Leserbrief
zu Robert Spaemann, „Das Konzil hat die Kirche lasch gemacht“
Wie sich ein Philosoph zu einem derart unqualifizierten Pamphlet hinreißen
lassen kann, ist wohl nur tiefenpsychologisch zu erklären.
- Spaemann schreibt: „Aggiornamento heißt den Widerspruch der
Kirche zur Welt … aktualisieren.“
Der Philosoph legt hier etwas in „Aggiornamento“ hinein, was seiner
höchst persönlichen Vorstellung entspricht. Das sollte er sagen.
„Aggiornamento“ heißt „Heutig Machung“. Nichts
anderes.
- Spaemann schreibt: Papst Johannes XXIII. „war von einem Optimismus
geprägt, den man fast schon ruchlos nennen möchte.“
Hier leistet sich Spaemann eine geradezu ungeheuerliche Unterstellung! Ruchlos
bedeutet: „gottlos, frevelhaft gemein, niederträchtig“ (Duden.
Etymologie, 1963, S. 576). Wer Papst Johannes XXIII. als „ruchlosen
Optimisten“ bezeichnet, hat jedes Augenmaß und jede einem Philosophen
ziemende Zurückhaltung verloren.
In der Eröffnungsansprache zum Konzil sagte der „ruchlose Optimist“
Johannes XXIII: „Es ist nicht unsere Aufgabe, den kostbaren Schatz unseres
Glaubens nur zu bewahren, als ob wir uns einzig und allein für das interessieren,
was alt ist, sondern wir wollen jetzt freudig und furchtlos an das Werk gehen,
das unsere Zeit erfordert…. Heute ist es wahrhaft nötig, dass die
gesamte christliche Lehre ohne Abstriche in der heutigen Zeit von allen durch
ein neues Bemühen angenommen werde. Heiter und ruhigen Gewissens müssen
die überlieferten Aussagen … daraufhin genau geprüft und interpretiert
werden… Denn etwas anderes ist das depositum fidei … und etwas
anderes ist die Art und Weise, wie sie verkündet werden.“
- Spaemann schreibt: Am Ende der Geschichte „wird es einen großen
Abfall geben, und die Geschichte läuft zu auf den Antichrist.“
Wer mag wohl Spaemanns „Antichrist“ sein? Vielleicht Hans Küng?
Johannes XXIII. sagte in seiner Eröffnungsansprache: „Die Kirche
hat den Irrtümern zu allen Zeiten widerstanden, oft hat sie diese verurteilt,
manchmal mit großer Strenge. Heute dagegen möchte die Braut Christi
lieber das Heilmittel der Barmherzigkeit anwenden als die Waffe der Strenge
erheben. Sie glaubt, es sei den heutigen Notwendigkeiten angemessener, die
Kraft ihrer Lehre ausgiebig zu erklären als zu verurteilen.“
- Spaemann schreibt: „Das Konzil hat die Kirche lasch gemacht.“
Die Kirche???!!! Papst Benedikt XVI. und die Bischöfe? Vielleicht gar
alle Katholiken – mit Ausnahme der Piusbrüder und eines Philosophen
aus München?
- Spaemann schreibt: Die Mitglieder der „Fortschrittspartei“
beim Konzil „haben oft richtig konspirativ gearbeitet.“
Zu dieser „Fortschrittspartei“ gehörten die Kardinäle
Frings, Döpfner, Jäger, Alfrink, König, Suenens, Martini, Liénart,
Lercaro und die Periti Rahner, Ratzinger, Küng. Der Bischof von Berlin,
Alfred Bengsch, sagte 1962: „Es ist etwas aufgebrochen in der Kirche,
was ein neues Pfingsten verheißt. Freilich nicht an allen Stellen. Es
gibt Widerstände. Es gibt die dumpfe und sture Zähigkeit des Festhaltens.
Es gibt das Fahren in eingelaufenen Geleisen.“
Wenn jemand „konspirativ“ gearbeitet hat, dann waren es die Kardinäle
Ottaviani und Ruffini und die hinter ihnen stehende Minderheit von ca. 300
Konzilsteilnehmern (unter 2500). Es sei erinnert an die nicht selten von „unbekannter
Hand“ (Kardinal Döpfner) in die Texte eingefügten schwerwiegenden
Veränderungen (v.a. Liturgie- und Kirchenkonstitution) und die Vorgänge
um die Anfügung der „seitens der höheren Autorität“
angeordneten „Erläuternden Vorbemerkungen“ („Notificationes.
