. Der Verlag hatte mich angesprochen und ich habe nein gesagt. Ich habe dann gemerkt, dass ich die leidige Geschichte aber noch nicht überwunden hatte, und es dann doch geschrieben. Es hat mir sehr geholfen, das Trauma loszuwerden. Das Schreiben hatte eine therapeutische Funktion.

Sie nennen ihr Buch provokant "Protokoll einer Inquisition". Das klingt nach Abrechnung.
Schwikart: Es ist keine Abrechnung. Der Titel kommt auch nicht von mir, sondern von meinem Lektor. Es war ja auch eine Inquisition. Das Wort bedeutet Untersuchung. Nur spottete die Methode dieser Untersuchung jeglicher Vorstellung von Wahrheitsfindung. Aber in meinem Buch werden Sie darüber kein böses oder scharfes Wort finden. Der Reformstau in der katholischen Kirche ist nicht mehr mein Thema. Ich habe mir gesagt: Lass' die katholische Kirche als Institution hinter dir. Das Entscheidende ist, dass das Reich Gottes Wirklichkeit wird.

Leiden Sie denn nicht immer noch an der Kirche?
Schwikart: Klares Nein.

Das Buch mit ihrem befreundeten evangelischen Theologen Uwe Birnstein war der Auslöser für ihren "Rausschmiss", obwohl Radio Vatikan es sogar ausdrücklich gelobt und empfohlen hat. Was ist da passiert?
Schwikart: Es ist richtig. Radio Vatikan hatte es 2010 kurz vor dem ökumenischen Kirchentag in München als Lesetipp empfohlen. Aber ich weiß, Kardinal Meisner hat es nicht gelesen. Ein Diakon im Generalvikariat hat ein Gutachten darüber verfasst und aufgeführt, dass ich nicht katholisch genug denken würde. Darauf hat sich der Kardinal dann verlassen. Mir ist da einfach etwas unterstellt worden, ohne mit mir zu sprechen. Das fand ich schon schäbig. Ich habe es bis heute nicht verstanden, zumal mich der Diakon persönlich kannte.

Sie haben nach der Verweigerung der Diakonweihe durch den Kölner Erzbischof Hunderte E-Mails und Zuschriften bekommen, die große Betroffenheit, Empörung und Ärger ausdrücken. Haben Sie die eigentlich an das Erzbistum weitergeleitet?
Schwikart: Nein, das habe ich nicht, das wäre ja auch kindisch. Der Kardinal hat ja nach seinem Dafürhalten konsequent und authentisch gehandelt. Er glaubt, Gott will keine Frauen im Geistesamt, was ich eben anders sehe.

Werden Sie ihm denn das Buch schicken?
Schwikart: Ich habe meinen Verlag nicht dazu aufgefordert. Er wird es eh nicht lesen. Aber wir haben sehr darauf geachtet, dass das Geschriebene rechtlich einwandfrei ist.

Was bedeutet Ihnen das Buch?
Schwikart: Es ist ein Abschluss, ein Siegel auf die Geschichte. Ich habe meinen Weg gefunden, jetzt ist es gut. Ich bin entspannt, weil ich es geschrieben habe.

Sie sagen, Sie fühlen sich in allen Kirchen zu Hause. Wie geht das?
Schwikart: Alle Kirchen bilden etwas von der Größe Gottes ab, aber jede Kirche auch etwas anderes von ihm. Ich gehe ab und an in eine Quäker-Andacht, da wird eine Stunde geschwiegen. Das finde ich auch gut, wenn es mir auch etwas zu wenig wäre, denn ich singe nun mal gerne.

Zur Person
Georg Schwikart hat Religionswissenschaften studiert. Als Publizist und Schriftsteller hat er sich in zahlreichen Publikationen mit dem Thema Kirche befasst und auch Erzählungen geschrieben. Nebenbei ist er als Trauerredner tätig. Der 48 Jahre alte Religionswissenschaftler ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und lebt in Hangelar.

Aus: Bonner Generalanzeiger vom 07.01.2013


© imprimatur März 2013
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