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46. JAHRGANG
 
26. Okt. 2013


INFORMATIONSDIENST DER ARBEITSGEMEINSCHAFT VON PRIESTER- UND SOLIDARITÄTSGRUPPEN IN DEUTSCHLAND (AGP) 2013 / 7

Auf himmlischen Wunsch
Der „wahre“ Grund für Benedikts Rücktritt – ein Nachtrag

Man ist selbst verwundert, wenn man sich heute noch in einem Artikel mit Benedikt XVI. und dessen außergewöhnlichen Rücktritt beschäftigt. So weit entfernt und schon fast aus dem Gedächtnis verschwunden scheinen Pontifikat und dessen abruptes Ende schon zu sein. Noch vor einem Jahr war Benedikt wie selbstverständlich im Amt und Rücktrittsgedanken wären mit einsichtigen Gründen in die undurchsichtig-qualmige Gerüchteküche böswilliger Journalisten oder intriganter Vatikanseilschaften verwiesen worden.

Nun war aber der tatsächliche Rücktritt wieder Meldungen in verschiedenen Online-Diensten wert. Auch deren Inhalt möchte man gerne in eine Gerüchteküche verbannen, in der zu heiß gekocht wird. Die Nachricht war in einem Printmedium überschrieben „Benedikt soll Grund für seinen Rücktritt genannt haben“. Hatte uns der emeritierte Papst also bis jetzt hinter’s Licht geführt und nun einem unbekannt bleibenden Besucher reinen Wein eingeschenkt? Homosexuelle Seilschaften, Intrigen, Vatileaks etc.?

Der „wahre Grund“

Nein, solche Gründe wären wohl zu banal – es ging vielmehr um den wahren Grund des Rücktritts: „Gott hat es mir gesagt“. Gott habe in einer „mystischen Erfahrung“, so Benedikt, den absoluten Wunsch aufkommen lassen, mit ihm allein im Gebet zu sein. Keine Flucht aus der Welt, sondern eine „Flucht in Gott und ein Leben in seiner Liebe“.

Wer hat Interesse an einer solchen Geschichte? Benedikt selbst? Wohl kaum. Aber welche „Vertraute“ sind das, denen er angeblich einen Blick in seine innersten „Gründe“ gewährt? Personen, die dann sein Vertrauen und die doch sicher vorausgesetzte Verschwiegenheit verraten? Benedikt mit schlechten Umgang, in schlechter Gesellschaft?

Warum findet die Meldung aus einer anderen Welt hier überhaupt Erwähnung? Weil sie etwas über die augenblicklichen Befindlichkeiten in der römischen Kirche aussagt. Konservative Kreise haben sofort von einer Medienente gesprochen. Wohl weil Benedikt darauf verwiesen hat, dass das Charisma seines Nachfolgers zeige, dass seine Entscheidung der Wille Gottes gewesen sei. Franziskus ist diesen Kreisen aber eher ein Dorn im Auge.

Andere wiederum können sich offensichtlich nicht damit abfinden, dass ein Papst aus ganz weltlichen Gründen zurücktritt: Alter, Krankheit, nachlassende Kräfte, die es unmöglich machen, Probleme angemessen wahrzunehmen und entsprechenden Lösungen zuzuführen etc. Wenn das berechtigte Gründe wären! Die Liste der Päpste müsste voll von Emeriti sei, die in vielfacher Weise „kränker“ waren als Benedikt. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Die Natur darf nicht beenden (außer durch den Tod, der dann „letztlich“ doch Tat Gottes ist, der heim ruft), was die „Über-Natur“ gewollt hat. Also muss Letztere auch das letzte Wort haben: Gottes Wunsch ist natürlich Folge zu leisten.

