Niederlande: Professoren-Manifest gegen die Aushöhlung der Glaubensgemeinschaften in der Kirche

33 niederländische Professoren haben ein Manifest gegen das Aushöhlen der Glaubensgemeinschaften in der katholischen Kirche und das Zusperren der kleinen Pfarren verfasst. Es wurde am 17. April mit einem Begleitschreiben an alle residierenden Bischöfe, die Bischofskonferenz und den Nuntius sowie tags darauf an alle Pfarren gesandt. Sukkus: Die Erhaltung lokaler Glaubensgemeinschaften bietet der Kirche mehr Chancen als die aktuelle bischöfliche Politik.

Das Manifest

Niemandem kann entgehen, dass sich in der Niederländischen Kirchenprovinz der katholischen Kirche große Veränderungen vollziehen. Dabei verfolgen die Bischöfe und manche Priester eine andere Zielsetzung als viele Gläubige und Glaubensgemeinschaften. Diese Zielsetzung führt zu einer wachsenden Unruhe. Sie hat uns im Wissen um unsere im CIC (1983), can 212 § 3, ausdrücklich bestätigte Verantwortung zu dieser Erklärung bewogen.

Das Problem

In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts sind die Gläubigen auch in Glaubensangelegenheiten mündig(er) geworden. Sie leisteten einen aktiven Beitrag zur Bildung von vielen blühenden, lebendigen und erwachsenen Glaubensgemeinschaften. In ihnen wirken Laien in einer zeit- und ortsgemäßen Weise und im offenen Gespräch mit den örtlichen Amtsträgern am Glaubensleben und in der Liturgie mit.

An die Stelle passiver Mitläuferschaft trat eine aktive und bewusste Partizipation. Ferner bilden sich durch eine wachsende Zusammengehörigkeit enge Glaubensgemeinschaften, die den betroffenen Gläubigen ein Zuhause bieten. Das ist von großer existentieller Bedeutung.

Ein Problem entsteht dadurch, dass sich die Bischöfe, um die Folgen des Priestermangels zu überwinden, für ein großräumiges Fusionsmodell entschieden haben, das mehrere Glaubensgemeinschaften zu einer einzigen Pfarrei mit einer einzigen Gemeindeleitung zusammenfügt.

Zugleich soll die Liturgie uniformiert werden. Dadurch wird allem pluriformen Charakter ein Ende gesetzt, was die Rückkehr zu Formen bedeutet, die die Gläubigen wieder zu einer passiven Rolle zwingen. Dazu seien einige Bemerkungen gemacht.

Die theologische und pastoral-psychologische Bedeutung der örtlichen Glaubensgemeinschaften

Der spezifische Charakter örtlicher Glaubensgemeinschaften ist von großer Bedeutung. Sie erhalten ihre religiöse Kraft aus der erfahrenen gegenseitigen Verbundenheit (etymologisch meint „Religion“ Verbindung): Es geht um eine einzigartige spezifisch-menschliche Beziehung, die von der Botschaft (das Evangelium) Jesu von Nazareth getragen wird. Diese Beziehung lebt aus einem tiefen gegenseitigen Respekt und bildet den Auftakt zu einer Beziehung – von Person und Gemeinschaft – mit dem Ewigen: es geht um eine grundlegende Liebe. Das 2. Vaticanum hat in der dogmatischen Konstitution Lumen gentium eine erneuernde Vision der Kirche dargelegt und dabei betont, dass „Kirche“ im theologischen Wortsinn die örtliche Glaubensgemeinschaft im Sinne einer Gemeinschaft von Gläubigen bedeutet. In ihrer Mitte ist Jesus Christus gegenwärtig und durch diese Gemeinschaft gibt sie sich der Welt zu erkennen, in der sie sich befindet. Es ist eine ecclesia amoris, eine Kirche, deren Grundlage die Liebe bildet, in der communio zum Leben kommt und verwirklicht wird. Die Bischöfe erklären mit Recht, dass die Eucharistie der Höhepunkt und die Quelle unseres Glaubens ist. Sehr wichtig für die Gläubigen ist zugleich die Erfahrung, dass sie Teil einer gläubigen Gemeinschaft sind, communio in der wahren Bedeutung des Wortes. Auch ist in den Glaubensgemeinschaften die Hochachtung für die Arbeit der örtlichen, nicht-geweihten Mitarbeiter viel größer als bei vielen Bischöfen; die Kirche darf nicht zu einer Priesterkirche verengt werden.

