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JAHRGANG |
INFORMATIONSDIENST DER ARBEITSGEMEINSCHAFT VON PRIESTER- UND SOLIDARITÄTSGRUPPEN IN DEUTSCHLAND (AGP) | 2011 / 2 |
Warten auf das Reich Gottes
Wo er recht hat, hat er recht! Nämlich
Rudolf Bultmann, der mit folgenden Worten in seinem Geleitwort zur Neuauflage
des berühmten Werkes von Adolf v. Harnack „Das Wesen des Christentums“
(aus dem Jahr 1900) 1950 schrieb: „Der junge Theologe wird daraus auch
lernen, welche Vorstellungen vom Christentum er in weiten Kreisen gebildeter
und halb-gebildeter Laien, an die sich seine Predigt und Lehre wenden soll,
voraussetzen muss. Denn es ist kein Zweifel, dass das vulgäre Verständnis
des christlichen Glaubens, soweit es nicht in bestimmten Kreisen durch die Tradition
der Orthodoxie und des Pietismus geprägt ist, etwa dem von Harnack gezeichneten
Bild entspricht, auch wenn es nicht dessen Ernst und Feinheit erreicht.“
Es handelt sich um das Werk eines Autors, dem der (katholische) Exeget Alfred
Loisy (vgl. SOG-Papiere 2011/1) vorgehalten hat:
„Es ist nicht die Religion des Evangeliums, es ist seine eigene Religion,
die uns Harnack erklären will und die er verteidigt, wenn er verkündet,
dass „Gott und die Seele, die Seele und ihr Gott“ den ganzen Inhalt
des Evangeliums darstellen.“ (in: Carl-Friedrich Geyer, Wahrheit und Absolutheit
des Christentums - Geschichte und Utopie, „L’Evangile et L’Eglise“
von Alfred F. Loisy in Text und Kontext, Göttingen 2010, S. 144) Die Beschränkung
auf ihr eigenes Seelenheil ist auch heute noch für viele Christen gleich
welcher Konfession der Hauptinhalt, wenn nicht des von ihnen geglaubten Evangeliums,
so doch ihres eigenen Christentums.
Albert Schweitzer erklärte 1906 in seinem klassischen Werk ,Geschichte der Leben-Jesu-Forschung´: „In seinem ‚Wesen des Christentums´ lässt Harnack die zeitgeschichtliche Bedingtheit der Lehre Jesu fast ganz zurücktreten und geht nur auf ein Evangelium aus, mit dem er ohne Schwierigkeit bis ins Jahr 1899 kommt.“
Loisy hingegen betonte: „Wer historisch die Gedanken Jesu feststellen will, darf in ihm zunächst nicht das sehen, was die Billigung des modernen Menschen findet, auch das nicht, was angeblich unverändert geblieben ist. Er braucht nur die Texte zu nehmen, um sie nach ihrem natürlichen Sinne und ihrer verbürgten Authentizität zu interpretieren.“
Das Evangelium
Die Nachrichten über das Leben und die Predigt Jesu entnimmt Loisy seinerseits zutreffenderweise vor allem den Evangelien, wobei es sich nach seinen Worten von selbst verstünde, das vierte Evangelium (auf das sich Ratzinger vor allem stützt) beiseite zu lassen. Der Kern der Botschaft Jesu war: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium! (Mk 1,15) Die Nähe des Reiches Gottes - sogar dessen Gegenwart - kommt besonders deutlich in der Bergpredigt zum Ausdruck: Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet satt werden. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen (Lk 6,20f).