Eine zweischneidige göttliche Lösung

Doch Vorsicht mit dieser himmlischen Lösung eines vermeintlichen Problems. In zweitausend Jahren Kirchengeschichte – bzw. in der wohl um einiges kürzeren Papstgeschichte – soll Benedikt der erste Papst gewesen sein, bei dem Gott den „absoluten Wunsch“ erweckt hat zur trauten Gebets-Zweisamkeit? Wollte sich Gott die Vorgänger „vom Leibe halten“? (Bei vielen hätte man durchaus Verständnis für ein solches göttliches Ansinnen.) Waren sie nicht allein mit Gott im Gebet, weil sie sich auch noch um die Kirche kümmern mussten? Ist dieses Kümmern in den Augen Gottes eine nicht so wichtige Angelegenheit? Aber eine himmlische Relativierung einer Institution, die sich doch geradezu als die „leibhaftige“ Vergegenwärtigung des Willens Gottes versteht?

Legendenbildung und Privat-Offenbarung

Diese Nachricht aus unbekannten, aber wohl interessierten Kreisen soll eventuell der Legendenbildung dienen mit der Absicht, durch die Behauptung der besonderen Gebets-Intimität zwischen Benedikt und Gott eine Heiligsprechung des noch unter uns weilenden Pontifex’ vorzubereiten. Bei Johannes Paul II. hatte man ja schon wohlweislich Blut – als zukünftige Reliquie – konserviert. Wie in seinem Fall wäre man – dann nur in spiritueller Weise – gut vorbereitet für eine weiteres „Subito“. Bestimmte Kirchenkreise scheinen sich dem olympischen Motto nicht entziehen zu wollen: schneller, höher, weiter.

Auch eine schein-theologische Erklärung ist möglich. In der römisch-katholischen Kirche bzw. Theologie ist offensichtlich die Vorstellung vom direkten Draht zu Gott und den auf diesem Weg empfangenen „Privat-Offenbarungen“ nicht auszurotten. Die verheerenden Folgen einer solchen theologischen „Figur“ und entsprechender Frömmigkeitsformen, z.B. Machtintrigen und Machtmissbrauch, zeigt H. Wolf in seinem Buch „Die Nonnen von Sant’ Ambrosio auf. (s. SOG-Papiere 2013/6, 18) Einige Nonnen dieses Klosters hatten Mitte des 19. Jahrhunderts nach eigener Angabe, bestätigt u.a. durch den von Pius IX. geschätzten Hoftheologen Joseph Kleutgen, einen regen Briefwechsel mit Maria und (seltener) mit Jesus. In Ekstasen und Visionen wurden sie zu persönlichem Kontakt in den Himmel versetzt. So verfügten (im wörtlichen Sinne) die Nonnen über die himmlischen Absichten und forderten den von ihnen weitergegebenen Anweisungen gegenüber absoluten Gehorsam. Ausgerechnet die Inquisition (!) entlarvte diesen Anspruch zu Recht als „angemaßte Heiligkeit“ (affetata santità).

Nun kann man Benedikt sicher nicht solche krankhaften Fömmigkeitseinbildungen unterstellen oder gar die Anmaßung eigener Heiligkeit. Aber interessierte Kreise nutzen die beschworene Aura mystischer Erfahrungen und die Rede von der „Flucht in Gott“ (Ein Ausdruck, der durchaus Ratzinger-Klang besitzt.), um ihr kirchenpolitisches Süppchen zu kochen: die Mystifizierung des Papsttums und seine Direkt-Verdrahtung mit dem „Himmlischen“.

Statt Benedikt so frömmlerisch-respektlos zu funktionalisieren, gönne man ihm seinen verdienten Ruhestand, den er sich mit guten, eben natürlichen Gründen verschafft hat.

Ut

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Verzweifelte Suche
Zur Wahl der neuen Gemeinderäte

Im November werden in den deutschen Diözesen neue Gemeinderäte gewählt. Wie wichtig dieses Beratungsgremium z.B. der Bistumsleitung in Essen ist, wird daran deutlich, dass schon vor längerer Zeit beschlossen wurde, diese Laienvertretung vor Ort in Zukunft nicht mehr wählen zu lassen. Nach der Strukturreform, bei der – wie in den meisten deutschen Bistümern – jeweils mehrere Gemeinden zu einer Pfarrei zusammengefasst wurden, soll es nur noch in diesen XXL-Pfarreien Pfarrgemeinderäte geben. So kommt es, dass schon jetzt in vorauseilendem Gehorsam in manchen Pfarreien keine Gemeinderäte mehr gewählt werden.

