Norbert Lüdecke
Dienst oder Bärendienst?
Im Zweifel gehorsam

Diözesanbischöfe sind Männer, die schon aufgrund ihrer klerikalen Sozialisation und sorgfältigen Auswahl erwarten ließen, dass sie dem Papst allzeit folgsam sein werden. Bevor sie ihr Amt antraten, müssen sie außerdem ihre moralische und rechtliche Gefolgschaftspflicht in einem eigenen Treueid religiös aufladen und unter Anrufung Gottes und mit den Händen auf der Bibel schwören: „Ich werde dem … Stellvertreter Christi … immer treu sein. Ich werde der freien Ausübung der primatialen Höchstgewalt des Papstes in der ganzen Kirche Folge leisten. Die Rechte und die Autorität des Papstes werde ich fördern und verteidigen. … Ich werde dem Apostolischen Stuhl [= Papst und Kurie; Verf.] Rechenschaft über meine Amtsführung ablegen und dessen Aufträge oder Ratschläge gehorsam annehmen und sorgfältigst ausführen.“

Auf solche Männer kann der Papst sich ganz überwiegend verlassen. Dass sich ein einzelner Bischof gegen Papst und Kurie auf sein Gewissen beruft und systemstimmig ggf. Sanktionen von oben bis hin zum Amtsverlust in Kauf nimmt, wie etwa der französische Bischof Gaillot, ist die absolute Ausnahme. Bisweilen zeigen Gruppen von Bischöfen gewissensbedingte Gehorsamsstockungen. So unternahmen Mitte 1993 drei deutsche Bischöfe einen, wie sie es nannten, „Vorstoß“. Sie wollten wiederverheirateten Geschiedenen, die sich etwa wegen der Kinder aus dieser Verbindung nicht trennen können, ausnahmsweise den Zugang zur Kommunion eröffnen, auch ohne dass die Betroffenen sich zu sexueller Enthaltsamkeit verpflichten. Das sei nicht allen und jüngeren Paaren nur selten möglich. Als die Kongregation für die Glaubenslehre die Bischöfe zurechtwies, nahmen sie von ihrem „Vorstoß“ system- und schwurgemäß Abstand.

Zur gleichen Zeit sahen sich zunächst 26 von 27 Diözesanbischöfen verpflichtet, im staatlichen Schwangerenkonfliktberatungssystem mitzuwirken, obwohl der dort am Ende auszustellende Beratungsschein auch zu einer straffreien Abtreibung verwendet werden kann. Nur so, gaben die Bischöfe sich immer wieder überzeugt, seien mehrere Tausend ungeborene Kinder zu retten. Als der Papst durch die Kurie und dann persönlich auf einem Ausstieg bestand, bröckelte die Front. Zwölf Apostelnachfolger trugen ihre Gewissensbedenken noch einmal in Rom vor. Danach hatte sie nur noch einer. Der Bischof von Limburg, Franz Kamphaus, lehnte es bis zum Schluss ab, den Ausstieg selbst anzuordnen. Er blieb aber gehorsam im Amt und ließ seine Amtsgewalt beschneiden, so dass der Papst von oben durch den Weihbischof den Ausstieg verfügen ließ. In allen Fällen meinten die Bischöfe, sich dafür einsetzen zu müssen, dass universalkirchlich auferlegte Lasten für die Gläubigen gemindert würden. Im Konfliktfall gehorchten die deutschen Bischöfe aber wie geschworen immer dem Papst.

Außer wenn es um Geld geht?