Das Wort von Papst Franziskus: „Wir müssen übergehen von einer Kirche, die Regeln festlegt, zu einer Kirche, die den Glauben fördert und weitergibt“, bietet in dieser Hinsicht eine hoffnungsvolle Perspektive.
Wenn eine örtliche Glaubensgemeinschaft lebendig ist, blüht und Anzeichen einer erwachsenen Vitalität zeigt, müssten das für einen Bischof und seine Mitarbeiter schwerwiegende Gründe sein, sie darin zu bestätigen. Aus logistischen Gründen können die organisatorische Zusammenarbeit von Glaubensgemeinschaften und deren Zusammenlegung notwendig sein, doch darf das ihre besondere spezifische Identität nicht beschädigen. Dagegen rauben die Maßnahmen und Richtlinien vieler Bischöfe allen betroffenen Glaubensgemeinschaften ihre Eigenart und Persönlichkeit, reduzieren sie auf eine geringere Form von Kirche-sein. Theologisch und pastoralpsychologisch ist das höchst problematisch und deshalb nicht zu verantworten.

Die psychosoziale Bedeutung der örtlichen Glaubensgemeinschaften

Eine lebendige Glaubensgemeinschaft zeichnet sich aus durch die gegenseitige Verbundenheit ihrer Mitglieder im Glauben und durch den gemeinsamen Raum, in dem sie diesen Glauben entfaltet; sie hat die Kennzeichen einer Eigenheit, eines ,Selbst’, einer Person (Personalität hat eine psychische und eine soziale Dimension). Der besondere Charakter existierender örtlicher Glaubensgemeinschaften ist deshalb auch psychosozial von großer Bedeutung. Deshalb ist es wichtig, sich die charakteristischen Kennzeichen solcher Glaubensgemeinschaften immer vor Augen zu halten.

Dies kommt in einem Text der Askea-Pfarrei in Carlow (Irland) markant zum Ausdruck:

Wenn das kein Ort ist, an dem meine Tränen verstanden werden,
wohin gehe ich, um zu weinen?
Wenn das kein Ort ist, an dem mein Geist Flügel bekommt,
wohin gehe ich, um zu fliegen?
Wenn das kein Ort ist, an dem meine Fragen gehört werden,
wohin gehe ich, um zu suchen?
Wenn das kein Ort ist, an dem meine Gefühle gehört werden,
wohin gehe ich, um zu reden?
Wenn das kein Ort ist, an dem du mich so annimmst,
wohin gehe ich, um zu sein?
Wenn das kein Ort ist, an dem ich versuchen kann, zu lernen und zu wachsen,
wohin gehe ich, um einfach ich selbst zu sein?
[A people Place]

Dies zeigt deutlich: Eine Glaubensgemeinschaft ist ein Ort, an den Menschen mit ihrem Schmerz, ihrer Freude und ihren Glaubensfragen gehen können; sie ist ein Ort, an dem Menschen bei ihrer Suche nach dem Sinn ihres Lebens ihren Weg finden. Ferner spielen Glaubensgemeinschaften eine gesellschaftliche Rolle in der Diakonie und der Sozialarbeit, zumal dann, wenn sie gemeinsam in ökumenischer Zusammenarbeit auftreten. Viele Freiwillige im der Sorge um Kranke, bei den Tafeln für Bedürftige und bei caritativen Tätigkeiten kommen aus Glaubensgemeinschaften.

Wenn die örtlichen Glaubensgemeinschaften weiterhin missachtet werden, dann wird die Rolle der Kirche, so befürchten wir, auf diesem Gebiet weiter geschwächt. Dabei kommt in unserer säkularisierten Gesellschaft religiösen Institutionen ohnehin nur noch eine marginale Rolle zu.

(1. Teil des Manifests. Lesen Sie den zweiten Teil in der nächsten Ausgabe)


© imprimatur Oktober 2013
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