Karl-Heinz Ohlig
Eine Wende?
Zum Apostolischen Schreiben des Papstes Franziskus Evangelii Gaudium

Seit mittlerweile 46 Jahren gibt es unsere Zeitschrift imprimatur. Von Beginn an bis heute ging es darum, kirchliche Fehlentwicklungen zu benennen und zu analysieren, in Theologie, Pastoral, Ökumene usf. Das Ziel war nicht, die Kirche negativ zu zeichnen, sondern Impulse zu Reformen zu geben.

Über bisher 46 Jahre wurden Themenfelder angesprochen, die sich oft wiederholten; z.B. immer wieder der päpstliche Absolutismus, die verhärteten Kirchenstrukturen, die bewusst in Kauf genommene Reduzierung der kirchlichen Pastoral und damit verbunden die Dezimierung der Gemeinden, die Zulassung von „Laien“ und Frauen zum Amt des Gemeindeleiters, die Einladung der geschiedenen Wiederverheirateten zur vollen Teilnahme an der Eucharistie. Aber nichts veränderte sich. Gelegentlich machte sich auch Resignation breit. Was soll eine kleine Zeitschrift schon bewirken können? Die Katholische Kirche ist derart in archaischen Strukturen und Traditionen befangen, dass keine Chance zu sehen war, wie diese aufgebrochen werden konnten. Und der päpstliche Zentralismus seit 1870 und die Alleinkompetenz des Vatikans für jede noch so geringfügige Frage führen zu einer weitgehenden Immobilität. Zwar gab und gibt es an der „Basis“, in dem alltäglichen Gemeindeleben, durchaus hoffnungsvolle Ansätze, aber sie wurden immer wieder blockiert.

Jetzt scheint sich mit dem neuen Papst eine Wende anzukündigen. Das Apostolische Schreiben spricht eine neue, erfrischende Sprache und stößt zu Reformen an, die bisher undenkbar schienen. Leider wurde es erst unmittelbar vor Redaktionsschluss dieses Heftes publiziert, so dass noch keine gründliche Auseinandersetzung möglich ist.

Wie in der Katholischen Kirche nicht anders zu erwarten, kommen die neuen Impulse „von oben“, vom Papst selbst. Hoffentlich verbleibt ihm trotz seines Alters die Zeit, einiges davon in die kirchliche Wirklichkeit zu überführen, ehe die Macht des traditionellen Denkens und Fühlens wieder die Oberhand gewinnt. Die jahrhundertelang eingespielten Behördenapparate des Vatikans und der von ihm selektierten und auf ihn ausgerichteten Bischöfe sind nicht leicht und in kurzer Zeit auf einen neuen Geist zu verpflichten.

Auch der Papst selbst denkt und lebt in den traditionellen theologischen Bahnen. Er will diese nicht wirklich verändern, indem er z.B. die unbiblische Vorstellung einer päpstlichen Unfehlbarkeit korrigiert, aber er nennt es falsch zu meinen, der Papst hätte zu allem die wahre Lösung anzubieten. Oder er will nicht die hinderliche Kompetenz der Bischöfe aufheben durch Betonung der Autonomie und Verantwortung der „Laien“, einer Neukonzeption der Gemeindeleiter und möglichen Leiterinnen usw. Aber er will den traditionellen Strukturen eine neue evangeliumsgemäße Ausrichtung und Dynamik geben, sie aus ihrer Erstarrung befreien und den Blick auf die Menschen lenken, mit denen sie zu tun haben, die nicht ihren schematischen Ordnungsvorstellungen entsprechen.

Aber das ist nicht wenig. Es könnte die Kirche menschlicher, barmherziger, offener für die heutige Zeit und ökumenischer machen. Wenn die in dem Schreiben vorgeschlagene Dezentralisierung der vatikanischen Alleinkompetenz nicht nur die Macht der Bischöfe, sondern die der regionalen Kirchen (inklusive der „Laien“) stärkt, können dann auch Reformen „von unten“ eine Chance haben. Und die Beiträge in imprimatur könnten einen „positiveren“ Anstrich bekommen.

(siehe dazu die anschließend abgedruckte kurze Zusammenfassung des Papstschreibens und weitere Texte).


© imprimatur Januar 2014
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