Als bislang einmalig sah lange aus, was seit 2006 geschah. Damals richtete der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte an alle Bischofskonferenzen ein Rundschreiben. Danach durften die deutschen Bischöfe nicht mehr, was sie – von kirchlichen Fachleuten zunehmend kritisiert und von Bischofskonferenzen außerhalb des deutschen Sprachraums nie verstanden – seit Jahrzehnten taten: Allen Katholiken, die sich aus der staatlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts abmeldeten, pauschal zu unterstellen, sie wollten sich von der Kirche lossagen, und sie daher als exkommuniziert, d.h. als entrechtete Kirchenglieder zu behandeln. Dazu wurde schon vor Jahrzehnten maßgeblich vom langjährigen Leiter des Instituts für Staatskirchenrecht der deutschen Diözesen in Bonn, Joseph Listl, die These von der Realidentität/Untrennbarkeit zwischen der katholischen Kirche in Deutschland und der katholischen Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts formuliert, die seither von vielen und vielfach wiederholt wurde. Die deutsche Rechtsprechung hat diese mehrheitlich nicht übernommen, andere geltende teilkirchliche Regelungen haben sie widerlegt, vor allem aber ist sie nach dem amtlichen Selbstverständnis der katholischen Kirche nicht haltbar. Denn sie bedeutete, die Kirche hätte für Deutschland ihre Eigenart als komplexe Einheit aus geistgewirkter Glaubens- und sichtbarer Rechtsanstalt mit Aufnahme auf Lebenszeit aufgegeben zugunsten einer verbandsrechtlichen Gestalt mit jederzeitiger Ein- und Austrittsmöglichkeit. Demgegenüber hatte nun die römische Behörde 2006 nach amtlichem Kirchenverständnis klargestellt: Abmeldung aus der (mitgliedschaftlich verfassten) staatlichen Körperschaft und lebenslange Gliedschaft in der Heils- und Rechtsgemeinschaft Kirche sind nicht unvereinbar. Die Abmeldung kann, muss aber nicht völlige Abwendung von der Kirche und somit die Exkommunikation bedeuten. Wer z. B. in den 1990er Jahren die Kirchensteuer, die übrigens schon der Apostolische Nuntius und spätere Papst Pius XII., Eugenio Pacelli, als „an sich dem Geist der Kirche fremd“ bezeichnete, nur floh, weil er ihre Verwendung zur Unterstützung der kirchlichen Beteiligung am staatlichen Schwangerenkonfliktberatungssystem mit seinem in katholischer Sicht recht gebildeten Gewissen nicht vereinbaren konnte, der war vielleicht ungehorsam, sicher aber nicht von der Kirche abgefallen. Das gilt ebenso für den als Messdiener von seinem Pfarrer sexuell missbrauchten Mann, dessen Anklagen ungehört verhallten und der bei ansonsten intakter Kirchenpraxis seine hilflose Genugtuung aus eigenbestimmter Kirchenunterstützung zieht. Der Beispiele wären viele, ein einziges reicht, um die Identitätsthese zu entkräften. Daher verlangte der Apostolische Stuhl, vor der Sanktion die tatsächliche Willenshaltung des Ausgetretenen kirchlich zu überprüfen. Die deutschen Bischöfe interpretierten die römische Zurechtweisung öffentlich kontrafaktisch als Bestätigung ihrer eigenen Theorie und Praxis und hielten daran fest.

