Sloweniens katholische Kirche
Wenn Priester sich verzocken

So sehr er sich auch mühte, göttlichen Beistand hat er nicht erhalten.

Der Erzbischof von Maribor, Marjan Turnsek, musste seinen Stuhl räumen.

Sloweniens katholische Kirche ist in den vergangenen Jahrzehnten wie ein Wirtschaftsimperium aufgetreten. Nicht immer bewies man bei den Investitionen eine glückliche Hand, vor allem nicht in der Erzdiözese Maribor.
Thomas Fuster, Wien

Dem lieben Gott und dem schnöden Mammon gleichzeitig zu dienen, ist eine heikle Sache. Nicht immer will die Doppelaufgabe gelingen. Das trifft nicht nur für die Vatikanbank zu, die bei manchem obskuren Geldgeschäft wenig Rücksicht auf die christliche Morallehre erkennen ließ. Auch in Slowenien, ebenfalls mehrheitlich römisch-katholisch durchtränkt, ging das Nebeneinander von religiöser und pekuniärer Strebsamkeit in den vergangenen Jahren gehörig daneben. Massiv übernommen hat sich vor allem die Erzdiözese Maribor. Mit Ausflügen in spekulative Finanzgeschäfte, die mit dem spirituellen Kerngeschäft kaum noch begründbar sind, hat die Diözese der zweitgrößten Stadt des Landes einen gigantischen Schuldenberg angehäuft. Die Reputation der slowenischen Kirche liegt am Boden, finanziell und moralisch.

Hilfe aus Österreich

Wie hoch der Schuldenberg genau ist, muss derzeit noch geklärt werden. Die über diverse Beteiligungen aufgetürmten Verbindlichkeiten werden auf 800 Mio. € geschätzt. Aus eigener Kraft wird die Diözese diesen Betrag niemals zu begleichen vermögen. Und auf finanzielle Hilfe aus dem Vatikan darf sie kaum hoffen, da die Spekulationen gegen kirchenrechtliche Vorgaben verstießen. Solidarität lässt immerhin der nördliche Nachbar erkennen. So will die österreichische Diözese Graz-Seckau den slowenischen Brüdern beistehen: Die Rede ist vom Aufkauf einiger Liegenschaften, etwa des Bischofssitzes, der theologischen Fakultät und weiterer Kirchengebäude. Sollte nämlich die Erzdiözese bankrottgehen, könnten die Gläubiger diese Liegenschaften, die bis unter das Dach mit Hypotheken belehnt sind, verwerten. Eine Aufrechterhaltung der seelsorgerischen Tätigkeit wäre dann deutlich erschwert.

Wie konnte es so weit kommen? Zur Einordnung drängt sich ein kurzer Rückblick in jugoslawische Zeiten auf. Wie überall im sozialistischen Osteuropa wurde damals auch in Slowenien die Kirche von den kommunistischen Machthabern unterdrückt: Religiöse Bildungseinrichtungen wurden geschlossen, Priester und Ordensfrauen aus den Schulen und Spitälern vertrieben und die Besitztümer der Kirche verstaatlicht. Erst mit Sloweniens Unabhängigkeit im Jahr 1991 erhielt die katholische Kirche einen Großteil ihrer Besitztümer zurück. In der Folge zeigte sich der Klerus nicht nur bestrebt, zu alter gesellschaftlicher Relevanz – mit Anton Korosec war in der Zwischenkriegszeit ein katholischer Priester der einflussreichste Politiker Sloweniens – zurückzufinden. Die kirchliche Stärke sollte auch durch den Aufbau eines eigentlichen Wirtschaftsimperiums finanziell flankiert werden.

Die Erzdiözese Maribor ging dabei besonders offensiv vor: Über Baukonzerne, Verlagshäuser, Brauereien, Finanzinstitute, Einzelhändler oder Fluggesellschaften gab es kaum eine Branche, in die nicht investiert wurde. Orchestriert wurden diese Aktivitäten, die das Vermögen der Diözese stetig vermehren sollten, von einer Gesellschaft namens «Gospodarstvo Rast», auf Deutsch: «Wirtschaftswachstum». Diese Gesellschaft kontrollierte zwei Finanzholdings namens «Zvon Ena» («Glocke Eins») und «Zvon Dva» («Glocke Zwei»), die zeitweise zu den größten Investmenthäusern des Landes gehörten. Bereits Ende 2007 erfuhr der Vatikan, dass einige der Anlagen äußerst verlustreich waren, worauf Rom – aufgeschreckt durch ein Kreditbegehren aus Maribor – einen Finanzexperten nach Slowenien entsandte, um sich die Sache einmal etwas genauer anzusehen.