Nota explicativa praevia“) an die Kirchenkonstitution, die dem Papst
zugestehen, „nach Gutdünken“ (ad placitum) seine „höchste
und volle Gewalt über die ganze Kirche“ auszuüben. „Selten
in der Kirchengeschichte ist eine nicht einmal qualifizierte Minderheit auf
einem Konzil so pfleglich, geradezu zartfühlend und auf Kosten des öffentlichen
‚Image’ des Papstes behandelt worden unter Inkaufnahme widersprüchlicher,
jedenfalls uneindeutiger Formulierungen der Konzilstexte. Und selten hat diese
Minderheit anschließend ungenierter - um nicht zu sagen: schamloser
und dreister - die von ihr erzwungenen Uneindeutigkeiten der Konzilstexte
ausgenutzt, um sich an dem klaren Mehrheitswillen der Repräsentanten
der Weltkirche vorbei auf den Bahnen des Hergebrachten durchzusetzen. Wenn
es dazu eines Beweises bedürfte, so wäre er gegeben durch die Behandlung
der ohnehin durch den dichten Filter der deutschen Bischofskonferenz gegangenen
und darum ganz bescheidenen Anträge der Würzburger Gemeinsamen Synode
der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland durch Rom - nämlich
ihrer Ablehnung durch gezielte Nicht-Behandlung.“ (O.H. Pesch, Das Zweite
Vatikanische Konzil, Topos Tb 393, S. 373)
- Spaemann schreibt: „Das Konzil hätte um ein Haar den Zölibat
abgeschafft.“
Johannes XXIII. hatte niemals die Absicht, den Pflichtzölibat der Priester
aufzuheben. Aber er hat zum Erstaunen und mancherorts zur Entrüstung
vieler damit angefangen, Priester von der Verpflichtung zum Zölibat zu
entbinden und ihnen die kirchliche Trauung zu ermöglichen. Diese Praxis
hat sein Nachfolger Paul VI. fortgeführt, allerdings fortschreitend eingeengt.
Johannes Paul II. hat diese Praxis rigoros gestoppt.
Der Priesterzölibat war zu allen Phasen des Konzils Gegenstand heftigster
Diskussionen. Lediglich 70 Konzilsväter (von rund 2400) verlangten, im
Priesterdekret die Tradition der Kirche klar herauszustellen und zu bekräftigen.
Der deutsche Kardinal Bea forderte den einen wie den anderen priesterlichen
Stand zu behandeln, den Stand der völligen Enthaltsamkeit im Zölibat
und den der vollkommenen Ehe des verheirateten Priesters. Man einigte sich
auf folgende Formulierung: „Zwar ist er (der Zölibat) nicht vom
Wesen des Priestertums selbst gefordert, wie die Praxis der frühesten
Kirche und die Tradition der Ostkirchen zeigen, wo es neben solchem, die aus
gnadenhafter Berufung zusammen mit allen Bischöfen das ehelose Leben
erwählen, auch hochverdiente Priester im Ehestand gibt … (so ist
er) jedoch in vielfacher Hinsicht dem Priestertum angemessen“ (PO 16).
- Spaemann schreibt: „Das Konzil hat festgestellt, dass die eigentliche
Liturgiesprache der westlichen Kirche das Latein sei und bleibe.“
In der Liturgiekonstitution steht es etwas anders: „Art. 36, §
1: Der Gebrauch der lateinischen Sprache soll in den lateinischen Riten erhalten
bleiben, soweit nicht Sonderrecht entgegensteht. § 2: Da bei der Messe,
bei der Sakramentenspendung und in anderen Bereichen der Liturgie nicht selten
der Gebrauch der Muttersprache für das Volk sehr nützlich sein kann,
soll es gestattet sein, ihr einen weiteren Raum zuzubilligen…“.
Art. 63: „Da nicht selten bei der Spendung der Sakramente und Sakramentalien
beim Volk der Gebrauch der Muttersprache sehr nützlich sein kann, soll
ihr breiterer Raum gewährt werden.“
- Spaemann schreibt: Die Kirche „muss das tun, was sie immer getan
hat. Sie muss immer umkehren.“
Umkehren wohin? Dazu kein Wort vom Philosophen. Wenn „umkehren“,
dann doch wohl zuerst zu dem Fundament, zu Jesus Christus. Ob wohl Jesus mit
der Kirche einverstanden wäre, wie Spaemann und seine Gesinnungsgenossen
sie herbeisehnen?
- Spaemann schreibt: Die Kirche „lebt von den Heiligen, die Vorbilder
der Umkehr sind.“
Vom Vorbild welcher Heiliger? Etwa von José María Julián
Mariano Escrivá de Balaguer y Albás, dem Gründer von Opus
Dei? Oder von Papst Pius IX.? Jesus Christus, das Vorbild schlechthin, erwähnt
Spaemann auffälligerweise nicht.
Im Beitext zum Interview wird mitgeteilt, dass Spaemann ein „geschätzter
Berater und Gesprächspartner des inzwischen emeritierten Papstes“
war. Das erklärt manche Worte und Handlungen Benedikts.
Norbert Scholl, Wilhelmsfeld
© imprimatur März 2013
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