Diese Entwicklung ist kontraproduktiv. Denn in absehbarer Zeit wird es in vielen Gemeinden keinen Priester mehr geben – außer am Sonntag als vorbei-reisender Liturge. Dass dann ein Beratungs- und Beschlussgremium besonders wichtig wird, um das Leben in der Gemeinde zu koordinieren und zu stärken, liegt zwar auf der Hand, scheint aber den Entscheidungsträgern, die nur eine sehr selektive Wahrnehmung der Gemeinden und höchstens sporadischen Kontakt zu ihnen haben, kaum vermittelbar zu sein.

Ehrenamt – gelobt und vernachlässigt

Wer aber ist unter diesen Bedingungen noch bereit, für ein Auslaufmodell zu kandidieren – und so selbst zum „Auslaufmodell“ zu werden? In vielen Gemeinden gibt es verständlicherweise große Schwierigkeiten, Frauen und Männer zu finden, die sich zur Wahl stellen – von ihrer Eignung einmal abgesehen. Natürlich ist das auch eine Folge der Altersstruktur in der sog. Kerngemeinde. Gerade die „aktiven“ Gemeindemitglieder sind verhältnismäßig alt und haben nicht mehr die Kraft, sich wie bisher für das Gemeindeleben zu engagieren. Außerdem tanzen sie oft auf mehreren Hochzeiten – und mit dem Tanzvergnügen ist es bekanntlich im Alter nicht mehr so weit her.

Doch während dieser Grund nachlassenden Engagements naturgegeben ist und somit für sich allein kein außergewöhnlicher Anlass zur Sorge sein müsste, kommt eine gravierende Ursache für die abnehmende Bereitschaft zur Mitgestaltung hinzu. Viele, denen die Kirche durchaus nicht gleichgültig ist, sind nicht (mehr) bereit, sich unter den gegenwärtigen Bedingungen durch ein längerfristiges Amt an die Gemeinde zu binden – zu vorprogrammiert scheinen Ärger und Frust. Diese realistische Erwartung bilden einen beredten Kontrast zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen und bischöflichen Verlautbarungen zur pastoralen Situation und unzähligen Sonntagsreden in denen die Unerlässlichkeit des Einsatzes der Laien und die Hochschätzung ihnen gegenüber betont werden. Im Generalvikariat des Bistums Essen gibt es seit einiger Zeit gar ein eigenes Referat für ehrenamtliches Engagement. Besonders gerne wird die Bedeutung der Frauen hervorgehoben. Papst Franziskus hält Maria, immerhin trotz ihrer dogmatischen „Entmenschlichung“ bzw. Überhöhung eine Frau, für wichtiger als die Bischöfe – ein wohlfeiles, weil konsequenzenloses Kompliment, nicht mehr!

Verantwortung nicht ohne Mitentscheidung

Doch für den Wert und die Glaubwürdigkeit all der hehren Worte und bürokratischen Einrichtungen gibt es ein einfaches Kriterium: Können die Laien mit-entscheiden über die Pastoral in ihren Gemeinden und auf der Ebene des Bistums? Gerade kompetente Männer und Frauen wirken etwa in ihrem beruflichen Umfeld an Entscheidungsprozessen mit und übernehmen entsprechende Verantwortung. Diese Erfahrung der notwendigen Verbindung von Mitentscheidung und Verantwortungsübernahme wollen sie in der Gemeinde nicht eintauschen gegen scheindemokratische Sandkastenspiele, bei denen dann im Ernst- bzw. Konfliktfall doch der Priester das letzte Wort hat, weil er angeblich der Letzt-Verantwortliche ist.