Bei oberflächlicher Betrachtung konnte der Eindruck entstehen, die Bischöfe zeigten sich in lange nicht gekannter Einigkeit ungehorsam gegenüber dem Apostolischen Stuhl. So ließ Kardinal Meisner im November 2010 auf der Sitzung seines Priesterrats die Klerusvertreter auf Linie bringen. Hatte 1970 noch der frühere Bonner Kirchenrechtler und spätere Offizial des Erzbistums Köln, Heinrich Flatten, im Kontext gestiegener Austrittszahlen mit Blick auf eine korrekte Interpretation des Kirchenrechts auch bei Konsequenzen in Sachen Kirchensteuer formuliert: „Daß in dieser Konsequenz eine beachtliche Schädigung [des Kirchensteuersystems; Verf.] eintreten kann, ist nicht zu bestreiten, nur erlaubt uns das nicht, um dessentwillen dann irgendwie am Recht zu manipulieren“, schärfte nun der heute amtierende Gerichtsvikar des Kardinals zur diesbezüglichen Diskussion seit 1970 ein: „Hinter der alten wie der neuen Debatte steht m. E. der Versuch, ausgerechnet mit Hilfe einer formal korrekt erscheinenden Kanonistik über das Geld die Kirche in ihrer heutigen Form zu zerstören und zu einer anderen Kirche zu kommen“. Nach „herrschende[r] Lehre“ dulde ein „Austritt keine Ignorierung oder bagatellisierende Behandlung. Vielmehr lehre die Erfahrung: „Wo es ums Portemonnaie geht, hört für die meisten Leute der Spaß auf. Andersherum: Sie wissen, dass sie die Kirche mit ihrem Austritt empfindlich treffen, und sie wollen das auch. Nun hat man in Rom – wenn ich das so pauschal formulieren darf – immer gerne von den Erträgen der deutschen Kirchensteuer profitiert, m. E. aber immer ziemlich verständnislos vor der Kombination gestanden, dass jemand aus der Kirche austreten muss, um die Kirchensteuerpflicht loszuwerden.“

Erfolgreiche Geheimdiplomatie

Je länger der Dissens zwischen dem Apostolischen Stuhl und den deutschen Bischöfen aber von beiden Seiten beschwiegen wurde, desto stärker wurde die Vermutung, er würde – auffällig langwierig – in binnenhierarchischer Geheimdiplomatie verhandelt. Das Ergebnis liegt nun vor und ist als Gesetz der Deutschen Bischofskonferenz in allen deutschen Diözesen seit dem 24. September 2012 in Kraft. Es wurde bereits am 15. März 2011 von der Vollversammlung beschlossen und durch Dekret der Bischofskongregation vom 28. August 2012 rekognosziert, d. h. in formaler Hinsicht überprüft. Die Verantwortung für den Inhalt und für dessen Folgen bleibt vollständig bei den deutschen Bischöfen.

Es zeigt sich: Auch diesmal verhalten sich die Bischöfe system- und schwurgerecht. Gehorsam ahnden sie nicht mehr jeden Kirchenaustritt als Lossagung von der Kirche mit der Höchststrafe. Das ist für sie nicht weiter beschwerlich, weil die Bischofskongregation zulässt, etwas zu tun, womit sie denselben Effekt erzielen. Die Bischöfe werten jetzt ausnahmslos jede Verweigerung des Kirchensteuereinzugs als besonders schlimme Distanzierung von der Kirche und schwere Verfehlung. Und sie verfügen dafür eine Kaskade von Rechtseinschränkungen, die sich nur minimal von der Totalentrechtung durch Exkommunikation unterscheidet. Einfacher formuliert sagen sie: Es darf nicht mehr jeder Kirchenaustritt als Kirchenabfall gelten und mit der Exkommunikation bestraft werden, weil das vom gesamtkirchlichen Recht nicht gedeckt ist. Dann machen wir eben ein partikularkirchliches Gesetz für Deutschland, nennen künftig jeden Kirchenaustritt „schwere Verfehlung“ und sammeln quer durch das ganze kirchliche Gesetzbuch alle möglichen Rechtsbeschränkungen, um sie dann gebündelt aufzuerlegen, so dass, was formal keine Exkommunikation ist, sich doch so anfühlt. Und schließlich wird brieflich zu einem klärenden Gespräch eingeladen, allerdings nicht, um über mögliche, sondern über bereits eingetretene Rechtsfolgen zu informieren, Tenor: Entweder – oder. Mutter Kirche wird in diesem Fall in Gestalt ihrer männlichen Repräsentanten, wenn auch in freundlichem Ton, sehr streng und zeigt ein Zuwendungsverhalten nach dem Muster: Wer sein Kind liebt, der züchtigt es. Auf diese Weise erwecken die Bischöfe nach oben den Eindruck zu gehorchen und halten das Sanktionspotential nach unten wie bisher auf einem Niveau, das sie zu benötigen glauben, damit die Gläubigen zahlen.