Die überkommene Erwartung des Messias war eminent politisch. Loisy schreibt, „der ursprüngliche christliche Gedanke (war) jüdisch und konnte nur jüdisch sein. Seine erste, entscheidende, wichtigste und vielleicht auch schnellste Veränderung besteht darin, aus einer auf die Idee der messianischen Herrschaft gegründeten jüdischen Bewegung eine für die griechisch-römische Welt und für die Menschheit insgesamt attraktive Religion geschaffen zu haben.“
Was ist aus dem Versprechen der Bergpredigt und der messianischen Verheißung im Laufe der Geschichte geworden? Loisy: "Jesus verkündete das Reich Gottes, gekommen ist die Kirche.“ Die große Zeitenwende, das Reich Gottes, ist bisher ausgeblieben. Von Heinrich Böll ist zwar aus dem Jahr 1957 ein kühnes Wort überliefert: „Selbst die allerschlechteste christliche Welt würde ich der besten heidnischen vorziehen, weil es in einer christlichen Welt Raum gibt für die, denen keine heidnische Welt je Raum gab: für Krüppel und Kranke, Alte und Schwache, und mehr noch als Raum gab es für sie: Liebe für die, die der heidnischen wie der gottlosen Welt nutzlos erschienen und erscheinen…“ Dennoch wurde das Erbe Jesu immer wieder vergessen und die Gesamtbilanz seit der Zeit Jesu ist sehr zwiespältig und höchst ernüchternd. Niemand kann die bittere Wahrheit übersehen: Bis in unsere Tage gibt es für viele Menschen Not und Elend an allen Ecken und Enden. Wer es wissen will, weiß es und kann es nicht leugnen: Die Reichen werden weltweit gerade in unseren Zeiten immer reicher, die Armen ärmer. Von den Opfern der Geschichte und den Namenlosen, Vergessenen der Vergangenheit ganz zu schweigen.
Aus seiner Sicht kommt Loisy 1902 jedoch zu seiner These, die (katholische) Kirche sei die Fortentwicklung und allmähliche Entfaltung des Reiches Gottes. Die Kirche selbst ist jedoch nicht die „Vollgestalt“ des Reiches Gottes, noch kann sie dieses vorwegnehmen. Auf der anderen Seite beten wir Christen unentwegt zu Gott: Dein Reich komme! Ob wir wissen, was wir da tun, wenn wir heute noch mit den Worten Jesu beten? Was erwarten wir, wenn wir um die Ankunft des Reiches bitten?
Die Kirche
Auswege und Ausreden hat es im Laufe der Geschichte genug gegeben. Ein Paradebeispiel ist gerade die Destillierung des Evangeliums auf das „Wesen des Christentums“ nach dem Muster von Adolf Harnack. Heutzutage begnügen wir uns ähnlich häufig, wie es auch Benedikt XVI. zu tun scheint, auf das „rein Religiöse“. Jedoch spürt er selbst das Bedauern bei Loisy über den Verlust in dessen Feststellung "Jesus verkündete das Reich Gottes, gekommen ist die Kirche.“ Denn auch Ratzinger muss am Ende zugeben: „Anstelle der großen Erwartung von Gottes eigenem Reich, von der neuen, durch Gott selbst verwandelten Welt, ist etwas ganz Anderes – und wie Armseliges! – gekommen: die Kirche.“
Die Bibel glaubt, das Reich Gottes habe seinen Ursprung zwar im Himmel, aber auf der Erde seinen Bestimmungsort (vgl. Apk 21). Wenn die Kirche (oder richtiger: einige ihrer Vertreter) Armut, Hunger und Unterdrückung im Sinne Jesu zu überwinden mithelfen wollen, zum Beispiel in der „Theologie der Befreiung“, werden sie von Rom zurückgepfiffen. Außerdem werden Bischöfe, welche statt dessen die Linie der Kirchenzentrale vertreten, an ihre Stelle gesetzt. Sie haben gelernt, dass die Kirche sich nicht vordringlich um die irdischen Sorgen der Menschen zu kümmern habe. Sie glauben, dass die Kirche in der Beziehung längst gleichsam über Jesus hinaus sei, ihre Hauptsorge hat das „Heil der Seelen“ zu sein und nichts anderes.