Auf dieses Dilemma hat Christoph Nobs, einer der Sprecher der Pfarrerinitiative „Münchener Kreis“, hingewiesen. In einer Stellungnahme zur sog. „kooperativen Pastoral“ nennt er diese eine „unkonkrete Zauberformel“, denn „das ganze ,Kooperieren’ behält strukturell gesehen einen im besten Fall harmonisch-fruchtbaren, aber eigentlich eher unverbindlichen Charakter..., weil derzeit weiterhin... kirchenrechtlich gesehen die Pfarreisorge letztlich alleinige Sache des Pfarrers ist“. Er schlägt darum vor, „das Experiment einer vertraglich geregelten, weniger klerikal strukturierten Gemeindeleitung ein(zu)gehen..., bei der dann ein Gremium oder eine Gruppe oder einzelne Personen nicht mehr nur beratend und helfend (sind), sondern auch regierend, entscheidend und ausführend, verbindlich verpflichtet und berechtigt.“ Da er dafür aber wenig Aussicht auf Erfolg sieht – auch wegen des Zweifels daran, ob „die Lust, Kapazität, Fähigkeit und Reife bei einem Teil der Pfarreiangehörigen vorhanden wären“, – formuliert er eine Übergangsmöglichkeit: „Was höchstens möglich wäre, wäre eine interne vertragliche Selbstverpflichtung“, bei der der Pfarrer formal, nach außen hin in seiner traditionellen Funktion verbliebe, intern aber in eine neue Entscheidungs- und Verantwortungsstruktur eingebunden würde.

Nobs sieht, dass sein Vorschlag nicht ins römisch-katholische System passt: „Damit würde man sich aber ... ganz deutlich mehr in Richtung evangelisches Kirchenverständnis bewegen“ und fügt fast resignierend hinzu: „... dafür sehe ich in der derzeitigen Katholischen Kirche jedoch nur wenige Signale.“ Solche Signale benennt er allerdings nicht – es wäre interessant gewesen, sie kennen zu lernen. Dennoch sollte sein Vorschlag einer Selbstverpflichtung nicht als fixe Idee abgetan werden. Wenn auf diese Weise Frauen und Männer in den Gemeinden ernst und in die Pflicht genommen würden, könnte das zumindest der Anfang einer Pastoral der Gemeinde sein und der Anfang vom Ende einer betreuten Gemeinde.

Ut

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"Die Aussätzigen von heute"

Diesen treffenden Vergleich brauchte die Süddeutsche Zeitung (M. Dobrinski) für die Begegnung zwischen Papst Franziskus und den Flüchtlingen auf Lampedusa. Viele Fromme hätten eher erwartet, dass der Papst aus Lateinamerika zunächst einer Kultstätte der Volksfrömmigkeit wie Lourdes oder Fatima seine Aufwartung machen würde. Das biblische Stichwort "Aussätzige" deutet jedoch an, dass diese programmatische Reise im Juli nicht nur ein beliebiges Beispiel für Frömmigkeit oder ein Musterbeispiel in Sachen Nächstenliebe war. Denn der Umgang Jesu mit den Aussätzigen seiner Zeit ist Inbegriff seiner Offenheit gegenüber jedermann, vor allem den Ausgestoßenen in der Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund wird erkennbar: Diese Reise von Papst Franziskus hatte offenbar größeres Gewicht. So wie das letzte Konzil nicht "bloß" eine pastorale Veranstaltung (wie Ratzinger 1988 es den Lefebvreleuten schmackhaft machen wollte), sondern durchaus von dogmatischer Relevanz war, ähnlich verhält es sich anscheinend mit der Reise auf die Insel vor der Küste Afrikas, wo es um das Schicksal von Menschen, um Fragen nach Leben und Tod geht.

Wenn man dafür außer dem biblischen Vorbild noch einen theologischen Anknüpfungspunkt suchen will, bietet sich vielleicht die Lehre des 2. Vatikanischen Konzils über die Hierarchie der Wahrheiten (Ökumenedekret Nr.11) an. Dort wird nach dem "Zusammenhang mit dem Fundament des christlichen Glaubens" gefragt. Was aber ist das "Fundament des christlichen Glaubens?" Zwei Antworten bieten sich an, beide jedoch aus sehr unterschiedlichem Blickwinkel.

