Armin Schwibach in kath.Net
Ein langer Flug: von der Homolobby im Vatikan über das IOR, die wiederverheirateten Geschiedenen bis hin zum ,Großvater Benedikt XVI.’

Eine Stunde und zwanzig Minuten: so viel Zeit widmete Papst Franziskus den Journalisten, die ihn im Flugzeug von Rio de Janeiro nach Rom begleiteten. Ein Fragesturm, dem der Papst in freien, nicht vorbereiteten Antworten begegnete. Der italienische Journalist Andrea Tornielli sammelte sie für die Internetseite „Vatican Insider“. Der Papst überraschte die Medienleute und zögerte nicht, auf alle auch problematischen Fragen zu antworten, von der Reform des IOR zum „Fall Ricca“ bis hin zur schwarzen Ledertasche, die er immer persönlich als Handgepäck vor den Flügen getragen hatte.

Die mysteriöse Ledertasche

Ach ja: die Ledertasche: „Ich bin ins Flugzeug mit meiner Tasche gestiegen, weil ich das immer so mache. Was da drin war? Der Rasierapparat, das Brevier, der Terminkalender und ein Buch zum Lesen: ich habe die heilige kleine Therese mitgenommen, der ich sehr ergeben bin. Es ist normal, sich seine Tasche zu tragen, wir müssen uns helfen, normal zu sein, und ich bin ein wenig überrascht, dass das Bild der Tasche durch die Welt gegangen ist. Wie dem auch sei: es war nicht der Koffer mit den Codes für die Atombombe“.

Die Homolobby im Vatikan

„Viel wird von der Homolobby geschrieben. Mir ist bisher im Vatikan noch keiner begegnet, auf dessen Personalausweis ,homosexuell’ steht. Man muss zwischen Homosexualität, diese Tendenz zu haben, und einem Lobbyismus unterscheiden. Die Lobbys, alle Lobbys, sind nicht gut. Wenn ein Mensch homosexuell ist und guten Willens den Herrn sucht, wer bin ich da, das ich diesen verurteile? Der Katechismus der Katholischen Kirche lehrt, dass die homosexuellen Menschen nicht diskriminiert werden dürfen, sondern aufgenommen werden müssen. Das Problem ist nicht, diese Tendenz zu haben, das Problem ist, Lobbyismus zu betreiben, und das gilt für diese wie für Lobbys in der Wirtschaft, in der Politik und der Freimaurer.“

Warum „Bischof von Rom“ nicht „primus inter pares“ heißt: der Primat des Papstes

Oft wurde beredet, dass sich Franziskus lieber als „Bischof von Rom“ und nicht als „Papst“ bezeichnet. Einige meinen darin ein Signal für die „Aufweichung“, „Desakralisierung“ und Aufgabe des Jurisdiktionsprimats des Papstes zu erkennen, der zu einem „primus inter pares“ werde. Diesbezüglich stellte Franziskus klar: der Primat des Papstes steht nicht in Frage.

„Man darf nicht über die Worte hinaus lesen. Der Papst ist Bischof, er ist Bischof von Rom, und von dort geht alles aus. Das ist der erste Titel, dann kommen die anderen. Doch zu denken, dass dies besagen wolle, dass der Nachfolger Petri ein ,primus inter pares’ sei, bedeutet, darüber hinauszugehen. Die Betonung des ersten Titels, des Titels ,Bischof von Rom’, kann für die Ökumene förderlich sein.“

Die Arbeit des Bischofs und Papstes

„Die Arbeit des Bischofs ist etwas Schönes. Das Problem stellt sich ein, wenn einer diese Arbeit sucht, das ist nicht so schön. Es besteht immer die Gefahr, sich für den anderen gegenüber überlegen zu halten, sich ein wenig für einen Fürsten zu halten. Doch die Arbeit des Bischofs ist schön: er muss vor den Gläubigen stehen, inmitten der Gläubigen und hinter den Gläubigen. Als ich Erzbischof von Buenos Aires war, war ich glücklich. Da war ich so glücklich. Und als Papst? Auch. Wenn der Herr dich da hin stellt, wenn du annimmst, das zu tun, was der Herr von dir fordert, bist du glücklich.“

Franziskus und das IOR: es muss sich was ändern

„Alles, was ich tun musste, stammte aus den Kardinalskongregationen vor dem Konklave. Die Kommission der acht Kardinäle – es ist wichtig, dass sie von außerhalb kommen – geht in die Richtung einer Reifung der Beziehung zwischen Synodalität und Primat. Es gibt viele Reformvorschläge, zum Beispiel des Sekretariats der Synode.