Gegenwärtig weckt die Redeweise vom Reich Gottes bei der Mehrzahl von Christen nur noch die diffuse Vorstellung von einer „unsterblichen Seele“ wach, die hoffentlich „in den Himmel“ kommen möge. Ein tüchtiger Christ, der Glück hatte und sich nach seinem Tode darauf versteht, ein sogenanntes Wunder zu wirken, bekommt dann in absehbarer Zeit bescheinigt, dass er es geschafft habe und „selig“ geworden sei. (Korrekt muss es natürlich heißen: dass Gott das Wunder bewirkt hat, wenn der Betreffende zuvor seine himmlischen Beziehungen hat spielen lassen.) Alle übrigen müssen dagegen bis zum „Ende der Welt“ warten. Dieses Themas haben sich derweilen vorzugsweise Sektenprediger angenommen, bei denen sogar genaue Auskunft zu erhalten ist, was sich in den letzten Tagen abspielen wird.
Was würde Jesus dazu sagen, wenn er wiederkäme? Fjodor Dostojewski hat in seiner Legende vom Großinquisitor versucht, sich diese Situation vorzustellen. Das Ergebnis war für die römische Kirche nicht sehr schmeichelhaft, die nach dem Urteil des Kardinals auf "das Wunder, das Geheimnis und die Autorität" gebaut war.
Das messianische Defizit
Carl-Friedrich Geyer, der Neuherausgeber des Werkes von Loisy, kommt zu einem sehr skeptischen Ergebnis. In Anspielung auf die Pleite Jesu als Wundertäter in Nazareth (Lk 4,16-30) spricht er von einem „messianischen Defizit“, so dass auch von den Seligkeiten, die das Evangelium verheißt, wenig eingetreten sei. Solange die Menschen nicht mitspielen, kommen die besten Pläne Gottes nicht zustande. Er schreibt: „Gott zeigt sich nicht in der Welt, auch wenn zweitausend Jahre Christentum maßgeblich daran beteiligt waren, die Welt zu zivilisieren. Es hat die Welt nicht verändert, sondern bestenfalls kenntlich gemacht, wie es in Wahrheit um die Welt insgesamt steht.“
Er sieht „die Kirche zum Auszug aus einem voraufgeklärten religiösen Exklusivitätsdenken aufgefordert, dem Auszug aus der Vorstellung, die Religion sei etwas, zu dem hin man vor der Welt flüchten könne.“ Unter der Annahme, alle Religionen erhofften je auf ihre Weise eine bessere Zukunft, damit also das Reich Gottes, schreibt er weiter: „Die absolute, an der Idee des Messianischen orientierte Religion wäre umgekehrt genau jene, die aufgehört hat, im traditionellen und wie allgemein unterstellten Sinne ,Religion’ zu sein.“
Geyer fasst seine Erwägungen zusammen: „Mit der Hoffnung auf das Reich Gottes verbindet sich naturgemäß ein bestimmter Blick auf die Welt. Wir nennen diesen Blick den eschatologischen. Er beinhaltet keinen moralischen Appell an die Welt, wie er sich auch – aber nicht notwendigerweise – mit dem Hinweis auf die „Menschenwürde“ verbinden kann. Er erklärt die Welt und die Geschichte zu etwas lediglich Vorläufigen. Dies geschieht im Neuen Testament und in seiner vom antiken Mythos geprägten Umwelt auf mythologische Weise. Lässt man diese zeittypischen Besonderheiten beiseite, dann gibt es keine Botschaften „von oben“ oder „von außen“, sondern nur eine Tiefendimension der Welt, wie sie ihn ihr nur der eschatologische Blick geben kann. Hinsichtlich einer möglichen Gotteserkenntnis kann aber einzig nur das „Menschliche“ als Kriterium gelten, aber kein menschliches Kriterium allein reicht für sich genommen aus, das Übernatürliche im Natürlichen zum Vorschein zu bringen, oder, wie es die literarischen Gedankenspiele um eine mögliche „Wiederkehr“ des Messias durchspielen, in einem „Narren“ den „Erlöser“ zu erkennen. Der Blick auf die „Würde“ mag ein Weg sein, aber er ist nicht das Ziel. Das Ziel ist die Präsenz des Jenseitigen im Diesseitigen. Getragen wird sie von der nicht an religiöse Exklusivitäten gebundenen Reich-Gottes-Hoffnung. Weil diese untrennbar mit dem Messias als dem „Menschensohn“ verwoben ist, zeigt sie, warum Jesus nicht in einer dem Mythos abgelauschten Weise wiederzukehren braucht: weil er in Wirklichkeit niemals weggegangen ist. Auf ununterbrochene Weise ‚offenbart’ sich seine Präsenz, solange die Menschen nach einer Teilhabe an der Hoffnung auf das Reich Gottes suchen und sein Kommen erwarten.“
