Joshua J. McElwee
LCWR-Vorsitzende auf der internationalen Konferenz der Oberinnen: ,Schwerwiegende Missverständnisse’ mit dem Vatikan

ROM Der Dachverband der U.S.-Ordensfrauen wurde letztes Jahr vom Vatikan angewiesen, sich unter die Aufsicht der Bischöfe zu stellen. Am Samstag berichtete die Vorsitzende des Dachverbandes an 800 Kolleginnen aus aller Welt, dass „schwerwiegende Missverständnisse“ zwischen den Vertretern des Vatikans und den katholischen Schwestern bestehen.

Die Franziskanerin Schwester Florence Deacon, Vorsitzende der Konferenz für Führungskräfte der Ordensfrauen (LCWR = Leadership Conference of Women Religious) sprach auf der Versammlung der Internationalen Vereinigung der Generaloberinnen, einer Gruppe von etwa 2.000 Leiterinnen von Frauenorden aus der ganzen Welt.

Deacon's Ansprache ist die bisher ausführlichste öffentliche Äußerung zu den Beziehungen zwischen der LCWR und dem Vatikan.

In ihrer 20-minütigen Ansprache zeigte Deacon ihren Kolleginnen auf, wie die LCWR, die etwa 80 Prozent der insgesamt 57.000 U.S. Ordensfrauen repräsentiert, letzten April von der Glaubenskongregation des Vatikans angewiesen wurde, sich anders aufzustellen.

Zu Beginn ihrer Ansprache sagte Deacon, die ebenfalls Oberin der Schwestern vom hl. Franz von Assisi in St. Francis, Wisconsin, ist: „Die Konferenz für Führungskräfte der Ordensfrauen befindet sich derzeit in einer sehr schwierigen Situation.“

Deacon wies mehrere Male auf die Verfügung des Vatikans hin, die drei U.S.-Bischöfen die Vollmacht erteilt, die LCWR anders auszurichten und umzuorganisieren. Sie sagte, dass die LCWR „für die Aussagen Einzelner und für Arbeitsgebiete zur Rechenschaft gezogen würde, für die die Gruppe keine Verantwortung trage und die über den Auftrag der Gruppe hinausgingen.“

Die Verfügung, die im April 2012 veröffentlicht wurde, bestimmt den Erzbischof von Seattle, Peter Sartain, als Bevollmächtigten und erteilt ihm die höchste Entscheidungskompetenz in allen Angelegenheiten der LCWR.

Vor zwei Wochen drückten einige ehemalige Vorsitzende der LCWR ihren Schmerz und ihre Enttäuschung aus, als der Vatikan in einer Pressemitteilung erklärte, dass Papst Franziskus die Anordnung der Glaubenskongregation, die ursprünglich unter Papst Benedikt erfolgte, „bestätigt“ hat.

In ihrer Ansprache stellte Deacon in Frage, ob Papst Franziskus über die Situation der U.S.-Schwestern wirklich informiert sei und wies darauf hin, dass die Pressemitteilung zum ersten Treffen der Glaubenskongregation mit Papst Franziskus keine Hinweise auf dieses Thema enthält.

„Da stellt sich für uns die Frage, in wieweit der Papst wirklich informiert wurde“, sagte Deacon und wies weiter darauf hin, dass Cardinal Jorge Bergoglio vor seiner Wahl zum Papst Erzbischof in Buenos Aires, Argentinien, war.

„Ich bezweifele, dass er sich in Argentinien über unsere Situation auf dem Laufenden gehalten hat“, sagte sie. „Wir fragen uns, ob er wirklich im Detail unterrichtet wurde und wir gehen davon aus, dass das, was er gehört hat, sich auf die Darstellungen des Berichts der Glaubenskongregation beschränkt.“

Am Ende ihrer Ansprache kam Deacon noch einmal auf den Papst zu sprechen. Sie wies auf seine Bemerkungen am Abend seiner Wahl hin, als er den auf dem Petersplatz Versammelten sagte, er wolle sich auf eine Reise der Brüderlichkeit, der Liebe und des Vertrauens begeben.

„Das ist genau das, was wir einfordern und worauf wir hoffen,“ sage Deacon. „Wir beten dafür, dass die Wahl von Papst Franziskus und diese Reise der Brüderlichkeit, der Liebe und des Vertrauens auch den Beginn einer neuen Beziehung zwischen den römisch-katholischen Schwestern und der Hierarchie des Vatikans bedeutet - die Bischöfe zusammen mit dem Volk in unserem Versuch als gläubige Christen in unserer Zeit nach dem Evangelium zu leben.“

Ehe sie dieser Hoffnung Ausdruck gab, listete Deacon jedoch noch Einzelheiten zu einigen der Anschuldigungen des Vatikans gegen ihre Gruppe auf, die im dem offiziellen Bericht mit dem Titel Lehramtliche Beurteilung und Verfügung vom April 2012 gemacht wurden.