Originelles Kirchengesetz

Fachkirchenrechtlich wird das Dekret als eigenwillig betrachtet. In ersten Reaktionen wurde bereits eine Reihe von Fragen gestellt, auf die der Kanonist gerne die Antwort der „Macher“ wüsste: Um welche Art von Gesetz handelt es sich, wenn der Ausdruck „Strafe“ vermieden wird? Warum werden Sanktionen als ohne jede weitere Feststellung, also von Rechts wegen eingetreten gesehen, für die nach kirchlichem Strafrecht selbst bei Schwerstvergehen wenigstens ein Verwaltungsverfahren geführt werden muss? In welchem Abstand steht der Sanktionskatalog zur Ahndung anderer Verstöße unterhalb der Exkommunikationsgrenze? Und sollte das Dekret doch als Strafgesetz gemeint sein: Ist dann die als schwerer Verstoß gegen die Gemeinschaft gewertete Abmeldung aus der staatlichen Körperschaft eine jener „schwereren Straftaten“, für die allein Beugestrafen aufgestellt werden dürfen? Und da es dann Tatstrafen wären: Handelt es sich also bei besagter Abmeldung um „eine arglistig begangene Straftat, die ein schweres Ärgernis hervorrufen könnte oder aber der durch eine Spruchstrafe nicht wirksam begegnet werden kann“ (c. 1318 CIC)? Und mit welcher Begründung wird hier der selbst bei der Exkommunikation geltende Grundsatz missachtet, dass die Tatstrafe sich mit der Verpflichtung an den Täter richtet, seine Rechte nicht mehr auszuüben, die Verhinderung der Rechte durch die Gemeinschaft, wie sie im Dekret mehrheitlich vorgesehen ist, aber nur nach Feststellung der Tatstrafe wenigstens in einem Verwaltungsverfahren zulässig ist? Welche Rechtsbeschränkungen kommen konkret noch hinzu bei der notwendigen Maßnahme, die der Bischof ergreifen soll, wenn sich im Gespräch herausstellt, es handelt sich doch um Lossagung von der Kirche? Wie wird dann vorgegangen?

Selbst wenn sich hier kanonistische Probleme ergeben sollten: In einem Rechtssystem, das ja nicht rechtsstaatliches, sondern theologisch gegründetes, pastorales, also hirtenbestimmtes Handeln garantieren will und in dem jeweils als rechtens gilt, was der Gemeinschaft im Verständnis der Hirten dient, wären sie nur Schönheitsfehler oder Pragmatik, die die Kongregation für die Bischöfe im Übrigen formal hat durchgehen lassen. Ob und inwieweit die Kongregation für die Glaubenslehre und das für gemeinsame Angelegenheiten von Staat und Kirche zuständige Staatssekretariat beteiligt waren und der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte die vorgeschriebene juristische Prüfung des Dekrets vorgenommen und insbesondere, was ihn zur Abkehr von seiner klaren Position bewogen hat, ist nicht bekannt. Die Gläubigen müssen jedenfalls zur Kenntnis nehmen: Die staatliche Abmeldung aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts gehört in kirchenamtlicher Sicht nach Art und Umfang der Sanktionen zu den sehr schweren Verfehlungen, während z. B. für sexuellen Missbrauch von Minderjährigen durch Kleriker keine konkreten Sanktionen und schon gar nicht an die Tat geknüpfte vorgesehen sind.