Dann ist da das IOR. Ich dachte, mich mit der Frage das kommende Jahr zu beschäftigen, doch der Terminkalender hat sich aufgrund der euch wohl bekannten Probleme geändert, denen nun entgegengetreten werden muss. Wie soll man es reformieren und das sanieren, was sanierbar ist? Ich habe eine referierende Kommission ernannt. Ich weiß nicht, wie das IOR enden wird: einige sagen, es sei besser, eine Bank zu haben, andere, dass es eines Hilfsfonds bedürfe, wieder andere sagen, es zu schließen. Ich vertraue der Arbeit der Menschen des IOR und der Kommission, die dafür arbeiten. Ich wüsste nicht, wie es enden wird: man probiert aus, man sucht. Was auch immer aus dem IOR werden wird: es bedarf der Transparenz und Rechtschaffenheit.“

Änderungen und Widerstände in der Römischen Kurie

„Die Änderungen wurden von den Kardinälen vor dem Konklave gefordert, und dann ist da das, was meiner Persönlichkeit entstammt. Ich könnte zum Beispiel nicht alleine im Palast leben. Das päpstliche Appartamento ist groß, aber nicht luxuriös. Aber ich kann nicht alleine mit einem kleinen Grüppchen von Personen leben. Ich brauche es, unter den Leuten zu leben, Leuten zu begegnen. Aus diesem Grund habe ich gesagt, dass da ,psychiatrische’ Motive gegeben sind: ich konnte das psychologisch nicht, und jeder muss davon ausgehen, wie er ist. Wie dem auch sei: auch die Wohnungen der Kardinäle, die, die ich kenne, sind streng. Jeder muss so leben, wie es der Herr von ihm fordert. Doch eine allgemeine Strenge ist notwendig für alle, die im Dienst der Kirche arbeiten. In der Kurie gibt es Heilige, Bischöfe, Priester und Laien, Leute, die arbeiten. Viele, die im Verborgenen zu den Armen gehen, oder in der Freizeit eine Kirche aufsuchen, um dort ihren Dienst zu verrichten.

Dann gibt es da auch Leute, die nicht so heilig sind, und diese machen Lärm, weil – wie ihr wisst – ein Baum, der umfällt, mehr Lärm macht als ein Wald, der wächst. Ich empfinde einen großen Schmerz, wenn diese Dinge geschehen. Wir haben da diesen Monsignore (gemeint ist: Nunzio Scarano der APSA), der im Gefängnis sitzt. Er ist nicht ins Gefängnis gekommen, weil er der heiligen Imelda ähnelt (in Argentinien übliche Redewendung).

Ich glaube, dass die Kurie gegenüber ihrem einstigen Niveau etwas gesunken ist, als da einige alte und treue Kurienleute waren, die ihre Arbeit taten. Wir bedürfen des Profils der alten Kurienleute. Wenn es da Widerstand geben sollte, so habe ich ihn nicht gesehen. Es ist wahr, ich habe nicht viel gemacht, doch ich habe Hilfe vorgefunden, treue Leute. Mit gefallen die Leute, die mir sagen: ,Ich bin nicht einverstanden’. Das sind treue Mitarbeiter. Dann gibt es jene, die dir ins Gesicht sagen: ,Wie schön!’, und dann womöglich hinausgehen und das Gegenteil erklären. Doch solche habe ich noch nicht gefunden.“

Die Kirche und die Frauen

„Eine Kirche ohne Frauen ist wie ein Apostelkollegium ohne Maria. Die Rolle der Frau ist die Ikone der Jungfrau, der Gottesmutter. Und die Gottesmutter ist wichtiger als die Apostel. Die Kirche ist weiblich, weil sie Braut und Mutter ist. Man muss weiter voran gehen. Eine Kirche ohne Frauen, die in ihr aktiv sind, kann man nicht verstehen. (...) Wir haben noch keine Theologie der Frau hervorgebracht. Man muss sie machen.

Was die Priesterweihe von Frauen betrifft, hat die Kirche gesprochen und nein gesagt. Johannes Paul II. hat mit einer definitiven Formulierung gesprochen, diese Tür ist zu. Doch erinnern wir uns daran, dass Maria wichtiger als die Apostel-Bischöfe ist, und so ist die Frau in der Kirche wichtiger als die Bischöfe und Priester“.

Franziskus und der „Großvater Benedikt XVI.“

„Das letzte Mal, als es zwei oder drei Päpste zusammen gegeben hat, redeten sie nicht miteinander, sondern bekämpften sich, um zu sehen, wer von ihnen der wahre Papst ist. Ich und Benedikt XVI. haben uns sehr gern, er ist ein Mann Gottes, ein demütiger Mann, ein Mann, der betet. Ich bin glücklich gewesen, als er zum Papst gewählt wurde, und dann haben wir seine Geste des Amtsverzichts gesehen... für mich ist er ein Großer. Jetzt wohnt er im Vatikan, und es gibt da Leute, die sagen: ist das nicht eine zu große Last für dich? Rudert er dir nicht dagegen?