Viele der Anschuldigungen, die in diesem Bericht gemacht wurden, würden die Arbeit der LCWR und ihre Funktionen nicht richtig darstellen. Sie widersprach konkret einigen Punkten des Berichts und erklärte, dass einige Punkte die LCWR fälschlicherweise als die alleinige oberste Dienststelle der U.S.-Ordensfrauen darstellen würden.

Als eins ihrer Beispiele führte sie aus, dass die Vertreter des Vatikans „sich besorgt um die Ausbildung der einzelnen Ordensgemeinschaften zeigten.“
„Die LCWR hat keine Verantwortung für die Ausbildung in den einzelnen Gemeinschaften“, sagte sie. „Dafür sind diese selbst verantwortlich.“
„Wir sind eine Organisation zur Entwicklung von Führungskräften, wir bauen Netzwerke auf“, fuhr sie fort. „Unser Ziel ist es nicht, eine Organisation zu sein, die Kirchenlehre vermittelt.“

Die LCWR-Mitglieder waren besonders betroffen, so Deacon, dass der Vatikan verfügte, dass die Eucharistiefeier auf den LCWR-Jahreskonferenzen einen „bevorzugten Platz“ einnehmen muss.

„Auf unseren Versammlungen haben wir immer schon täglich die Eucharistie gefeiert“, sagte sie. „Und wenn jetzt in der Verfügung steht, dass wir dies tun müssen, dann denken die Leute doch, dass wir das bisher nicht getan haben und dass man uns das Beten erst befehlen muss.“

Deacon erwähnte mehrmals, dass der Vatikan behauptete, er würde sich nicht auf die Arbeit der einzelnen Schwestern beziehen, sondern nur auf die Konferenz für Führungskräfte.

„Sie versuchen, einen Trennstrich zwischen der Konferenz für Führungskräfte, über die sie sich besorgt zeigen, und den Schwestern zu ziehen“, sagte sie. „Doch wir sind von unseren Schwestern gewählt. Und für unsere Schwestern und für die Laien, für das Volk Gottes, ist diese Zensur nicht ein Vorgehen gehen eine bestimmte Führungsgruppe sondern gegen die katholischen Schwestern in den U.S.A. insgesamt. Die Schwestern sehen diese Kritik als Kritik ihrer selbst und sind von ihr tief verletzt.“

„Diese Beurteilung und Verfügung zeigt, dass es schwerwiegende Missverständnisse zwischen den Vertretern des Vatikans und den Ordensfrauen gibt. Sie zeigt die Notwendigkeit des Gebets, besserer Einsicht, und vertieften Zuhörens“, sagte Deacon.

Nach Deacon's Ansprache nutzten einige der 800 versammelten Schwestern die Gelegenheit, sie zur aktuellen Situation in den U.S.A. zu befragen. Eine Schwester dankte ihr für eine „gewaltlose Reaktion“ auf die Verfügung des Vatikans.

Die Dominikanerin Sr. M. Viviana Ballarin aus Italien, Vorsitzende des Dachverbandes ihres Landes, der Vereinigung der Mütter Oberinnen von Italien, sagte, sie wollte Deacon und der LCWR die Solidarität ihrer Organisation versichern.

„Wir sind im Gebet und in unserer Identität als geweihte Ordensfrauen mit Euch verbunden,“ sagte Ballarin unter dem Applaus der Anwesenden.

Auch in den Besprechungen am Rande der fünftägigen Plenarversammlung der internationalen Gruppe von Schwestern wurden Fragen zur Situation der LCWR gestellt.
In der Kaffeepause am Freitag sagten einige Leiterinnen verschiedener australischer Frauenorden dem NCR, dass sie die Reaktion der LCWR aufmerksam verfolgen.
„Es hat eine gewaltige Auswirkung auf uns in Australien“, sagte Sr. Catherine Ryan von den Barmherzigen Schwestern, die der Gemeinschaft des Ordens in Parramatta, Australien, vorsteht.

„Wir verfolgen das sehr aufmerksam, weil die LCWR eine riesige Bedeutung für unser Leben hat“, sagte Ryan. „Für mich unterscheiden sich die Ordensfrauen in Australien nicht von den Ordensfrauen in den U.S.A.“

„Alles was wir tun, ist im Namen der Kirche und im Namen Christi“, sagte sie. „Ich glaube, dass wir ein gutes Gespür dafür entwickelt haben, dort zu sein, wo Jesus uns haben will. Ich bin darüber beunruhigt, dass die Fragen, die an die LCWR gestellt werden, auch Fragen sind, mit denen wir uns befassen müssen, weil wir genau das Gleiche tun.“

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Bernhard Aurin.

Aus: National Catholic Reporter, 4.5.2013
http://ncronline.org/node/51236


© imprimatur Juli 2013
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