Die Idee der „Menschenwürde“ hat ihre eigene Geschichte. Bekannt ist der kategorische Imperativ von Immanuel Kant: „Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“ Vor allem der christliche Glaube darf beim Aufkommen des Stichwortes Menschenwürde aber nicht übersehen werden. Geyer betont: „Soll das spezifisch Christliche im Überschneidungsbereich von Politik und Religion Gestalt annehmen, dann lässt es sich angesichts der tiefgreifenden Säkularisierung einerseits und der wiedererwachenden Resakralisierungstendenzen andererseits nur in seiner Kompatibilität mit dem normativen Kern westlicher Gesellschaften veranschaulichen; dies aber ist der Begriff der Menschenwürde. „Menschenwürde“, so behauptet beispiesweise Rainer Anselm, „ist das säkulare Äquivalent des Heiligen, das aber von den etablierten Religionen nicht mehr in Frage gestellt werden kann und darf“ (in: Reinmuth, Eckart, Hrsg.: Politische Horizonte des Neuen Testaments, Darmstadt 2010). Geyer fügt hinzu: „Es ist als Grenzbegriff aber jeweils nur annäherungsweise gegeben. Es bedarf fortgesetzter Interpretation, deren Überzeugungskraft aus den religiösen Texten erwächst.“
Geyer schließt mit der Bemerkung: „Man darf sich sicherlich fragen, wie dies alles im Blick auf das „christliche Leben“ bedeutsam werden könnte. Fromme Gemüter mag dies erstaunen, aber es wäre nach all dem Gesagten viel gewonnen, wenn man kleinliche Gewissensfragen, vermeintliche Moralität und bürgerliche Wohlanständigkeit zurückstellte und sich der einzigen und großen Frage auslieferte: Was und auf welche Weise habe ich ganz persönlich dazu beigetragen, dass zu meinen Zeiten und in meinem kleinen Leben das Reich Gottes Gestalt hat annehmen können. Für die Christenheit als ganze ist diese Frage die „quaestio stantis et cadentis ecclesiae“.
Carl-Peter Klusmann
Worüber es zu streiten gilt...
Zur AGP-Jahresversammlung 2011 und zur Dialoginitiative
„Aufbruch“ scheint das kirchliche Wort der Stunde zu sein. Das Memorandum,
in dem inzwischen über 300 Theologieprofessoren und –professorinnen
ihre Forderungen für den Dialogprozess formuliert haben, ist überschrieben
„Kirche 2011 – Ein notwendiger Aufbruch“. Der Mannheimer Katholikentag
2012 soll unter dem Motto stehen „Einen neuen Aufbruch wagen“ –
wobei diese Formulierung die Frage nach den bisherigen „alten“ Aufbrüchen
und deren Ertrag aufwirft.
Viele scheinen jedenfalls trotz einschlägiger Negativerfahrungen zu dem „Wagnis“ eines Dialogs bereit. Aus ganz unterschiedlichen, z.T. kirchenpolitisch gegensätzlichen Richtungen wird die Dialoginitiative unterstützt und das Memorandum verteidigt. Die AGP-Gruppe Aktionsgemeinschaft Rottenburg (AGR) begrüßte in einer Erklärung – an Johannes XXIII. erinnernd mit „Wer glaubt, zittert nicht“ überschrieben – „den von der Deutschen Bischofskonferenz und dem ZdK angekündigten Dialogprozess für die Kirche in unserem Land“ und sieht in dem Memorandum „einen wichtigen Beitrag zu diesem Dialog“. Selbst in einem Beschluss des Diözesankomitees im Erzbistum Paderborn geschieht dasselbe. In ihm wird ausdrücklich unter Angabe des Internet-Links auf die Möglichkeit der Unterschrift zur Unterstützung des Memorandums verwiesen. Auch dieser Beschluss beruft sich übrigens in einer Passage auf Johannes XXIII.