Zweifelhafte Wirkung

Ob die angezielte Wirkung – Katholiken davon abzuschrecken, den in Deutschland bischöflich verordneten staatlichen Pfad der materiellen Unterstützung der Kirche zu verlassen – erreicht wird oder sich das Ganze als kontraproduktiv erweist, bleibt ausweislich der bisherigen Reaktionen abzuwarten. Wie stellen die Bischöfe die konsequente Befolgung des Gesetzes sicher? Wollen sie gegen jeden Pfarrer, der den Brief nicht verschickt, Disziplinarmaßnahmen ergreifen oder ein Strafverfahren einleiten, weil er seinen vor dem Amtsantritt als Pfarrer geleisteten Treueid gebrochen hat? Wenn Erzbischof Zollitsch eine Überlastung der Pfarrer nicht befürchtet, weil kaum Ausgetretene das Gesprächsangebot annehmen werden, zeigt er, auf wen das Dekret in Wirklichkeit zielt. Die intendierte Botschaft ist nicht: „Ausgetretene kommt zurück!“, sondern: „Kirchensteuerpflichtige – denkt gar nicht erst an Austritt, sonst geht es Euch wie denen!“ Andernfalls hätte man die Kontaktaufnahme vor die Sanktion gesetzt. Kritiker fragen, ob die Kirche so nicht aus durchsichtigen Gründen zu einem Verein herabgewürdigt wird und ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist, wenn zur Eintreibung von Finanzen auch der Empfang geistlicher Güter untersagt wird. Damit gehen die deutschen Bischöfe jedenfalls weiter als der inzwischen selige Papst Johannes Paul II. in seinem Gesetzbuch von 1983 gehen wollte. Am gefährlichsten ist aber, dass die Bischöfe offenbart haben, anders als ihre Mitbrüder im Amt fast überall auf der Welt nicht von freiwilligen Gaben abhängig und auf die Überzeugungskraft ihres Lehramtes angewiesen sein zu wollen. Ein demokratisch geprägter Katholik muss schon einige Glaubenskraft aufbringen, um die Rechnung „Rechte gegen Pflichten“, also nur bei Wohlverhalten, zu internalisieren. Wo sie aber durchsichtig wird auf eine Rechnung „Rechte gegen Geld“, also eine Tauschbeziehung, da machen die Bischöfe ihre Gläubigen möglicherweise auf das aufmerksam, wovor sie solche Angst zu haben scheinen: Dass nämlich in Tauschbeziehungen strukturelle Hierarchien von der realen Superiorität der Geldgeber unterlaufen werden können. Was, wenn die Fixierung auf die Kirchensteuer den Eindruck vermittelt, damit sei jede Unterstützungspflicht abgegolten? Was, wenn die Gläubigen darüber hinaus alle Spendenaktivität einstellten? Keineswegs undenkbar sind auch Aktionen kirchenpolitisch Interessierter: „Aufruf zum Spendenboykott“ oder „Aktion leerer Klingelbeutel“. Die Folgen wären gravierend. Gerade wer mit gutem Kirchensinn ausgestattet ist, d. h. jener Haltung, die Entscheidungen der kirchlichen Autorität grundsätzlich mehr zutraut als dem eigenen Urteil, wird fürchten dürfen, dass, wer immer dieses Gesetz gemacht oder dazu geraten hat, der Kirche weniger einen Dienst als einen Bärendienst erwiesen hat. Die Verantwortung dafür tragen in jedem Fall allein die deutschen Bischöfe.