Nein, für mich ist es, als hätte ich einen weisen Großvater im Haus. Wenn es in der Familie den Großvater gibt, wird er verehrt und man hört auf ihn. Benedikt XVI. mischt sich nicht ein. Für mich ist es, als hätte ich den Großvater im Haus, er ist mein Papa. Wenn ich ein Problem habe, kann ich zu ihm gehen und darüber sprechen, wie ich dies bei jenem großen Problem ,Vatileaks’ getan habe... Als er am 28. Februar die Kardinäle empfangen hatte, um sich zu verabschieden, hat er gesagt: ,Unter euch ist der neue Papst, dem ich schon heute meine bedingungslose Ehrerbietung und meinen bedingungslosen Gehorsam verspreche’. Er ist ein Großer!“

„Vatileaks“

„Als ich Benedikt XVI. in Castel Gandolfo besucht habe, sah ich, dass auf dem Tischchen eine Schachtel und ein Umschlag waren. Benedikt XVI. hat mir gesagt, dass in der Schachtel alle Zeugenaussagen der von der dreiköpfigen Kardinalskommission zu Vatileaks befragten Menschen seien, während sich in dem Umschlag die Schlüsse, die abschließende Zusammenfassung befanden. Benedikt XVI. wusste alles auswendig. Ein großes Problem, aber ich habe keine Angst bekommen.“

Die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten

„Das ist ein immer wiederkehrendes Thema. Ich glaube, dass dies die Zeit der Barmherzigkeit ist, dieser Epochenwechsel, in dem es so viele Probleme auch in der Kirche gibt, auch aufgrund des unguten Zeugnisses einiger Priester. Der Klerikalismus hat viele Wunden hinterlassen, und man muss dazu übergehen, diese Wunden mit der Barmherzigkeit zu heilen.

Die Kirche ist Mutter, und in der Kirche muss es Barmherzigkeit für alle geben. Und auf die Verwundeten muss man nicht nur warten, sondern man muss sie suchen. Ich glaube, dass dies die Zeit der Barmherzigkeit ist, wie dies Johannes Paul II. erahnte, der das Fest der Göttlichen Barmherzigkeit eingerichtet hat.

Die Geschiedenen können die Kommunion empfangen, die wiederverheirateten Geschiedenen können dies nicht. Man muss auf das Thema in der Gesamtheit der Ehepastoral blicken. Die Orthodoxen folgen zum Beispiel der Theologie der Ökonomie und erlauben eine zweite Ehe. Wenn sich die Gruppe der acht Kardinäle versammeln wird, in den ersten drei Tagen im Oktober, werden wir uns damit beschäftigen, wie man in der Ehepastoral weitergehen soll.

Wir sind unterwegs zu einer tieferen Ehepastoral. Mein Vorgänger in Buenos Aires, Kardinal Quarracino, sagte immer: ,Für mich ist die Hälfte aller Ehen ungültig, weil sie heiraten, ohne zu wissen, dass es für immer ist, weil sie es aus sozialer Konvenienz machen, usw.’. Auch das Thema der Nullität muss untersucht werden.“

Die Anklagen gegen Battista Ricca, Prälat des IOR

„Im Fall von Msgr. Ricca (eines „skandalösen Verhaltens“ bezichtigt, als er vor dreizehn Jahren seinen Dienst als Diplomat in Uruguay verrichtete) habe ich das getan, was das Kirchenrecht vorsieht: eine vorläufige Untersuchung. Es ist nichts von dem gefunden worden, dessen er bezichtigt wird. Wir haben nichts gefunden!

Oft werden in der Kirche die Sünden der Jugend gesucht und dann veröffentlicht. Wir sprechen nicht von Verbrechen, Vergehen wie den Missbrauch von Minderjährigen, was eine ganz andere Sache ist, sondern von Sünden. Wenn aber ein Laie, ein Priester oder eine Schwester gesündigt und sich dann bekehrt und gebeichtet hat, dann vergibt der Herr, er vergisst. Und wir haben nicht das Recht, nicht zu vergessen, weil wir andernfalls Gefahr laufen, dass der Herr unsere Sünden nicht vergisst.

Oft denke ich an den heiligen Petrus, der die schwerste Sünde begangen hat: er hat Christus verleugnet. Und dennoch haben sie ihn zum Papst gemacht. Doch ich wiederhole: zu Msgr. Ricca haben wir nichts gefunden“.

(kath. Net)


© imprimatur November 2013
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