Der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, sieht eine Pogromstimmung gegen die katholische Kirche entstehen.
"Gezielte Diskreditierungs-Kampagnen gegen die katholische Kirche in Nordamerika und auch bei uns in Europa haben erreicht, dass Geistliche in manchen Bereichen schon jetzt ganz öffentlich angepöbelt werden. Hier wächst eine künstlich erzeugte Wut, die gelegentlich schon heute an eine Pogromstimmung erinnert", sagte Müller der "Welt".
In Blogs und "auch im Fernsehen", so Müller weiter, würden "Attacken gegen die katholische Kirche geritten, deren Rüstzeug zurückgeht auf den Kampf der totalitären Ideologien gegen das Christentum".
Zugleich kritisierte Müller den innerkirchlichen Dialogprozess, wie er derzeit in Deutschland zwischen den Bischöfen und kritischen Laien-Gruppen geführt wird: "Dialogprozess ist gut. Aber man muss auch über das Wesentliche reden und nicht die gleichen Probleme immer wieder neu auftischen", sagt Müller.
Als Beispiel für immer wieder neu aufgetischte Probleme nennt Müller "die Forderung nach einem sakramentalen Weiheamt für die Frau. Es ist nicht möglich. Nicht weil die Frauen weniger wert wären, sondern weil es in der Natur des Weihesakramentes liegt, dass Christus in ihm repräsentiert wird als Bräutigam im Verhältnis zur Braut".
Müller weiter: "Auch eine Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ist für die katholische Kirche nicht möglich. Solche Partnerschaften sind grundsätzlich in keiner Weise mit den Ehen gleichzustellen." Genauso beharrt Müller auf dem Pflichtzölibat für Priester: "Der Zölibat der Priester entspricht dem Beispiel und Wort Jesu und hat in der geistlichen Erfahrung der lateinischen Kirche eine besondere Ausprägung gefunden."
Es gebe "kein Anzeichen, dass die Verantwortlichen in der Kirche daran rütteln würden, aus bestimmten falschen Vorstellungen heraus, als wäre es eine Naturnotwendigkeit, Sexualität zu praktizieren, innerhalb oder außerhalb einer Ehe." Die Ehelosigkeit sei "um des Himmelreiches willen im Evangelium grundgelegt."
Einen Reformstau in der katholischen Kirche sieht Müller nur insofern, als "man die wesentlichen Themen nicht anpackt: die Teilhabe an den Sakramenten, die Kenntnis des Glaubens". Das Wort Reform dürfe "nicht beschlagnahmt werden, um die eigentliche Erneuerung in Christus zu bremsen".
Mit Blick auf die Auseinandersetzungen der Kurie mit den Piusbrüdern sagt Müller, dass die Geduld des Vatikans mit den abtrünnigen Traditionalisten nicht endlos sei: "Die Glaubenskongregation hat der Priesterbruderschaft die Dogmatische Präambel vorgelegt. Daraufhin ist bis jetzt keine Antwort erfolgt. Wir warten aber nicht endlos."
In die Debatte um die Äußerung von Erzbischof Gerhard Ludwig Müller hat ein hochrangiger jüdischer Geistlicher eingegriffen. Müllers Wortwahl sei „böswillig“ interpretiert worden, sagte Rabbi David Rosen aus Jerusalem nach einem Bericht der „Berliner Morgenpost online“. Müller, der die vatikanische Glaubenskongregation leitet, hatte in einem Interview mit der Zeitung „Die Welt“ eine aufkommende „Pogromstimmung“ gegen die Kirche in Europa und Nordamerika beklagt. Das war auf heftige Kritik in Teilen der deutschen Politik und bei Vertretern der jüdischen Gemeinschaft gestoßen. Rosen, der das amerikanisch-jüdische Komitee für interreligiöse Angelegenheiten leitet, nahm Erzbischof Müller gegen den Vorwurf in Schutz, dass er einen Holocaust-Vergleich angestellt habe. „Kein Vergleich mit den Grausamkeiten der Shoah ist je angemessen“, sagte Rosen. „Ebenso klar ist für jeden vernünftigen Menschen, der die Worte Erzbischof Müllers nachliest, aber auch, dass ein solcher Vergleich keineswegs in dessen Absicht war.“
Der Vize-Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, empfahl Erzbischof Müller derweil, den Vergleich schnellstmöglich zurückzunehmen. Es könne zwar sein, dass manche kritischen Äußerungen gegenüber der katholischen Kirche oder einzelnen Würdenträgern überzogen sein mögen, sagte Schuster. Wenn Müller diese Kritik aber mit einer Pogromstimmung vergleiche, „dann hat er offensichtlich nicht verinnerlicht, was ein Pogrom bedeutet“, sagte Schuster in Würzburg. Ein solcher Vergleich sei „bei allen ehrbaren Motiven in der neuen Funktion des Erzbischofs nicht zu akzeptieren“, so Schuster, der auch Präsident der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern ist.
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