Zapp hat gewonnen

Und der ausgetretene emeritierte Kirchenrechtsprofessor Hartmut Zapp? Er hat doppelt gewonnen und einmal verloren. Als deutscher Staatsbürger hat Zapp von seinem staatlichen Recht Gebrauch gemacht, aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts namens „Römisch-katholische Kirche“ auszutreten und genau das auf sein Austrittsformular geschrieben. Der Staat kann nur dann für die Kirche die Steuer einziehen, wenn die Kirchenglieder als Staatsbürger die Möglichkeit haben, sich davon zu befreien. Hier muss das kirchliche Selbstverständnis, wonach es einen Austritt aus der Anstalt Kirche nicht gibt, zurücktreten. Nach der damals vertretenen und praktizierten Doktrin der deutschen Bischöfe bedeutete das innerkirchlich: Zapp sagt sich von der Kirche los, also ist er exkommuniziert. Das sah Zapp kommen.
Aber er wusste auch, dass das kirchenrechtlich nicht haltbar ist und vor allem, dass der Apostolische Stuhl das ebenso sieht. Und nun war Zapps Ortsoberhirte, Erzbischof Zollitsch, in der Zwickmühle: Zöge er die Position der deutschen Bischöfe durch, müsste er Zapp als exkommuniziert behandeln, ihm u. a. verbieten, weiter Lehrveranstaltungen an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg zu halten. Dagegen ginge Zapp dann aber innerkirchlich vor und bekäme vor dem Apostolischen Stuhl Recht. Also was tun? Möglicherweise haben Bistumsjuristen oder katholische Staatskirchenrechtler als Taktik vorgeschlagen, so zu tun, als sei Zapp gar nicht ausgetreten. Dieser hatte ja einen Zusatz auf das Austrittsformular geschrieben. Der sei doch staatlich nicht zulässig und die Austrittserklärung nicht gültig. Kein Austritt, keine Exkommunikation, also auch nichts, wogegen sich Zapp nach Rom wenden könnte. Das Mindeste, was man gewinnen konnte, war wichtige Zeit für die parallele Geheimdiplomatie mit Rom. Also Klage vor dem Verwaltungsgericht. In erster Instanz verliert das Bistum, in zweiter gewinnt es. Die dritte Instanz hat nun Zapp gewonnen. Sein Zusatz fügt nichts Missverständliches hinzu, ist nicht nötig, aber auch nicht schädlich. Er ist gültig ausgetreten, also auch nicht mehr kirchensteuerpflichtig. Allerdings hatte sich in der Zwischenzeit und rein zufällig mit Rechtskraft vom Montag vor dem Mittwochsurteil die innerkirchliche Rechtslage im oben geschilderten Sinne geändert. Zapps staatlich erkämpfter gültiger Kirchenaustritt zieht jetzt – das ist sein zweiter, innerkirchlicher Erfolg – , nicht mehr die Exkommunikation nach sich, wohl aber etwas, was im Jargon des Gerichtsvikars Kardinal Meisners „netto“ das gleiche ist, nämlich der Verlust eines Rechtebündels, das sich nur unmerklich von den Wirkungen der kirchlichen Höchststrafe der Exkommunikation unterscheidet. Das heißt: Der Staat hat Zapp seine Rechte garantiert. Aber ein Katholik darf staatliche Freiheitsrechte nur nach Maßgabe des kirchlichen Lehramts wahrnehmen (c. 227). Hält er sich daran nicht, kann er innerkirchlich belangt werden. Und das wurde Zapp: Nicht aufgrund eines staatlichen Urteils, sondern nur durch die Härte des (deutsch)kirchlichen Gesetzes, mit dem aus Gründen der Kirchenräson (c. 223) einem Gläubigen die sakramentale wie soziale Kirchenteilhabe fast völlig genommen wird. Das ist kirchenrechtlich legal, und im amtlichen Sinn gute Katholiken werden es wie immer so nehmen wie es hierarchisch kommt.

Erstveröffentlichung in:
Georg Bier (Hg.), Der Kirchenaustritt. Rechtliches Problem und pastorale Herausforderung, 1. Aufl. Verlag Herder 2013; Format: 12,5 x 20,5 cm, 288 Seiten, Kartoniert Theologie kontrovers €[D] 14,99 / sFr 21.90 / €[A] 15,40 ISBN 978-3-451-30903-8 (S. 171-187).

Für LeserInnen von imprimatur ist der vollständige Beitrag samt Fußnoten mit dem Passwort „imprimatur13“ einsehbar unter:
http://www.ktf.uni-bonn.de/Einrichtungen/ kirchenrecht/dienst-baerendienst (Anm: d. Red.: Die Seite ließ sich am 1.1.2014 nicht aufrufen. Bitte keine diesbezüglichen Beschwerden an die Redaktion, sondern an den Webadmin von Bonn schicken.)


© imprimatur Januar 2014
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