Karl-Heinz Ohlig
Zur gegenwärtigen Lage der Katholischen Kirche

Bringt der neue Papst eine Wende?

Das Echo auf den neuen Papst ist erstaunlich positiv, weltweit und auch in Deutschland, das gerade „seinen“ Papst eingebüßt hat. Es scheint sich eine Wende anzukündigen, zumindest in der Stimmung auch vieler Katholiken, die sich in der Kirche engagieren – so wird es auch in diesem Heft dokumentiert.

Der neue Optimismus ist allerdings begründet auf Beobachtungen, die sich mehr auf Gesten als auf Zeichen einer Richtungsänderung beziehen. Der neue Papst will ein „ärmeres“, einfacheres Erscheinungsbild der Kirche, er scheint eine Abneigung gegen allzu viel Prunk zu haben. Das wirkt vor allem gegenüber der rituellen Selbstdarstellung seiner Vorgänger im Stil absolutistischer Monarchien sympathisch und war wohl auch einmal nötig, wenn auch zu bezweifeln ist, ob er sich diesen Zwängen gänzlich entziehen kann. Es ist sympathisch, wenn ein solcher Monarch auch einmal selbst seine Tasche trägt, einen Kleinwagen fahren will oder zum Telefon greift, um einen schlichten Gläubigen anzurufen.

Zudem will er die ineffektiven und oft mafiösen Strukturen innerhalb des Vatikans reformieren; er hat Kommissionen eingesetzt und z.B. einen neuen Kardinalstaatssekretär ernannt. Ob er Erfolg haben wird, lässt sich bisher noch nicht absehen.

Aber der Stimmungsumschwung innerhalb der Katholischen Kirche zeigt darüber hinaus, wie sehr sie mittlerweile eine Papstkirche geworden ist. Alle Blicke richten sich auf den Papst. Tatsächlich haben sich seit dem Ersten Vatikanischen Konzil 1869/1870 (Definition des Summepiskopats und der Unfehlbarkeit des Papstes) die zentralistischen Strukturen immer stärker ausgebildet, begünstigt durch die neuen technischen Möglichkeiten der Kommunikation. Wo früher Informationen, Anordnungen oder Visitationen Wochen oder Monate in Anspruch nahmen, genügt jetzt ein Mausklick.

So gut wie alles Wesentliche, aber sehr oft auch völlig nebensächliche Fragen werden nicht mehr in den Ortskirchen, sondern in Rom entschieden. Das führt nicht nur zu einer Lähmung der Kirchen vor Ort und zu einem verhaltenen, vorsichtigen und reduzierten Engagement der Verantwortlichen „vor Ort“ (wer will schon dauernd und absehbar ausgebremst oder gar angefeindet werden?), sondern auch zu einem Reformstau innerhalb der Kirche. Dadurch ist seit langer Zeit ein Überdruss an der römischen Immobilität und Inkompetenz entstanden, der durch das vatikanische Hofzeremoniell und die unüberschaubaren Machtstrukturen noch verstärkt wurde. Insofern ist es verständlich, dass das Auftreten des neuen Papstes Hoffnungen weckt. Aber die Intensität dieser positiven Wertungen zeigt ebenso, wie sehr der Blick auf die Gestalt des Papstes fokussiert ist.

Seit mehr als einhundert Jahren ist die römische Allzuständigkeit so gewachsen und rechtlich festgelegt worden, dass unbedingt notwendige Reformen blockiert werden – immer mit dem Verweis auf die gesamtkirchliche Perspektive des Vatikan, der darüber wacht, dass es keinerlei regionale (kontinentale oder nationale) Sonderentwicklungen gibt. Anscheinend droht der Kirche ein großer Schaden, wenn z.B. in einigen Regionen, die hierfür alle Voraussetzungen erfüllen, die Auswahl geeigneter Bischöfe durch die Ortskirche erfolgen würde (wie es über längste Zeit praktiziert wurde) oder theologische Lehrstühle ohne Placet Roms besetzt würden (wie es bis vor wenigen Jahrzehnten ebenfalls üblich war) oder verheiratete Männer und Frauen regional, dort wo anders die Seelsorge zusammenbricht – z.B. in weiten Teilen Europas oder in Lateinamerika –, als Gemeindeleiter eingesetzt würden. Vom Gesangbuch bis zur Schwangerenberatung unterliegt alles römischer Approbation oder Vorbehalt.

Ein neuer Aufbruch ist nur möglich, wenn die zentralistischen bzw. absolutistischen Fesseln, die innerhalb der katholischen Kirchengeschichte eine „Neuerung“ darstellen, gelockert werden. Hierfür aber gibt es bisher keine Anzeichen, sogar eher das Gegenteil, wenn man die Bemerkung von Papst Franziskus, dass für solche Fragen die Türen verschlossen bleiben, beim Wort nimmt.

Allerdings ist er erst seit kurzer Zeit im Amt, und vielleicht ist es noch zu früh und noch vieles möglich. Man muss ihm wohl Zeit einräumen. Aber bis dahin ist Euphorie noch nicht angebracht, eher wohlwollende Zurückhaltung. Bisher ist eine Wende noch nicht in Sicht.


© imprimatur November 2013
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