Die Glosse

Lieber Sepp, alter Sozi,

das gabs noch nie, dass der unfehlbare Papst sich an seine Gläubigen wendet. Der Franziskus hat schon längst gemerkt, die kirchliche Lehre über das Zusammenleben von Mann und Frau, sogar die Verdammung von Homos funktionieren nicht mehr. Du weißt das ja auch, die Leut halten sich inzwischen nicht die Bohne an Kirchengebote, pfeifen auf das, was die Kirch vorschreibt. Anstatt dass er sich wie seine Vorgänger im stillen Kämmerlein zusammen mit dem Heiligen Geist einen Ukas ausdenkt, will der auf einmal wissen, was wir, Du und ich, beobachten und denken. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus, der Papst hat Interesse an unseren Erfahrungen! Am End, so scheint mir, will er daraufhin dann die Lehre abändern und für unsere Zeit praktikabel machen. Das ist dem Franziskus seine Art und seine Absicht hinter der Befragung. Mir gefällt es, wie der Franziskus vom hohen lehramtlichen Ross heruntersteigt und uns das kirchliche Fußvolk, ernst nimmt. Der macht wie aus heiterem Himmel keinen Gebrauch mehr von seiner Unfehlbarkeit. Was muss das ein Schock für die Bischöfe sein, von denen ja die meisten glauben, einen ordentlichen Batzen von der Unfehlbarkeit des Papstes mitbekommen zu haben. Wenn die nur keine Tricks anwenden, und mit unserer Meinung umgehen wie der Tebartz es mit dem Geld gemacht hat, das wo ja ganz klar für die Armen bestimmt ist! Also ich trau den tebartzischen Schnöseln unter den Bischöfen alles zu!

Sepp, ich hab den Eindruck, den Päpsten, die wo von 1870 an die Unfehlbarkeit besitzen, hat das schwer imponiert, als einziger Mensch auf der ganzen Welt unfehlbar zu sein. Wenn ich Papst geworden wär, mich hätte ein solch auftrumpfender Anspruch, würd ich behaupten, massiv geniert. Was meinst Du? Mir scheint, wenn Du als Papst den Müller aus Regensburg als obersten Glaubenswächter neben dir erleben tätst, dann bist du nicht mehr so schnell der Ansicht, der Heilige Geist erleuchtet in erster Linie die Amtsträger.

Also die Vorgängerpäpste vom Franziskus horchten solange in sich hinein, bis sie glaubten, jetzt ist der Heilige Geist bei mir, und dann verordneten sie das Dogma so,
als wie wenn der Heilige Geist es ihnen ins Ohr gesagt hätt. Was dabei herauskommt, zeigen die zwei Dogmen, die wo zu den letzten gehören, nämlich: das von der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel und das von der unbefleckten Empfängnis Marias. Jeder Katholik auf der ganzen Welt musste sie ab dem Tag ihrer Verkündigung für alle Zeiten ohne Widerspruch für wahr halten. Verklickere mir mal, wie Maria mit ihrem irdischen Leib in den Himmel hineinkommt, zu dem doch sonst nur vergeistigte Seelen einen Zutritt haben. Mit der „unbefleckten Empfängnis“ hat mans allerdings leichter, die wirbelt unsereinem nicht das Weltbild durcheinander. Bei der „leiblichen Aufnahme in den Himmel“ schüttelt man den Kopf, bei der „unbefleckten Empfängnis“ zuckt man bloß die Schulter und denkt: „nun ja!“ Johannes Paul hat obendrauf auch noch unfehlbar verkündet, dass keine Frau jemals zum Priester geweiht werden kann, weil der Jesus ja nicht einfach Mensch sondern Mann geworden wär. Und wer als Professor oder Kleriker danach keine Ruhe gegeben hat und darüber weiter diskutieren wollt, den hat seine Heiligkeit aus dem Amt gefeuert.
Nach solchen päpstlichen Alleingängen wendet sich der Franziskus, der wo eingesehen hat, dass die Kirche bessere Regelungen für den kirchlichen Umgang mit Paaren braucht, an uns. Der Hirte fragt seine Schafe nach ihrer Meinung. Er dürft sich gedacht haben: die leben als Paare und wissen, was sich rund um sie herum abspielt, und die zölibatären Fachleute für Moral können mir gestohlen bleiben. Um seine Bischöfe nicht ganz zu verprellen, dürfen sie den Fragebogen verteilen und auch ein klein wenig von ihrem Senf dazu geben. Aber ich traue dem Franziskus zu, dass der am End die Stimme seiner Schafe heraushört.

Was hat der Franziskus ein Glück, dass man heutzutage jede Vergiftung nachweisen kann wie jetzt beim Arafat. Im Mittelalter hätten ihm die Hierarchen, wenn er denen ihre Machtbasis beschnitten hätt, Zyankali (oder was die damals benutzt haben) in die Suppe gemacht.

Sepp, von dem Franziskus könnt Ihr Gewerkschafter euch eine Scheibe abschneiden. Oder hast Du am Franziskus seinem Vorgehen herumzumäkeln?

Bis Donnerstag
Dein Freund Joseph

P.S.: Ich frag mich, warum hat der liebe Gott seiner Kirch den Franziskus nicht früher geschickt. Der hätt auch damals gemerkt, dass der Scheiterhaufen keine Lösung bei der Bekämpfung der sogenannten Irrlehrer und der Hexen ist.


© imprimatur Januar 2014
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