Manche denken hauptsächlich an ein System dogmatischer Sätze. Sie suchen demnach in erster Linie nach einer theoretischen Antwort. Für sie muss als Fundament eine zentrale These herhalten. Falls es jedoch dabei bleibt, gilt für sie das biblische Urteil: "Auch die Dämonen glauben." (Jak 2,19)

Ein gelebter Glaube auf der anderen Seite hat als Grundlage eine konsequente Praxis in der Nachfolge Jesu. So wollte der neue Papst offenbar seine Solidarität mit den Armutsflüchtlingen am Rande Europas verstanden wissen. Insofern geht es hier zweifellos um eine grundlegende Botschaft. Die Bewertung als "Fundament" ist nicht zu weit hergeholt. Zu fragen ist also: Hat Papst Franziskus durch sein exemplarisches, quasi programmatisches (!) Verhalten auch einen Beitrag zu Fragen der Lehre geleistet, vielleicht auch ohne diesen direkt zu beabsichtigen?

Die anschließende Frage drängt sich unvermeidlich auf: Besteht eine Chance, dass durch völlig neue Lebensverhältnisse (als "locus theologicus") auch eine Revision überkommener Lehren herbeigeführt wird, die selbstverständlich ihrerseits einer kritischen Überprüfung bedarf? Danach sieht es jedoch im bisherigen Episkopat von Franziskus nicht aus. Allerdings müssten für eine Überprüfung bisherige positive wie negative Erfahrungen als Maßstäbe ins Spiel kommen, gewissermaßen als eine Kritik zweiter Potenz. Im Kreis von Superfrommen hat sich eine andere Hierarchie kirchlichen Wahrheitsverständnisses stillschweigend breitgemacht. Sie genieren sich nicht, Zitate von sogenannten "Erscheinungen" in einem Atemzug mit biblischen Aussagen zu verwenden.

Umgehend gab es auch Reaktionen auf die Papstreise. Eine menschlichere Flüchtlingspolitik der EU ist längst überfällig. Statt dessen wurden auch andere Stimmen laut. Die FA-So-Z meldete am 14.7.13: Der CSU-Politiker Uhl bezeichnete es als keine Lösung, Anreize für neue Flüchtlingsströme (sic!) zu schaffen. Appelle gehörten zwar zur Rolle des Papstes, aber „wir Politiker müssen die Probleme realitätsbezogen lösen“, sagte Uhl dem Blatt. (kna)

cp

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Vorhersehbarer Skandal
Konflikte im Bistum Limburg moderiert, aber nicht gelöst

Ein aufschlussreiches Zitat: „Erst wer loslässt, hat Herz und Hände frei, um nach Gott zu greifen.“ Franz-Peter Tebartz van Elst in: Wer glaubt, sieht mehr. Perspektiven und Prioritäten, Kevelaer 2009, 58. Hinzuzufügen ist ein entlarvendes Zitat: „Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun; denn sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen.“ Mt 23, 3

Es ist im Augenblick etwas ruhiger geworden im Bistum Limburg, zumindest was die öffentliche Berichterstattung über die Vorgänge um den dortigen Bischof angeht. Der Sondergesandte des Vatikans, Kardinal Lajolo, ist wieder in Rom, Tebartz-van Elst hat (verklausuliert) um Vergebung gebeten und Besserung gelobt. Also Neuanfang und alles, was gestern zu Recht Missstand genannt wurde, heute nur noch Schnee von gestern? Das anzunehmen, ist wohl äußerst naiv. Zu groß ist die Entfremdung zwischen dem Bischof und seinen Diözesanen, einem Großteil der Laien und Priester. Zu übel muss die Amtsführung den Bischofkollegen „aufgestoßen“ sein, denn sonst hätten sich die Kardinäle Lehmann und Marx und der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, nicht so unmissverständlich und zudem öffentlich von ihrem Amtsbruder distanziert. Es bleibt also mehr zu tun als nur aufzuräumen.