In diese Zustimmung mischt sich aber auch Sorge über den recht zögerlichen Beginn des Prozesses, über seine möglichen Einschränkungen und Behinderungen. Kein Wunder, dass darum unerlässliche Bedingungen für das Gelingen des Dialogs genannt werden. Klar formuliert die Initiative Kirche von unten (IKvu): Ein Dialog ist notwendig „ohne Denkverbote und mit dem Ziel einer tiefgreifenden Reform“ und zitiert - vielleicht Böses ahnend - Prof. Hermann Häring: „Doch die abfällige Art, wie jetzt ständig Reformvorschläge, die ja seit vielen Jahren auf dem Tisch liegen, als ,übereilt’ und ,plakativ’ disqualifiziert werden, ist geradezu absurd und zeigt ganz klar: Es hat sich noch längst nicht genug bewegt“. Die AGR stellt fest: „Ein echter Dialog ist nur möglich, wenn alle zu Wort kommen dürfen und alle bedrängenden Fragen angesprochen werden können.“ Ein Dialog also nicht nur in Zirkeln und Gremien von „Fachleuten“, nicht nur „oben“ oder „von oben herab“, sondern mit den Christinnen und Christen an der Basis, in den Gemeinden. H. Häring in der zitierten Presseerklärung der IKvu: „Wir brauchen dringend einen breiten Konsultationsprozess in dieser Kirche, der zuerst die Menschen unten in den Gemeinden als Experten einbezieht.“ Ein Dialog, der aber auch einer des klaren Wortes und des respektvollen Streits sein muss. Es gibt nicht nur unterschiedliche Meinungsakzente, es gibt grundsätzlich verschiedene Positionen über den richtigen - d.h. letztlich evangeliumsgemäßen - Weg der Kirche. Darüber lohnt es, sich zu streiten, darüber muss gestritten werden. (vgl. zum Dialogprozess auch: SOG-Papiere 2011/1)
Wenn sich die AGP-Gruppen Pfingstmontag zur ihrer Jahresversammlung treffen, dann wird die hier angedeutete Auseinandersetzung gleichsam die Hintergrundmusik darstellen bei ihren Überlegungen zum Thema „Aggiornamento“ heute. Was wird der spezifische Beitrag der AGP sein können? Sicher nicht, zum x-ten Mal allseits bekannte Einzelforderungen zu wiederholen – obwohl deren Einlösung weiter notwendig bleibt. Die AGP aber scheint gut beraten, sich gerade angesichts der Vielzahl von „Baustellen“ im kirchlichen Betrieb auf die intensive Beschäftigung mit Grundfragen kirchlicher Reform und deren geistig-theologischer, aber darin auch gerade praktischer Ausrichtung zu „beschränken“. Nicht wie Kardinal Kasper, der die grundlegende Bedeutung der Gottesfrage zum Argument gegen längst überfällige kirchliche Reformen missbraucht, muss sie angesichts der Zeichen der Zeit (s. SOG-Papiere 2010/8, 30f) Bedeutung, Form und Inhalt heutiger Gottesrede reflektieren. Sie muss die Interdependenz angemessener Rede von Gott und kirchlich-gesellschaftlicher Praxis aufzeigen. Zielführender ist deswegen wohl, nicht in erster Linie von der nach Theorie klingenden „Gottesfrage“ zu sprechen, sondern von den Bedingungen eines „Nahekommens“ des Reiches Gottes als der Richtschnur kirchlicher Erneuerung (s.o. C.P. Klusmann, Warten auf das Reich Gottes). Da das „Heilige“ aber nie einfach greifbar, offenbar oder eindeutig identifizierbar vorkommt, gilt es , darum zu streiten, durch welche Praxis es gleichsam „aufscheinen“ kann. Nur wenn man sich dieser geistigen, sicher auch kontroversen Anstrengung stellt, wird man Ziele und Wege für den Dialogprozess finden, die bei den Menschen ankommen. Dort und in ihnen sind sie an ihrem passenden Ort, weil es die „Fund“- bzw. Begegnungsstätte des „Heiligen“ ist. Wenn es stimmt, dass der Beitrag zum Gestaltwerden des Reiches Gottes die „quaestio stantis et cadentis ecclesiae“ ist (s.o. aaO.) - und wohl nicht nur der Kirche! - dann ist das die Frage nach dem „aggiornamento“ heute, dann ist darüber zu streiten, bei der AGP-Jahresversammlung und beim Dialogprozess. Bloß passives „Warten“ auf das Reich Gottes reicht nicht!