Der Vatikan lässt Köpfe rollen

Die Intervention kam zu spät. So verschärfte die Finanzkrise die Schieflage der hochverschuldeten Unternehmen, an denen die Kirche beteiligt war, so dass die drei von der Erzdiözese kontrollierten Firmen 2011 allesamt in die Insolvenz schlitterten. Welche Investition dem klerikalen Konstrukt letztlich das Genick brach, bleibt zwar offen. Für tiefrote Zahlen sorgte aber vor allem das unglückliche Engagement am Telekom- und Fernsehunternehmen T-2. Diese Investition passte auch deshalb schlecht ins Portefeuille einer Kirche, da sich der Sender trotz mehrmaligen Protesten beständig weigerte, auf die Ausstrahlung pornografischer Programme zu verzichten. Die Beteiligung an T-2, die der Kirche viel mediale Häme einbrachte, machte zusehends klar, wie der Diözese die Übersicht und Kontrolle über ihr wirtschaftliches Imperium zusehends zu entgleiten begann.

Längst hat das Debakel prominente Köpfe gefordert. Dabei zeigte sich der neue Papst Franziskus von seiner harten Seite. Da die Finanzspekulationen der slowenischen Kirche schlecht zu dem von Franziskus hochgehaltenen Ideal materieller Zurückhaltung passen, entließ er im August dieses Jahres die beiden einzigen Erzbischöfe des Landes, Anton Stres (Ljubljana) und Marjan Turnsek (Maribor). Sie mussten geradestehen für die Finanzmisere, die auch für rund 65 000 Kleinaktionäre mit Verlusten einhergeht. Zwei Jahre zuvor hatte bereits der Vorgänger von Turnsek als Erzbischof von Maribor, Franc Kramberger, abdanken müssen. Die Demission war damals zwar mit dem Alter des Bischofs begründet worden; das wahre Motiv dürfte aber auch in diesem Fall das Finanzgebaren der Diözese gewesen sein.

Direkt betroffen von der fehlgeleiteten Investitionspolitik der Kirche sind auch die öffentlichen Finanzen. So ist die landesweit größte und staatlich kontrollierte Nova Ljubljanska Banka (NLB) die größte Gläubigerin der insolventen Kirchenfürsten. Konfrontiert mit einem rasch wachsenden Berg an faulen Krediten soll es laut Angaben von Stres nicht zuletzt die NLB gewesen sein, die sich gegen Kapitalspritzen an die kirchlichen Finanzholdings wehrte und auf ein Insolvenzverfahren drängte. Es sind seit Jahren nicht zuletzt Bankkredite an überschuldete Holdingfirmen wie Zvon Ena und Zvon Dva, die dafür verantwortlich sind, dass der slowenische Staat, der über zwei Jahrzehnte nach dem Ende der sozialistischen Wirtschaftsordnung noch immer im Besitz der drei größten Banken des Landes ist, zusehends in Schieflage geraten und zu einem Sorgenkind der Euro-Zone geworden ist.

Ein Spiegel der Gesellschaft

Während sich die beiden entlassenen Bischöfe auf Anraten Roms aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen haben, steht für die Administratoren, die der Vatikan neu an die Spitze der zwei Bistümer gestellt hat, das große Aufräumen an. Stattfinden dürfte diese Vergangenheitsbewältigung nicht zuletzt vor den Gerichten. So sind bereits verschiedene Anklagen von Banken eingegangen. Neben bloßer Misswirtschaft steht dabei auch der Vorwurf illegaler Machenschaften im Raum. Ende August musste sich beispielsweise Mirko Krasovec, der bei der Erzdiözese Maribor einst die Finanzgeschäfte geleitet hatte, vor einem Gericht in Celje wegen Dokumentenfälschung verantworten. Der Vorwurf lautet, dass bei der Renovation des Schlosses Betnava, das der Diözese gehört, Rechnungen und Dokumente manipuliert worden seien, um vom Wirtschaftsministerium 1,7 Mio. € an EU-Geldern zu erhalten.

Dem Ansehen der Kirche ist dies wenig förderlich, und zwischen dem Klerus und der Bevölkerung klafft ein zusehends tieferer Graben. Während viele Kirchenvertreter kritisieren, die Entlassung der beiden hohen Würdenträger sei eine unverhältnismäßig harte Bestrafung, kommt eine Umfrage der Tageszeitung «Delo» zum Resultat, dass 74% der Slowenen den Rauswurf der Bischöfe begrüßen.

Dass in Zeiten der Rezession und des Sparzwangs auch die Kirchenführung für ihre Mitschuld an der Finanzmisere nicht ungeschoren davonkommt, stößt auf breite Zustimmung. Schadenfreude ist fehl am Platz, wie das slowenische Wochenmagazin «Mladina» in einem Kommentar anmerkt: Denn letztlich sei das Verhalten der Kirche ja bloß eine Reflexion der Gesellschaft, eine Reflexion des exzessiven Hungers nach hoher Rendite, der bekanntlich auch das weltliche Slowenien zu Fall gebracht habe.

Aus: Neue Zürcher Zeitung, September 2013


© imprimatur Dezember 2013
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