Neuanfang oder Rücktritt

Matthias Drobinski schreibt: „Und wenn der Bischof von Limburg ... die Mitra aufsetzt..., fragt man sich unwillkürlich: Darf der das schon?“ (Süddeutsche.de vom 27.08.2013) Mit dieser Frage spielt Dobrinski lediglich auf das jungenhafte Aussehen des 53-jährigen Bischofs an. Doch die Frage erhält nach all den Ungereimtheiten im bischöflichen Handeln ein neues Gewicht und lautet nun, leicht abgewandelt: Darf der das noch? Darf er noch das Amt ausüben, das vor allem den Dienst an der Einheit beinhaltet? Natürlich, auch ein Bischof darf auf Vergebung hoffen und darauf, dass ihm ein Neuanfang gewährt wird. (Allerdings darf man Vergebung und Neuanfang nicht als Quasi-Rechtsanspruch reklamieren, wie es Tebartz-van Elst zu tun scheint.) Doch ist die Erwartung, dass ein Bischof, der offensichtlich so zum Unfrieden beigetragen hat, den Weg frei macht für einen unbeschwerten Neuanfang mit einem neuen Bischof, so abwegig oder gar unchristlich? Kleben die Bischofsstühle besonders stark und haften deren „Besitzer“ besonders hartnäckig an ihnen? Könnte man nicht auch in diesem Fall von den „Kindern dieser Welt“ lernen und den Bischofs-Stuhl räumen? Und das nicht auf Druck, nicht angeordnet, nicht als endgültige Demütigung, sondern aus Einsicht und in der Freiheit bzw. Souveränität eines Christenmenschen!

Ideologische Personalpolitik

Doch der „Fall Limburg“ ist nicht in erster Linie ein persönliches Problem und schon gar kein Einzelfall, sondern die Konsequenz vatikanischer (Personal-) Politik. Dieser Bischof traf das Bistum nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sondern aus dem trüben Gewölk bzw. Gebräu aus römischem Zentralismus, vatikanisch-bürokratischer Arroganz, Linientreue und anderen unappetitlichen Ingredienzien. Die Konflikte waren vorhersehbar. Wie groß muss die Blindheit bzw. ideologische Verbohrtheit der zuständigen Stellen, besser: Herren, in Rom sein, wenn man nach dem glaubwürdigen, bescheidenen und mit Rückgrat versehenen Franz Kamphaus (Er trug wohl seinen Vornamen zu Recht – anders als Franz-Peter T- v.E.) einen Bischof beruft, dessen Wohnung als Weihbischof von den Münsteranern bereits als „Kronprinzenpalais“ bezeichnet wurde?! Für das Bistum Limburg war es eine Schocktherapie, aber eben nach römischem Gusto. Jetzt, da mit Franziskus in Rom ein „Wahlverwandter“ von Kamphaus Bischof ist, wird die Unmöglichkeit des jung-antiquierten Fürstbischofs van Elst unübersehbar.

„Geld-Lösung“

Dass auch in der Kirche Geld eine wichtige Rolle spielt, könnte in diesem Fall auf paradoxe Weise von Vorteil sein. Denn der Fürst von Limburg und seine Adjutanten haben sich verspekuliert. Nicht 5 Millionen, sondern über 30 Millionen wird das „Bischofshaus“ kosten. Keiner weiß bisher aus welchen Schatullen das Geld für diese Verschwendung kommt. Der Bischof hat den Vermögensverwaltungsrat nicht nur nicht informiert, sondern sogar, nach Aussagen von Mitgliedern dieses diözesanen Gremiums, belogen. Damit hat aber T.-v. Elst gegen das Kirchenrecht verstoßen. Da hört aber der Spaß bei den Römern normalerweise auf, die zudem bei einem solchen Betrag ebenfalls hätten informiert und um Zustimmung gebeten werden müssen. Zum Glück hat sich ja eine stattliche Opposition von Priestern und Laien gebildet, die mit klaren Ansagen nicht hinter dem Berg hält und deren Vertreter dankenswerterweise auch Mut vor Thron und Altar haben.

Die Tage als Bischof von Limburg scheinen gezählt zu sein. Allzu optimistisch wird man aber im Blick auf den bisher üblichen Umgang mit kirchlichen Konflikten nicht sein dürfen. Potentaten, die mit den ihnen anvertrauten Menschen nicht auskommen, werden häufig an einen anderen Ort, nach oben weg-befördert. Der ehemalige Bischof von Regensburg Müller, der jetzige – von Franziskus bestätigte! – Präfekt der Glaubenskongregation, ist ein prominentes Beispiel für diese systemtypische Verschiebe- bzw. Belohnungspraxis.

Ut

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