Ut
Kehrtwende von Ratzinger zu Benedikt
Die PIPELINE vom 19. Dezember veröffentlichte einen Brief vom 9. Februar 1970, der unter anderem damals von Joseph Ratzinger unterzeichnet war. Neun Mitglieder der „Kommission für Glaubens- und Sittenlehre der Deutschen Bischofskonferenz“ baten damals in aller Ergebenheit die Bischöfe, eine Überprüfung des herrschenden Zölibatsgesetzes anzustreben. Eindringlich werden die mißlichen Folgen der gegenwärtigen Praxis beschrieben (vgl. jetzt auch den VkPF-Aufruf v. 16.2.11: Der Zölibat und seine vergessenen Opfer). Der erwähnte Brief wurde bereits 1970 in ihrer Ausgabe 6/7 der „Orientierung“ veröffentlicht. Die neueste Wiedergabe dieses Textes in dem bescheidenen Heft des Aktionskreises Regensburg (AKR) löste auch in der überregionalen Presse einigen Wirbel aus, zumal der heutige Standpunkt des Papstes in dieser Frage allgemein bekannt ist. Allerdings hatte die Pipeline auch eine neue Information zu bieten: 1970 war J. Ratzinger als Mitunterzeichner nicht namentlich genannt worden. Die Gründe sind nicht allgemein bekannt. Vielleicht war der damals noch junge Ratzinger gegenüber den Genannten (Egenter, Kasper und Rahner) noch ein zu „kleines Licht“. Vielleicht hatte Ratzinger gewünscht, daß sein Name nicht genannt würde. Vielleicht hat der heutige Papst im Unterschied zu seinem Vorgänger auch schon vor seinem Tod ein kleines Wunder gewirkt und seine „Unfehlbarkeit“ hat sich auf die beschriebene Weise ausgewirkt und ihn davor bewahrt. Wer weiß?
Informationen zur AGP-Jahresversammlung 2011
Beginn: | Pfingstmontag, den 13. Juni 2011; Ankunft 18.00 Uhr; Abendessen 18.30 Uhr |
Ende: | Mittwoch, den 15. Juni 2011 gegen 13.00 Uhr nach dem Mittagessen |
Tagungsort: | Haus am Maiberg, 64646 Heppenheim, Ernst-Ludwig-Str. 19; Tel.: 06252 - 93060 |
E-Mail: | haus-am-maiberg@t-online.de |
Kosten: | Unterkunft im EZ und volle Verpflegung für die Gesamttagung 122,- € (DZ möglich) |
Anreise: | Bahnhof Heppenheim; 15 min Fußweg oder Taxi; mit dem Auto: BAB 5 Ausfahrt Heppenheim (31), Richtung Ortsmitte, weiter Richtung Bahnhof, dann Hinweis (links) |
Anmeldung: | AGP-Büro, z.Hd. Manfred Krystofiak, Soester Str. 165, 59071 Hamm; Tel.: 02381 – 880499; E-Mail: m.krystofiak@arcor.de |
Informationsdienst der AGP: 59071 Hamm, Soester Str. 165, Ruf (02381)880499,
Fax 880431; m.krystofiak@t-online.de
Redaktion: Edgar Utsch, 45888 Gelsenkirchen, Siegfriedstr. 6, Ruf (0209)23736,
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Carl-Peter Klusmann, 44139 Dortmund, Kreuzstr. 68, Ruf (0231)147303, Fax 2866505;
cp.klusmann@dokom.net
Die SOG-Papiere erscheinen als Beilage zu "imprimatur", 66123 Saarbrücken,
Walter Gieseking-Str. 12